Was sich in der Schule ändern muss

Jeder fünfte Schulabgänger kann nicht sinnerfassend lesen.
Das Bildungssystem bringt zu viele Schüler hervor, die nicht sinnerfassend lesen und rechnen können.

Mit jeder PISA-Studie erfährt Österreich aufs Neue, dass das heimische Bildungssystem gerade einmal Mittelmaß ist. Die Detailergebnisse, die diese Woche präsentiert wurden, bestätigen das wieder. Besonders erschreckend ist, dass jeder Fünfte nicht sinnerfassend lesen kann und elf Prozent den Alltag nur schwer bewältigen können, weil Grundkenntnisse fehlen.

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Das Problem ist seit Jahren unverändert. Zahlreiche Reformen wurden zwar angeleiert – Zentralmatura oder Neue Mittelschule sind Beispiele –, die Leistungen der Schüler verbessern sich dennoch nicht. Und offensichtlich scheint das auch niemanden zu stören.

Was sich in der Schule ändern muss
Was fehlt, ist ein Gesamtkonzept, zu dem Politiker parteiübergreifend stehen. Bildungsforscher Stefan Hopmann wünscht sich zum Beispiel, dass die Verantwortlichen aus ihren ideologischen Schützengräben herauskommen und Maßnahmen setzen, die besonders bei den Schwächsten ansetzen. Fragt man Menschen aus der Praxis und Experten, müssten diese Reformen angegangen werden:

Kindergarten Er ist die erste außerfamiliäre Bildungseinrichtung: Die Kleinen werden im Kindergarten nicht nur beim Spracherwerb unterstützt, auch soziale oder motorische Fähigkeiten werden trainiert. Ein verpflichtendes Kindergartenjahr einzuführen, war deshalb richtig. Dringend nötig wäre, dass es bundeseinheitliche Mindeststandards gibt. Mehr akademisch ausgebildetes Personal, das Defizite der Kinder früh erkennt, würde einen Qualitätsschub bringen.

Volksschule Nach vier Jahren sollten Kinder die Grundrechnungsarten beherrschen und lesen können. Dass jeder fünfte Schulabgänger das nicht kann, zeigt den großen Reformbedarf. Dennoch wird über diesen Schultyp – eine nicht funktionierende Gesamtschule – kaum diskutiert.

Durchgehende Sprachförderung Ex-Direktorin Heidi Schrodt, die sich mit dem Thema Migration und Schule beschäftigt hat, fordert ein Gesamtkonzept für Schüler, die zu Hause nicht Deutsch sprechen. Sie verweist auf Hamburg, wo solche Konzepte seit Jahren entwickelt und umgesetzt werden: "Dort gibt es eine durchgängige Sprachförderung vom Kindergarten bis in die Schule. Pro Standort gibt es einen Verantwortlichen."

Übergänge Wegen des Datenschutzes dürfen z.B. Kindergarten- und Volksschulpädagogen nicht miteinander kommunizieren. Hilfreiche Informationen über Kinder und ihren Förderbedarf gehen so verloren.

Ganztags Kinder, die sich beim Lernen schwertun, benötigen am Nachmittag Hilfe. Es gibt zwar Ganztagsschulen und -angebote, doch gerade diejenigen, die sie brauchen, nutzen sie zu wenig, teils aus finanziellen Gründen. In Wien gibt es seit 2014 die "Förderung 2.0", eine Gratisnachhilfe bis zum Ende der Pflichtschule. Was die bringt, ist noch nicht evaluiert.

Mehr Geld für Schulen in Problembezirken In einigen Standorten gibt es besonders viele Schüler mit Problemen: Alleinerziehende Eltern, Arbeitslosigkeit oder Migrationshintergrund sind Faktoren, die sich negativ auf die Leistung auswirken können. International sind Konzepte erfolgreich, die Standorten etwa in Wien-Fünfhaus mehr Lehrer, Psychologen etc. zuteilen.

Lehrerauswahl/-bildung Es muss besser ausgewählt werden, wer im Klassenzimmer steht. Auch die Ausbildung ist verbesserungsfähig: Der Umgang mit Mehrsprachigkeit war bisher nur Randthema. Und Hochschuldozenten sind oft nicht auf dem aktuellen Stand.

Autonomie Will eine Schule erfolgreich sein, muss sie über vieles selbst bestimmen können. Schließlich muss Unterricht im südlichen Burgenland anders aussehen als in Wien-Favoriten, wo viele Migranten leben. Ohne Qualitätssicherung funktioniert das nicht.

Schluss mit Parteipolitik Eine gute Schulleitung kann viel bewirken. Leider entscheidet in vielen Bundesländern immer noch das Parteibuch und nicht das Können, wer Direktor wird.

Schulen öffnen Bildung muss ein Anliegen der Gesellschaft sein. Deshalb ist es sinnvoll, wenn sich Nichtpädagogen an den Schulen einbringen. Erprobt ist z.B. das Konzept des "community schooling", wo Vereine, Ämter, Eltern, Freiwillige etc. in die Schulen geholt werden, um mit Kindern zu spielen oder zu lesen. Bildungsforscher Hopmann sieht darin eine Reform, die effektiv ist und wenig kostet. "An solchen Standorten gibt es ein bis zwei Verantwortliche, die das koordinieren. Mit Erfolg: Wo das Konzept umgesetzt wird, machen drei Mal mehr Schüler einen Abschluss."

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