"Soziale Medien" als Feinde der Gesellschaft

"Soziale Medien" als Feinde der Gesellschaft
Wie Facebook, Instagram & Co. den politischen Diskurs manipulieren, gefährden - und was Experten dagegen tun würden.

Sind "Soziale Netzwerke" wie Instagram oder Facebook eine Gefahr für die Demokratie? Sie sind es „eindeutig“, befindet eine Forschungsgruppe der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW).

Am Montag haben Vertreter der ÖAW das Parlament mit einem Forschungsbericht konfrontiert, den man als Warnung verstehen muss.

Wovor wird gewarnt? Vereinfacht betrachtet sind es zwei Dinge: Die Akteure, die in Sozialen Netzwerken politische Debatten führen und, zweitens, das Geschäftsmodell von Snapchat, Pinterest & Co.

Eine Minderheit ätzt

Zu den Akteuren: In Netzwerken wie X (vormals Twitter) engagiert sich eine "nicht repräsentative, aber lautstarke Minderheit". Sie führt hoch politisierte Diskussionen, die "hauptsächlich aus Extrempositionen" bestehen und die breite Mehrheit deprimieren.

Das ist für sich genommen problematisch. Hinzu kommt, dass auf "Sozialen Plattformen" echte oder künstliche Akteure mit Desinformation versuchen, den demokratischen Diskurs zu untergraben. Als Beispiel gilt der US-Wahlkampf 2016, in dem Millionen (!) „Bots“ (automatisierte Computerprogramme) auf X versucht haben, Debatten zu beeinflussen.

Die Tatsache, dass 18- bis 24-Jährige "Soziale Medien" heute als wichtigste Quelle für Nachrichten verwenden, verschärft die Problematik.

Hauptzweck: Umsatz

Was Internet-User, und die Gesellschaft insgesamt zu wenig beachten ist weiters, warum es TikTok, Snapchat und Pinterest gibt, nämlich: um Geld zu verdienen.

Das Geschäftsmodell ist ein simples: Die „Sozialen Medien“ sammeln Myriaden an Daten und Informationen über ihre Benutzer (Was interessiert, was kaufen, was unterhält sie, was macht ihnen Angst, etc.). Und diese Informationen verkaufen die Plattformen entweder direkt als Daten-Pakete weiter oder sie verwenden die Informationen, um damit maßgeschneiderte Werbung auszuspielen. Das bedeutet: Jeder einzelne User bekommt die Werbung, die bei ihm oder ihr maximal erfolgreich ist.

Die Wirtschaft hat die Vorzüge dieses „Targeted Advertising“ längst erkannt und wirbt auf „Sozialen Netzwerken“ viel stärker als in „klassischen“ Medien-Unternehmen (Zeitungen, Radio- und Fernsehanstalten).

Auch hier eine Vergleichszahl des ÖAW-Berichts: Während das werbemäßig stärkste Medien-Konsortium „Comcast“ (NBC, Universal und Sky) 2021 einen Umsatz von 15,6 Milliarden Dollar erzielt hat, schaffte Facebook im selben Zeitraum fast 118 Milliarden – also beinahe die achtfache Summe.

Für die Algorithmen, die entscheiden, was Kunden auf Facebook oder Pinterest sehen, ist von Belang, was die Aufmerksamkeit des Einzelnen gewinnt und bindet. Gesellschaftspolitisch relevante Faktoren wie Meinungsvielfalt oder Faktentreue spielen demgegenüber eine „sekundäre Rolle“. Anders gesagt: Facebook und Co wollen Werbung verkaufen und Geld verdienen. Ob dabei die Demokratie geschützt wird, ist nicht ihr vorrangiges Thema. Was heißt das nun für das Parlament, für die Demokratie – und wie kann man all dem gegensteuern?

Die Experten der Akademie geben mehrere Empfehlungen: Zunächst sollten Nationalratsabgeordnete einen „code of conduct“, also eine Art Verhaltenskatalog, verabschieden, wie man sich auf „Sozialen Netzwerken“ verhält. „Eine Vorbildfunktion in der politischen Kommunikation einzunehmen, wenn diese durch Steuergeld bezahlt wird, hätte eine hohe symbolische Wirkung“, sagt Kommunikationswissenschafter Matthias Karmasin, der Sprecher der Arbeitsgruppe der ÖAW.

Mittel- und langfristig appellieren die Experten dafür, in Medienkompetenz und demokratische Bildung zu investieren sowie die Medienförderung und Inseratenvergabe in Richtung Qualität zu verbessern. Qualitätsmedien sollten als „Gatekeeper“ im öffentlichen Diskurs fungieren.

KURIER-Podiumsdiskussion am 10. April um 18 Uhr im Raiffeisenforum Wien mit Vizekanzler Werner Kogler, Ministerin Karoline Edtstadler, Forscher Matthias Karmasin. 

Näheres darüber in Kürze auf kurier.at/live

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