Integrationsprojekt: Vereint durch Kunst und Kulinarik

Orientalische Küche mit Wiener Schmäh: Restaurant Habibi
Im Wiener Restaurant Habibi werden junge Asylwerber ausgebildet.

Die Idee kam mit dem ersten großen Flüchtlingsansturm im Herbst 2015. "Wir sahen gleich zu Beginn das Potenzial, das diese Menschen mitbrachten. Unter ihnen waren viele Unternehmer und Handwerker. Berufe, die es bei uns in Österreich fast nicht mehr gibt. Deshalb erkannten wir auch die Chancen und sahen weniger die Probleme", schildert Katha Schinkinger, die damals zusammen mit Nina Mohimi, Culinary Society, und Martin Rohla, Stadtflucht Bergmühle, die Initiative "hostenstattposten" gründete.

Von Juli bis Oktober wurden über 1300 Flüchtlinge in der Stadtflucht Bergmühle bekocht, unter der Woche konnten sie sich im Garten einmal so richtig entspannen. Private Unterstützer organisierten zusätzliche Deutschkurse und nahmen vorübergehend Asylwerber bei sich zu Hause auf. "Mein soziales Engagement liegt in unserer Familie. Meine Eltern sind als Volunteers in der Flüchtlingshilfe tätig. Nach Jahren im Marketing wollte ich auch etwas Sinnvolles tun", sagt die vierfache Mutter. Gesagt getan. Als das Team Anfang 2016 von einem frei gewordenen Lokal erfuhr, machte es Nägel mit Köpfen.

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Integrationsprojekt

Zwischen Jänner und April wurde getüftelt, organisiert, umgebaut und geputzt. Bereits am 4. Mai sperrte Habibi, das Restaurant von Flüchtlingen für Österreicher, auf. Und weil nicht alle Asylwerber alles können, gibt es professionelle Hilfe. So schaut Küchenchef Josef Pieringer, dass Hummus, Couscous & Co perfekt serviert werden. Während Geschäftsführer Ernst Wurmlinger und Direktrice Schinkinger für einen reibungslosen Ablauf im Betrieb sorgen.

Lehre für Flüchtlinge

16 Angestellte arbeiten heute im Restaurant, davon haben zehn Migrationshintergrund. Die restlichen sind Österreicher, etwa mit ägyptischen Wurzeln.

Schinkingers Ziel, nicht nur ein Restaurant zu betreiben, sondern ein Franchise-Unternehmen im In- und Ausland aufzubauen, das zugleich auch Ausbildungsstätte für Asylwerber ist, nimmt schon jetzt Formen an. Ab Oktober gibt es zertifizierte Deutschkurse im Habibi und die ersten Flüchtlinge treten bereits Anfang 2018 zum Lehrabschluss an.

Wie Mo Alfa. Der Syrer kam 2014 nach Wien, wartete auf seinen positiven Asylbescheid und meldete sich beim AMS. "Ich muss sagen, es funktionierte für mich wirklich gut. Ich konnte die Deutschkurse rasch absolvieren und wurde Anfang 2016 gleich als Helfer bei der Flüchtlingswelle am Hauptbahnhof eingesetzt, weil ich die Sprachen verstand." Zufällig sah er dann das Posting eines Freundes, der für das Motto am Fluss Personal suchte. Mo wurde in einem zweimonatigen Praktikum von Bernd Schlacher fit für den Job als Oberkellner fürs Habibi gemacht, wo er seit der Eröffnung jobbt. Nebenher büffelt der 23-Jährige für die Lehrprüfung.

"In diesem Jahr haben wir viel gelernt. Ab Oktober gibt es unseren neuen Webshop mit Produkten vom Hummus bis zum Kapuzenpulli", freuen sich Schinkinger und Mitinhaber Martin Rohla. "Jeden Tag sehen wir mit Freude, wie wir gemeinsam mit unserem Team an einem Strang ziehen. Man spürt die Motivation, dass jeder einzelne zufriedene Gäste haben will. Ganz nach unserem Slogan: Make Menschlichkeit great again."

Link: www.habibi.at

Auch Veronica Dirnhofer, Professorin mit Fachbereich Zeichnen an der Akademie der bildenden Künste in Wien, half vor zwei Jahren am Westbahnhof. Als Mutter zweier Töchter berührte sie vor allem das Schicksal der vielen unbegleiteten Jugendlichen.

"Besonders so junge Flüchtlinge brauchen Zuwendung und Beschäftigung, sind wissbegierig und brauchen einen Fixpunkt im Leben". Und weil Rektorin Eva Blimlinger gleich einen Raum zur Verfügung stellte, führte Dirnhofer gemeinsam mit Barbara Eichhorn, Gabriele Reinharter, Angela Strohberger, Farshid Larimian, einem Absolventen, der Farsi spricht, und Monika Knofler, der ehemaligen Leiterin des Kupferstichkabinetts, einen Zeichenkurs im Aktsaal der Akademie ein. Jeden Samstag kommen auf freiwilliger Basis unbegleitete junge Flüchtlinge in die Akademie, die teilweise auch vom Haus Ottakring geschickt werden.

Auch Deutschkurse werden im Anschluss an das Zeichnen abgehalten. "Am 7. November 2015 kamen erstmals 17 Jugendliche, die damals noch sehr verunsichert waren. Ihre Zeichnungen waren zum Teil so dramatisch, dass ich beschloss, ihren Blickwinkel ins Hier und Jetzt zu lenken. Schon deshalb, weil ich keine Psychologin bin", erinnert sich Dirnhofer. "Ich lasse die Schüler das zeichnen, was sie vor Ort sehen, gehe mit ihnen in Museen, bespreche Bilder. Das vereint ungemein".

Helfen verbindet

Im MORE-Zeichenkurs sind heuer etwa 40 Schüler inskribiert, davon stammen 90 Prozent aus Afghanistan, die anderen aus Syrien und dem Iran. Auch regulär Studierende sind zugelassen. Mittlerweile dürfen die Flüchtlinge sogar außerordentlich studieren und haben Studien-Ausweise. Hummus-Jause und Öffi-Tickets spendiert das Rektorat. Der Kurs wurde auf zwei Jahre beschränkt, damit auch neue Asylwerber aufgenommen werden können.

"Manche Kinder sind wirklich talentiert und mittlerweile nicht mehr minderjährig, deshalb suchen wir nach weiteren Partnern, wie etwa Performancegruppen, um die Exschüler weiterhin betreuen zu können", so Dirnhofer.

Sie gründete den Verein www.solidaritymatters. com, weil der Unterricht für eine intensive Betreuung einfach nicht ausreicht. "Die Schüler sind ja alle erst zwischen 14 und 20 Jahre alt. Da kann es schon sein, dass ich mal den einen oder anderen vorübergehend nach Hause zu meiner Familie mitnehme." Für November organisiert sie gerade eine Kunst-Auktion, dessen Erlös in die Ausbildung der Schüler gesteckt wird.

Und weil Helfen verbindet, lud Schinkinger (siehe Hauptartikel) Dirnhofer ein, die Zeichnungen der Jugendlichen im Habibi auszustellen.

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