Was die nächste Regierung tun muss, damit die Demokratie wehrhaft bleibt

Was die nächste Regierung tun muss, damit die Demokratie wehrhaft bleibt
Experten, Parlamentarier und Zivilgesellschaft denken gerade intensiv über dringend nötige Reformen nach.

Wie sterben eigentlich liberale Demokratien? Werden sie immer mit Gewalt beseitigt?

„Das ist einer der großen Irrtümer. Die meisten Demokratien, die nach dem Kalten Krieg beseitigt worden sind, wurden nicht vom Militär zerstört, sondern schleichend von gewählten Regierungen“, sagt Stephanie Krisper.

Die Neos-Abgeordnete gehört zu jenen gut 100 Proponentinnen, die sich seit Monaten im Netzwerk „Chance Demokratie“ (www.chancedemokratie.net) engagieren.

Seit einem Jahr diskutieren hier Experten, die institutionalisierte Politik und die Zivilgesellschaft darüber, wie Österreichs Demokratie wehrhafter aufgestellt werden kann. Dass die liberale Demokratie in Gefahr schwebt, steht für die Teilnehmer völlig außer Zweifel. Das Phänomen, dass von Russland bezahlte Youtube-Aktivisten oder Online-Trolle sozialen Netzwerke mit verunsichernden Falschnachrichten fluten, nur eines der greifbarsten Phänomene.

Fast alle Parlamentsparteien nehmen an „Chance Demokratie“ teil. Am Donnerstag erläuterten Stephanie Krisper, Ewa Ernst-Dziedzic (Grüne), Wolfgang Gerstl (ÖVP) und Niki Kowall (SPÖ) ihre vorläufigen Schlüsse.

Nicht vertreten war und ist bei der Initiative die FPÖ. Ein Zufall? Mitnichten.

„Wir haben gezielt Menschen eingeladen, denen das Thema ein Anliegen ist“, sagt einer der Initiatoren, Andreas Kovar. Bei der FPÖ habe man in den vergangenen Jahren mehrfach die Erfahrung gemacht, dass sie sich bei Anliegen wie diesem „sehr rasch zurückgezogen habe“.

Was aber soll bzw. muss die nächste Bundesregierung tun, damit die Demokratie leb- und wehrhaft bleibt?

Mächtiger Präsident

Einig sind sich die Proponenten schon jetzt, dass man demokratisches Denken nicht per Gesetz verordnen kann.

Und dennoch gibt es in konkreten Fällen und Feldern Handlungsbedarf. So wird beispielsweise die Funktion des Nationalratspräsidenten zumindest hinterfragt.

Dieser könne, so Kovar, bei einer ganzen Reihe an Dingen im Parlament selbst entscheiden. „Das reicht von der IT über diverse Jobs bis hin zur Frage, ob und wann er Präsidiumssitzungen einberuft“, sagt Kovar. Abgewählt werden könne die Person aber nicht – ein Manko.

Abgesehen davon werden in dem Forum auch strengere Kontrollen gegen Machtmissbrauch in der Regierung verhandelt; und man denkt gemeinsam darüber nach, ob nicht auch der Verfassungsgerichtshof neue Regeln bekommen muss, um unabhängig zu bleiben.

Was ist gemeint? Aufgrund des rechtlich fixierten Ausscheidens aus dem Gerichtshof mit 70 Jahren ist es theoretisch möglich, dass eine Bundesregierung die Hälfte aller Richter aussucht.

Am Ende des Diskussionsprozesses soll ein Manifest stehen, das konkrete Handlungsanleitungen für die nächste Regierung vorsieht.

Einig sind sich die politischen Mandatare, dass man die für die Demokratie nötige Haltung nicht gesetzlich verordnen kann. „Das politische Klima wird nicht durch eine Reform der Geschäftsordnung verbessert“, sagt Kowall. Checks and Balances müsse man leben. „Und dafür muss die Politik vermehrt in einem unzynischen Raum gemacht werden.“

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