ÖVP und SPÖ wollen an Merkels Sieg mitnaschen

ÖVP und SPÖ wollen an Merkels Sieg mitnaschen
SP und VP wollen auf Erfolgswelle der deutschen Kanzlerin mitreiten. Experten dämpfen die Hoffnung auf den "Angie-Effekt".

Jeder dreht sich’s, wie er’s braucht. So lassen sich die Reaktionen der heimischen Parteien auf die Ergebnisse der deutschen Wahl beschreiben.

ÖVP und SPÖ wollen an Merkels Sieg mitnaschen
epa01574672 German Chancellor Angela Merkel (R) welcomes her Austrian Counterpart Werner Fayman (C) and his Foreign Minister Michael Spindelegger (L) at the start of the European Summit in Brussels, Belgium, 11 December 2008. The EU Summit is being billed as a credibility test for Europe on its willingness to tackle climate change. EPA/OLIVIER HOSLET
Die Schwarzen propagieren erst recht ihren „Spindelegger-Merkel-Kurs“ und befinden: „Das ist ein wichtiger Aufwind für die ÖVP im Wahlfinale.“ Die Roten meinen ebenfalls, solchen zu verspüren: In Österreich gebe es – wie in Deutschland – „keine Wechselstimmung. Auch hier steht eine Wiederwahl an – die von Bundeskanzler Faymann.“ Nur die Grünen lassen wissen, dass der Misserfolg der Schwesterpartei keinen Einfluss auf sie habe.

Wie sieht es tatsächlich aus? Wirkt sich die Bundestagswahl auf die Nationalratswahl am kommenden Sonntag aus? Nein, urteilen Polit-Experten.

Wahlmotiv Merkel

ÖVP und SPÖ wollen an Merkels Sieg mitnaschen
Politologe Plasser: Traditionsparteien SPÖ und ÖVP sollten nicht weiter auf Stammwähler hoffen.
„Es ist unrealistisch, zu glauben, dass der fulminante Wahlerfolg von Frau Merkel für Unentschlossene in Österreich ein Grund sein sollte, die ÖVP zu wählen“, sagt der Politologe Fritz Plasser. Er sieht im deutschen Votum „kein Erstarken konservativer Ströme in der Wählerschaft“. Es sei an der Person gelegen: „Für 68 Prozent der Unionswähler war Merkel das Wahlmotiv, nur bei einem Viertel die Partei mit ihrem Programm oder der Ideologie.“

Auch anderweitig seien CDU und ÖVP „nicht wirklich vergleichbar“, erklärt der einstige ÖVP-Wahlkampfmanager Karl Jurka, der als Politikberater in Berlin tätig ist. „Die CDU hat keinen so ausgeprägten konservativen Flügel wie die ÖVP. Und Angela Merkel hat einen reinen Persönlichkeitswahlkampf geführt.“ Plasser ergänzt: „Eine Persönlichkeit wie Merkel gibt es in Österreich nicht. Mit Verlaub: Auch Werner Faymann hat nicht dieses Kanzler-Image.“

Wird ihm der Trend zu „Stabilität und Kontinuität“, wie Sozialdemokraten meinen, nützen? „Es ist international erwiesen, dass in Wirtschaftskrisen eher das Bewährte gewählt wird. Das trifft vermutlich auch auf Österreich zu – freilich unabhängig vom Wahlausgang in Deutschland“, analysiert Plasser. Tatsächlich verweist Faymann bei jeder Gelegenheit darauf, wie formidabel er „das Land durch die Krise geführt“ habe – und wie gut Österreich im europäischen Vergleich dastehe. Merkel hat das, auf Deutschland bezogen, im Wahlkampf ebenfalls gemacht. „Eine richtige Strategie“ für Jurka. Wobei der Meinungsforscher David Pfarrhofer einen wesentlichen Unterschied ortet: In Deutschland sei die Bevölkerung zufrieden mit der Arbeit der Regierung, in Österreich sei sie das grosso modo nicht, sagt er im ORF-Radio.

Selektive Interpretation

Dass SPÖ und ÖVP das deutsche Ergebnis zu ihren Gunsten deuten, erstaunt Plasser nicht. Es werde ihnen aber nichts bringen: „Wenn sich bis 29. September noch etwas verändert, dann hängt das von den Auftritten und den Argumenten der Spitzenpolitiker ab – nicht davon, wie sie die deutsche Wahl interpretieren.“ Immerhin wissen laut jüngster KURIER-OGM-Umfrage zehn Prozent der Österreicher noch nicht, welche Partei sie wählen sollen. Eine halbe Million Menschen ist also noch auf dem Markt.

Alles rund um die Nationalratswahl lesen Sie hier.

Wahlberechtigte Exakt 6.384.296 Bürger sind am 29. September wahlberechtigt – so viele wie noch nie. Nach Bundesländern aufgesplittet, gibt es die meisten Wahlberechtigten in Niederösterreich: Knapp 1,3 Millionen Menschen können dort ihre Stimme abgeben.

Wahlbeteiligung 1,34 Millionen machten bei der Nationalratswahl 2008 nicht von ihrem Stimmrecht Gebrauch – ein Negativrekord. Das waren 21,2 Prozent aller Wahlberechtigten. Experten meinen, dass auch diesmal nicht mehr Menschen wählen werden.

Wahlbehörden Für einen korrekten Ablauf der Nationalratswahl werden rund 100.000 Personen in den etwa 11.000 Wahlbehörden sorgen. Sie bestehen aus einem Wahlleiter, Beisitzern und Vertrauenspersonen der Parteien. Die Sprengel- und Gemeindewahlbehörden zählen die Stimmen aus, übermitteln diese an die Bezirkswahlbehörden. Diese leiten die Ergebnisse an die Landeswahlbehörden weiter, von dort gehen sie an die Bundeswahlbehörde.

Erstwähler 348.000 Jugendliche dürfen erstmals bei der Nationalratswahl ihre Stimme abgeben. Untersuchungen über das Wahlverhalten junger Menschen zeigen, dass Berufsschüler bevorzugt SPÖ und FPÖ wählen, während Absolventen höherer Schulen überwiegend bei SPÖ, ÖVP oder Grünen ihr Kreuzerl machen.

Migranten Mehr als eine halbe Million Wähler haben ihre Wurzeln außerhalb Österreichs – eine immer größere Zielgruppe. Viele Parteien haben auch Migranten auf ihren Kandidatenlisten, die teils sehr gute Chancen auf ein Mandat im Nationalrat haben.

Pensionisten Eine äußerst relevante Gruppe bei der Wahl sind auch die rund zwei Millionen Pensionisten. Laut einer GfK-Analyse der Nationalratswahl 2008 wählten die Senioren bevorzugt die Großparteien. 38 Prozent gaben der SPÖ ihre Stimme, 28 Prozent der ÖVP.

Mandate 183 Mandate im Nationalrat werden am 29. September vergeben. Diese werden in einem dreistufigen Verfahren eruiert (Regional-, Landes- und Bundesebene). Aktuell ist die SPÖ mit 57 Abgeordneten die stärkste Fraktion im Parlament, das Team Stronach mit fünf Mandataren die kleinste.

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