Aber stimmt Karl Nehammers Ansage überhaupt vom „Autoland Österreich“? Die EU-Statistik gibt das nicht her. Österreich ist im Vergleich der Pkw pro 1.000 Einwohner mit 572 Pkw fast genau im EU-Schnitt (567) auf Platz zehn, vor uns liegen Deutschland, Italien und auf Platz 1 Polen (687 Pkw).
Andererseits ist es kein Geheimnis, dass Österreich zersiedelt (und die ÖVP am flachen Land stark) ist. Was sich in einer anderen Statistik bemerkbar macht: In Wien, wo das Öffi-Netz gut ausgebaut ist, hat bald nur mehr jeder zweite Haushalt einen Pkw. Ganz anders bei den Flächenbundesländern, der Anteil an autofreien Haushalten ist in Niederösterreich am geringsten (13 Prozent), ebenso in Oberösterreich und im Burgenland. So gut kann ein Öffi-Netz gar nicht ausgebaut werden, um auch das abgelegenste Dorf erreichen zu können.
Und hier kommt der Bundeskanzler mit der von den Freiheitlichen entlehnten Idee, trotz Klimakrise und Klimazielen weiter auf Verbrennerautos zu setzen. Nehammer stellt allerdings die längst getroffenen Entscheidungen auf europäischer Ebene nicht infrage – dass fossile Brennstoffe keine Zukunft haben werden. Er stellt vielmehr einen Wechsel des Sprits in Aussicht: E-Fuels statt fossilem Benzin und Diesel aus Scheichtümern oder von russischen Despoten.
E-Fuels sind künstlich hergestellte Treibstoffe auf Basis von (mit viel Energie erzeugtem) Wasserstoff. Den dafür benötigten Kohlenstoff kann man (mit sehr viel Energieaufwand) aus der Luft (CO2) filtern, und so werden E-Fuels klimaneutral, und wer sie in ein Verbrennerauto tankt, hat sofort einen „grünen Verbrenner“. So weit die Logik des Bundeskanzleramts.
Kanzler Nehammer will am Mittwoch mit Professor Robert Schlögl, einem vielfach ausgezeichneten deutsche Chemiker, der auch die Berliner Bundesregierung berät, über das Zukunftspotenzial der „grünen Verbrenner“ diskutieren. Das wird sicher spannend werden – weil es bisher keinen Experten gibt, der eine Chance sieht, dass fossiler Pkw-Sprit in den kommenden Jahrzehnten durch E-Fuels ersetzt werden können. Zwar wird erst jetzt die Produktion riesiger E-Fuel-Anlagen gestartet (noch gibt es gar keine). Diese werden zum überwiegenden Teil aber nicht in Europa produziert werden, sondern in Weltregionen, die mehr Wind und mehr Sonne haben, weil zur Produktion enorme Mengen Ökostrom benötigt werden.
Genannt werden da immer pauschal Nordafrika, Südamerika oder Australien. Dort sollten dann Mitte des kommenden Jahrzehnts viele Millionen Liter E-Fuels erzeugt werden. Aber eben nicht die Milliarden, die wir für Europas Pkw benötigen – 60 Prozent der EU-Verkehrsemissionen stammen aus Pkw (siehe Grafik). E-Fuels, sagen sogar die Grünen, werden wir massenhaft benötigen, und zwar für jene Bereiche, die „hard-to-abate“ sind, in denen CO2-neutrale Technologien besonders schwer einzuführen sind, wie die Schifffahrt, die Flugzeuge und die (chemische) Industrie.
Nehammers eigentliches Problem ist in dieser Diskussion, dass das in Österreich gar nicht entschieden wird, sondern von der Industrie (die sich längst für batterieelektrische Pkw entschieden hat), und vielleicht von den großen EU-Staaten.
Da mag es auch nicht mehr überraschen, dass der Kanzler am Dienstag beim Verbrennermotorenwerk in Steyr zu Besuch war (siehe Seite 5) – und Gewessler zeitgleich von ihrem Besuch in Steyr beim Produktionsstart von Volta Zero, des ersten Serien-E-Lkws in Europa, berichtet.
Kommentare