Eine Stunde lang wurde danach hinter verschlossenen Türen verhandelt. Das ungewöhnliche Thema: H2, Wasserstoff. Bayern und Niederösterreich wollen eng zusammenarbeiten, um Wasserstoff für Energiegewinnung nutzen zu können (siehe Artikel daneben). Da geht es um Technik, da geht es um die Zusammenarbeit im Bereich der Wasserstoffkomponenten, da geht es auch um Pipelines durch Niederösterreich, mit denen Wasserstoff aus Kroatien oder Italien künftig nach Bayern transportiert werden soll. Ministerpräsident Markus Söder: „Wir orientieren uns da nach dem Süden.“ Weil man auch nicht davon abhängig sein will, ob Wasserstoff aus dem Norden Deutschlands tatsächlich geliefert werden wird.
Bayern investiert zig Millionen Euro in seine Wasserstoffstrategie, um so im Energiebereich unabhängiger zu werden. Söder sieht da seinen Freistaat als Zukunftstreiber und vergleicht Bayern sogar mit Kalifornien. Niederösterreich will da auch besonderes Know-how einbringen. Johanna Mikl-Leitner: „Ziel ist es, eine Plattform für Innovation, Wissenschaft, Wirtschaft und Industrie aufzubauen. Denn die Wasserstoffstrategie ist eine wichtige Zukunftsstrategie.“
Konkret setzt man auf heimische Firmen wie Worthington, Testfuchs oder Pollmann, die sich bereits intensiv mit Wasserstoff als Energieträger beschäftigen. Oder auf innovative Kräfte wie den Wilhelmsburger Lukas Renz, der mit seinem Bruder Michael das Start-up HydroSolid gegründet hat. Er hat Raumfahrttechnologie genutzt, um mehr Wasserstoff in deutlich geringerem Volumen zu speichern.
Die Zusammenarbeit von Bayern und Niederösterreich wurde auch in einer gemeinsamen Erklärung niedergeschrieben und von Mikl-Leitner sowie Söder unterzeichnet. Abseits davon soll Anfang Dezember in St. Pölten eine eigene Wasserstoffstrategie präsentiert werden. Zusätzlich zur Wasserstoffstrategie des Bundes.
Vor dem Gespräch in der Staatskanzlei hatte Johanna Mikl-Leitner auch jenes BMW-Werk in München besucht, wo die Wasserstoff-Technologie weiterentwickelt wird. Wie Bereichsleiter Markus Flasch, ein Österreicher, und Projektmanager Jürgen Guldner ausführten, könne man bei der Dekarbonisierung im Verkehr nicht nur auf reine E-Mobilität setzen. Wasserstoff sei als zweites Standbein notwendig, vor allem für größere Transportfahrzeuge. Mikl-Leitner durfte auch in einem 400-PS-Pkw mitfahren, der mit einer H2-Brennstoffzelle ausgestattet ist. Danach sprach sie von einem „angenehmen Fahrgefühl“.
Hoffnungsträger Wasserstoff
Wasserstoff ist das leichteste chemische Element und ein gasförmiger Energieträger. Er kann aus Wasser () hergestellt werden. Dabei wird das vom Sauerstoff (O) getrennt. Die Hoffnung liegt auf dem sogenannten grünen Wasserstoff, der mittels Ökostrom-betriebener Elektrolyse gewonnen wird.
Die Stärken: Wasserstoff kann, wie auch Methangas (Hauptbestandteil von Erdgas) verbrannt werden, allerdings entstehen dabei keine -Emissionen. Mit einer Brennstoffzelle kann daraus aber auch Strom hergestellt werden. Im Gegensatz zu diesem ist Wasserstoff aber gut speicherbar. Drittens kann Wasserstoff durch Beimengung von verflüssigt werden (sogenannte E-Fuels).
Die Einsatzgebiete: Wasserstoff könnte als Ersatz von Methan, Öl und Kohle in der Industrie eine wichtige Funktion haben. Theoretisch kann man damit auch heizen, dafür gibt es aber deutlich effizientere Technologien. In der Mobilität teilen sich die Prognosen: Während bei Pkw die Batterieelektrischen auf absehbare Zeit effizienter sein werden, könnte sich Wasserstoff im Last- und Fernverkehr rentieren. Im Bahnverkehr könnte er Dieselloks ersetzen, auch Schiffe und Flugzeuge könnten damit angetrieben werden.
Der Zeitrahmen: Technisch ist bereits viel möglich, wirtschaftlich konkurrenzfähig ist die Technologie aber nicht. Bei Lkw könnte es bis 2030 so weit sein. Für Züge gibt es bereits Pilotprojekte, im Schiffs- und Flugverkehr wird Wasserstoff voraussichtlich nicht vor den 2040er-Jahren relevant.
Die Probleme: Die Kosten liegen deutlich über denen konkurrierender Energieträger. Zweitens ist die Energieeffizienz schlechter als etwa bei der direkten Anwendung von Strom, weil es bei der Herstellung, beim Betrieb von Brennstoffzellen und auch der Herstellung von E-Fuels Umwandlungsverluste gibt. Ein weiteres Problem ist die ausreichende Verfügbarkeit.
Die Herkunft: Es ist nicht damit zu rechnen, dass Europa seinen Bedarf an Wasserstoff selbst herstellen kann. Ein großer Teil müsste also – so wie derzeit Öl und Gas – importiert werden. Hoffnungsträger sind dabei vor allem Länder und Regionen mit guten Erzeugungsbedingungen für erneuerbare Energieträger.
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