Die augenscheinlichste Zahl ist die Arbeitslosigkeit: So waren von den seit 2015 im Land lebenden Flüchtlingen bis kurz vor der Pandemie nur 37 Prozent in einer Beschäftigung; und insbesondere unter den Frauen aus Ländern wie Afghanistan, Syrien, dem Irak und Somalia sind die Erwerbsquoten mit 20 bis nicht einmal 40 Prozent bis heute auffallend niedrig.
Für Martin Kienl, Sektionschef im Integrationsministerium, sind zwei Entwicklungen bemerkenswert: „Zum einen haben wir nicht nur einen Fachkräftemangel wie vor einigen Jahren, sondern mittlerweile einen generellen Mangel an Arbeitskräften.“
Das bedeute, dass man schon mit vergleichsweise geringen Deutschkenntnissen am Arbeitsmarkt Fuß fassen könne. Als Beispiele nennt Experte Kienl die Arbeit in Logistik-Zentren, Lagern oder im Tourismus – etwa als Hilfskraft in der Küche.
Der zweite Grund, warum Raab und ihr Ministerium ein Stück weit vom Prinzip „Zuerst der Deutschkurs, dann ein Job“ abgehen wollen, ist, dass das Bildungsniveau der zu Integrierenden nachweislich sinkt.
„Sieben von zehn Personen, die 2022 den Flüchtlingsstatus zuerkannt bekommen haben, müssen alphabetisiert werden“, sagt Kienl. Alphabetisiert bedeutet, dass es um grundsätzliche Mankos geht, also das lateinische Alphabet – oder generell um Lesen und Schreiben. Hinzu kommt, dass die Lernfortschritte bei den Deutschkursen hauptsächlich aufgrund des niedrigeren Bildungsniveaus mittlerweile länger dauern.
Auch hier noch eine Zahl aus dem Ministerium: Von allen Personen, die 2016 einen Alphabetisierungskurs besucht haben, waren 2021 nur drei Prozent (!) auf B1-Niveau. B1 ist das Niveau, auf dem man selbstständig Standard-Konversationen im Alltag führen kann.
Leistung
Dass man als Ausländer schneller einen Job übernehmen kann und soll, davon ist mittlerweile auch die Wirtschaft überzeugt. „Integration durch Leistung muss mehr als ein Schlagwort sein. Es muss gelebt werden“, sagte am Montag der Generalsekretär der Österreichischen Hoteliersvereinigung, Markus Gratzer.
Für Gratzer ist die Tourismus- und Gastro-Branche der perfekte Einstieg ins Berufsleben – und damit in die Gesellschaft. „Wer ein soziales Umfeld, Gehalt und Perspektiven hat, setzt das nicht leichtfertig durch Randale aufs Spiel.“ Es liege an Politik und Gesellschaft, Potenziale in Menschen zu sehen, statt sie von vornherein als Bedrohung abzustempeln: „Wie wichtig das ist, zeigen die demografischen Daten: Wir brauchen Immigration, und Immigration braucht Integration. Die müssen wir managen. Da haben wir Luft nach oben.“
Als spezielles Thema beschreibt der ÖHV-Mann die Situation der Ukraine-Flüchtlinge. Diese dürfen in Österreich arbeiten, allerdings gibt es – auch hier – die Schwierigkeit der Kinderbetreuung. Laut Gratzer finden sich unter den Ukrainern zahlreiche Geflüchtete, die Kinder aus der Ukraine „gleich gut oder besser“ betreuen könnten als österreichische Kollegen ohne Ukrainisch-Kenntnisse. Es gehe nur um „lebensnahe Lösungen“, also um Räume und Verpflegung. „Das muss zu machen sein.“
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