Fünf Gründe sprechen dafür:
- Erstens ist die Regierung nach Corona und trotz des Ukrainekrieges erstmals aus dem Krisenmodus herausgekommen. Da will sich die ÖVP Zeit geben, um endlich eigene Akzente setzen zu können. Den Startschuss dazu hat Bundeskanzler mit seiner Rede zur Zukunft der Nation gegeben. Bis zum Ende der Legislaturperiode im Herbst 2024 soll diese Handschrift bemerkbar gemacht werden. Auch wenn Themen wie die Verbrennermotoren beim grünen Koalitionspartner für Verstimmung sorgen.
- Zweitens eröffnet das Durchhalten bis zum Herbst 2024 auch die Chance, dass in dieser Zeit die Inflation sinkt und die Menschen das zufrieden zur Kenntnis zu nehmen. Auch als Anerkennung, dass die von der ÖVP geführte Regierung das geschafft hat. Das könnte einen Schub bedeuten, der die Türkisen schon jetzt wieder vom ersten Platz träumen lässt.
- Drittens könnte bis dahin der Höhenflug von Herbert Kickl und der FPÖ eingebremst werden. Die Freiheitlichen müssen sich aktuell nach Oberösterreich auch in Niederösterreich und in Salzburg als regierungsfähig erweisen. Da kann sich auch der Bundesparteiobmann nicht mehr alle publikumswirksamen Eskapaden leisten.
- Viertens ist unklar, wie es mit der SPÖ weitergeht. Natürlich gibt es die Ratschläge von Parteistrategen an die ÖVP-Führung, die momentanen innerparteilichen Turbulenzen zu nutzen und rasch zu wählen. In der ÖVP-Zentrale in der Lichtenfelsgasse folgt man aber eher den Überlegungen, dass sich auch ein neue Parteiobmann bis zum Herbst 2024 abnützt, wenn er in der Opposition nichts umsetzen kann. Vorgezogene Neuwahlen würden hingegen bedeuten, dass die Roten die mögliche Euphorie nach dem samstägigen Parteitag - falls es eine solche gibt - in eine spontane Dynamik umgewandelt werden kann, die bei raschen Neuwahlen schlagend werden kann.
- Fünftens ist man in der ÖVP von der Idee abgekommen, mit vorgezogenen Neuwahlen den EU-Wahlen im kommenden Frühjahr auszuweichen. Die Überlegung fußte auf der Tatsache, dass die ÖVP auf EU-Ebene nicht mehr das strahlende Ergebnis erreichen wird als unter Ex-Kanzler Sebastian Kurz als Parteiobmann. Wird früher gewählt, müsste man nicht das Manko eines Wahlverlustes im Wahlkampf für den Nationalrat mitschleppen. Jetzt allerdings ist man in der Lichtenfelsgasse eher der Meinung, dass man die Niederlage bei der EU-Wahl einfach hingenommen und dann auf nationaler Ebene richtig durchstartet.
Die Grünen wollen ebenfalls die komplette Legislaturperiode durchdienen. Die innerkoalitionären Sticheleien nimmt man dafür in Kauf. Aber je länger regiert wird, desto größer wird die Chance, doch noch einige Vorhaben wie das Klimaschutzgesetz durchzubringen.
Negativlauf der Neos
Abgesehen von den Regierungsparteien SPÖ und Neos wenig Lust auf Neuwahlen, auch wenn im Parlament immer wieder Misstrauensanträge gegen die Regierung eingebracht werden. In der SPÖ ist man sich nicht ganz sicher, ob man aus dem Parteitag gestärkt hervorgehen wird. Außerdem muss die Mannschaft in der Parteizentrale in der Wiener Löwelstraße neu aufgestellt werden. Die Neos haben einen Negativlauf hinter sich. Vier Landtagswahlen und bei keine konnte über Erfolge gejubelt werden. Da braucht man eine gewisse Neuorientierung, um nicht auf nationaler Ebene das gleiche Schicksal zu erleiden.
Nur die FPÖ wäre über Neuwahlen im Herbst erfreut. Bei den Blauen ist man überzeugt, dass man aus so einer Wahl mit Herbert Kickl an der Spitze als Kanzlerpartei hervorgehen würde. Dafür sprechen seit Monaten die verschiedensten Umfragen. Die FPÖ ist deshalb auch jene Partei, die zuletzt am öftesten die Forderung nach Neuwahlen auf den Tisch gelegt hat.
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