Was die Österreicher an der Demokratie zweifeln lässt
Die Zustimmung zum politischen System war ausgerechnet während des Lockdowns auffallend hoch. Warum das keine schlechte Nachricht ist, erklärt eine neue Studie.
Österreichs Demokratie ist gefestigt und krisensicher.
Diesen durchaus erfreulichen Befund erstellen die Meinungsforscher Peter Ulram und Peter Hajek angesichts einer neuen Studie.
In der Untersuchung haben die Politologen erhoben, inwieweit Krisen die Zufrieden- und Unzufriedenheit mit dem demokratischen System beeinflussen.
Als Vergleichswerte wurden die Wirtschafts- und Finanzkrise 2009, die Flüchtlingskrise 2015/16 sowie die Covid-Krise 2021 herangezogen. Und hier ergibt sich ein auf den ersten Blick überraschendes Bild. Denn ausgerechnet in Zeiten der größten Einschränkung von Grund- und Freiheitsrechten – also während der Covid-Krise – war die Zufriedenheit mit der Demokratie vergleichsweise am größten.
Wie ist das zu erklären?
Ulram und Hajek stellen eine direkte Verbindung zwischen dem Funktionieren des Staates und der Zufriedenheit mit dem demokratischen System her.
„Die Menschen hatten während der Covid-Krise das Gefühl, dass sie der Staat beschützt“, sagt Hajek.
Bestätigt wird diese These dadurch, dass die Zufriedenheit mit der Demokratie in der Flüchtlingskrise 2015/16 messbar am niedrigesten war.
Warum dies so ist, erklärt Experte Ulram unter anderem damit, dass die Bilder der Flüchtlingskrise bei den Bürgern den Eindruck verfestigt haben, „dass der Staat eine seiner zentralen Aufgaben nicht sicherstellen kann, nämlich: Die Kontrolle des Territoriums beziehungsweise der Staatsgrenzen“.
Entfremdet
Was anti-demokratische oder autoritäre Tendenzen angeht, ist rund jeder zehnte Österreicher dieser Gruppe zuzuordnen.
Ein spannendes Detail: Hajek und Ulram unterscheiden zwischen klassischen „Autoritären“ und „Entfremdeten“. Während die Autoritären (8 Prozent) der Ansicht sind, „dass unter bestimmten Umständen eine Diktatur besser sein kann als eine Demokratie“, sagt der harte Kern der „Entfremdeten“ (4 Prozent), dass es ihm völlig egal ist, ob er oder sie in einer Diktatur oder einer Demokratie lebt.
„Eine ernsthafte Bedrohung für die Demokratie wäre vor allem dann gegeben, wenn antidemokratische Orientierungen in größere Bevölkerungsgruppen Eingang fänden, nicht zuletzt als Folge politischer oder wirtschaftlicher Krisen“, sagt Ulram – aber genau das ist offenkundig nicht der Fall.
Impfgegner
Einen messbaren Zusammenhang gibt es derweil zwischen der Impfskepsis und dem autoritären Potenzial. „Unter Impfskeptikern und -gegnern finden sich signifikant häufiger autoritäre Potenziale“, sagt Peter Hajek.
In der Gruppe der Befragten, die autoritärem Gedankengut zugetan sind, ist jeder Dritte ein klarer Impfgegner, weitere 32 Prozent sind Impfskeptiker. „Allerdings ist das autoritäre Potenzial nicht allein im rechten Spektrum verortet“, sagt Hajek. „Und es ist auch nicht so, dass die Impfskeptiker Herbert Kickl nachlaufen – es ist umgekehrt: Kickl läuft den Impfskeptikern nach.“ Warum? „Weil er gesehen hat, dass er damit ein politisches Alleinstellungsmerkmal besetzen kann.“
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