Was Zuwanderer leisten - und warum wir es ihnen leicht machen sollten

Was Zuwanderer leisten - und warum wir es ihnen leicht machen sollten
Migranten leisten auch wirtschaftlich einen wichtigen Beitrag. In ihrer neuen Heimat - vor allem aber in der alten.

Vier Milliarden Euro – so viel Geld überwiesen in Österreich lebende Migranten im Jahr 2017 in ihre Heimatländer. Fast 40 Prozent davon, also in etwa 1,5 Milliarden Euro, flossen in Entwicklungsländer.

 

Zum Vergleich: Die österreichische Entwicklungshilfe betrug 2018 etwa eine Milliarde Euro. Die Migranten in Österreich leisten also einen entscheidenden Beitrag, um die Situation in ihren Herkunftsländern zu verbessern und damit Fluchtursachen zu beseitigen – wenn man sie lässt.

Mit anderen Worten: Es rentiert sich für Zielländer von Migration wie Österreich auf mehrfache Weise, den Ankommenden möglichst schnell zu Rechtssicherheit bezüglich ihres Aufenthaltsstatus sowie in weiterer Folge zu Qualifizierungen und damit besseren Chancen auf Arbeit zu verhelfen.

 

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Denn die Wünsche der Migranten wären überall auf der Welt dieselben, erzählt Christoph Schweifer, Chef der Caritas-Auslandshilfe: Zugehörigkeit zu spüren, dadurch ein Heimatgefühl zu entwickeln sowie finanzielle Selbstständigkeit zu erlangen. Um sich selbst zu erhalten, um die Familie in der alten Heimat zu unterstützen, aber auch um einen Beitrag zur Wirtschaft der neuen Heimat zu leisten.

Rauer Umgangston

Um den Migranten das Ankommen zu erleichtern, wovon am Ende die gesamte Gesellschaft profitiert, sei „ein guter Umgangston im Land und eine Kultur des gemeinsamen Dialogs“ wichtig, meint Schweifer. Momentan werde der Ton, in dem über Zuwanderer gesprochen wird, jedoch zunehmend rauer. Nicht nur in den sozialen Netzwerken, sondern auch in den traditionellen Medien und in der Politik.

 

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Um dem entgegen zu wirken, hat die Caritas 2017 das „Common Home“-Projekt ins Leben gerufen, dessen erster großer Bericht am Mittwoch in Wien präsentiert wurde. Das von der EU-Kommission und der Österreichischen Entwicklungszusammenarbeit geförderte Projekt soll aufzeigen, welchen kulturellen, aber eben auch wirtschaftlichen Beitrag Migranten sowohl in ihren Herkunfts- als auch in ihren Zielländern leisten.

Denn „oft wird vergessen, was und wie viel Migrantinnen zur gesellschaftlichen Entwicklung beitragen. Hier in Österreich, aber auch in ihrer alten Heimat“, sagt „Common Home“-Autorin Katharina Hartl.

 

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Migration Fähigkeit, kein Problem"

Migration sei „in erster Linie eine Fähigkeit, kein Problem“, betont Schweifer: „Ohne Migration wäre der Homo sapiens im Inneren Afrikas verdurstet." Und erst vor wenigen Jahrzehnten wäre Österreich noch am anderen Ende der Überweisungskette gestanden, erinnert der gebürtige Burgenländer Schweifer an die 50.000 seiner Landsleute, die ihr Glück in der Zwischenkriegszeit in den USA suchten – und durch ihre Überweisungen zum Aufbau der alten Heimat beitrugen.

 

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Nicht minder wichtig sei die Bedeutung der Geldtransfers der heutigen Migranten: In den meisten Entwicklungsländern seien die Rücküberweisungen „substanziell höher als die Entwicklungshilfe“, so Schweifer.

Unterstützung für die Familie

Rojin Ali weiß aus erster Hand, wie wichtig die Unterstützung der Diaspora für die Zurückgebliebenen in wirtschaftlich gebeutelten Regionen ist. Die 38-Jährige flüchtete vor sechs Jahren aus dem Bürgerkriegsland Syrien nach Österreich, zwei ihrer Brüder leben heute in Deutschland. Der dritte Bruder blieb zurück, um auf das Familienheim in Qamishli im syrischen Kurdengebiet aufzupassen.

 

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Um dort leben zu können, sei er aber auf die Unterstützung der geflüchteten Geschwister angewiesen, erzählt die Asylberaterin. Er erwarte das nicht, aber natürlich habe auch sie schon Geld geschickt – „man hat ja sein Wurzeln dort“, außerdem sei es selbstverständlich, die Familie zu unterstützen.

So wie Alis Bruder gehe es vielen in Syrien, erzählt die Neo-Österreicherin (sie erhielt vor zwei Wochen die österreichische Staatsbürgerschaft): „Fast jede Familie hat jemanden im Ausland.“

Ähnliches berichtet auch Shokat-Ali Walizadeh. Der Afghane musste fliehen, nachdem er sich in der Schule für Kinder- und Frauenrechte eingesetzt hatte. Heute ist er Projektmitarbeiter der Stadt Wien im Bereich Integration und unterstützt privat neu angekommene Afghanen in den Bereichen Integration, Arbeitsmarkt und Wohnen.

 

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Geflüchtete Ali (li.) und Walizadeh (re.)

Von ihm selbst wurde überhaupt nicht erwartet, seine Familie von Österreich aus finanziell zu unterstützen, erzählt der 29-Jährige. Gleichzeitig kann er aber von 14-Jährigen berichten, von denen Familien sofort nach ihrer Ankunft Geld erwartet hätten. Teils einfach, weil sie nicht wussten, dass 14-Jährige hier noch nicht arbeiten dürfen.

Schlepper-Tricks

Solche Erwartungen würden teilweise auch gezielt von Schleppern geweckt, sagt Walizadeh, damit die Familien ihre Söhne auf die lange Reise nach Europa schicken. Trotzdem: Die Erwartungen wären von Familie zu Familie unterschiedlich. Dass alle Afghanen in Österreich über einen Kamm geschoren werden, sieht Walizadeh generell als großes Problem an.

 

Er habe sich in Österreich aber „schnell wohl und frei gefühlt“, erzählt er, und mittlerweile sei er auch vollends hier angekommen – „durch die Hilfe von Einheimischen“, wie er betont.

„Heimat ist ein Prozess. Der kann gelingen – oder er kann misslingen“, sagt auch Caritas Auslandschef Schweifer. Die Wahrscheinlichkeit für das Gelingen sei jedoch viel höher, wenn die Zuwanderer das Gefühl hätten, hier geschützt und auch gewollt zu sein.

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