Wahl-Prozess: Schuldsprüche für Schlendrian
Günther O. hat das immer schon so gemacht: Briefwahlkarten vorsortiert, früh am Morgen Stimmzettel ausgezählt, das Ergebnis festgestellt – im Alleingang.
Bis zum 23. Mai 2016. Da stellte sich ihm eine FPÖ-Gemeinderätin entgegen, wollte den Alleingang des Magistratsbeamten dokumentiert haben. Der Rest ist Geschichte: Die Freiheitlichen fochten die Bundespräsidenten-Stichwahl an, weil derlei noch in anderen Wahlbehörden vorfiel, und das Höchstgericht hob den Wahlgang auf.
Jetzt, zwei Jahre später, saß Herr O., Leiter des Melde- und Standesamts in Villach, in Klagenfurt vor Gericht und wurde verurteilt. Wegen Amtsanmaßung, Fälschung von Beweismitteln und Falschaussage. Die Strafe: Fünf Monate bedingte Haft und eine Geldstrafe in Höhe von 14.000 Euro.
Sieben Wahlbeisitzer wurden wegen Falschbeurkundung zu Geldstrafen von 5400 bis 9000 Euro verurteilt. 14.000 Euro setzte es für den Villacher SPÖ-Bürgermeister Günther Albel, der als Bezirkswahlleiter fungierte – zumindest auf dem Papier, aber dazu später.
„Aufdeckerin“ schuldlos
Einen Freispruch bekam jene Frau, die die Missstände aufgedeckt hatte: Isabella Lehner hat ein Aktenvermerk „gerettet“, den sie damals verlangte, bevor sie das Protokoll der Bezirkswahlbehörde unterzeichnete. Ihr einen Vorwurf zu machen, dass sie überhaupt unterschrieben hat, erschien von der Staatsanwaltschaft wohl doch zu weit hergeholt.
Bürgermeister Albel und der Beamte O. akzeptierten ihre Strafen, die Urteile sind aber noch nicht rechtskräftig.
Die fünf anwesenden Verteidiger hatten für die Wahlbeisitzer noch Diversionen gefordert. Anwalt Meinhard Novak, der neben Bürgermeister Albel noch andere SPÖ-Wahlbeisitzer vertrat, sah kein Strafbedürfnis der Republik. Wie wichtig es sei, dass die gesamte Wahlkommission einer Auszählung zeitgerecht beiwohnt, sei jetzt ja hinlänglich bekannt.
Richter Liebhauser-Karl ließ das nicht gelten und argumentierte ähnlich wie der damalige Verfassungsgerichtshofspräsident Gerhart Holzinger, als er im Juli 2016 die Stichwahl aufhob. Es geht ums Prinzip. Wahlen müsse man als Fundament der demokratischen Ordnung sehr ernst nehmen.
„Es war keine Schlamperei, es war eine Ignoranz“, betonte Liebhauser-Karl – die Bevölkerung müsse sich darauf verlassen können, dass Wahlen ordentlich abgewickelt werden. Und es sei ja nicht so gewesen, als hätten die angeklagten Wahlbeisitzer ihre Aufgabe schlecht erfüllt. „Sie haben sie gar nicht ausgeübt“, befand der Richter und lässt damit in Hinblick auf die noch folgenden Verhandlungen tief blicken.
Der Prozess in Klagenfurt war ja ein „ Musterprozess“ für alle anderen, die noch folgen dürften. Die WKStA hat gegen mehr als 200 Personen ermittelt, die Anklagen stehen noch aus. Im Wesentlichen geht es darum, dass sie mit ihren Unterschriften auf den Auszählungsprotokollen bestätigt hatten, dass alles korrekt abgelaufen sei. Das war in 14 Bezirkswahlbehörden auf verschiedene Arten nicht der Fall. Ermittelt wird in Kärnten auch zum ersten Wahlgang der Hofburg-Wahl.
„Großer böser“ Beamter
Im Zentrum des Prozesses in Klagenfurt stand ein Name: Günther O. Die Wahlbeisitzer sagten unisono aus, sich auf ihn verlassen zu haben. „Jahrelang wälzt man die Durchführung der Wahl auf ihn ab. Und jetzt stellt man ihn als den großen Bösen hin“, sagte sein Verteidiger Alexander Jelly im Schlussplädoyer.
Seine Verantwortung sah aber auch der Richter: Von einem leitenden Beamter sei zu erwarten, dass er die rechtlichen Bestimmungen einhält, erklärte dieser. O. war voll geständig und zeigte Reue. Er wusste über die Gesetze Bescheid und tat trotzdem, was er für richtig bzw. praktikabel hielt. Und das war eben, alles im Alleingang zu erledigen. Angewiesen wurde er von niemandem – auch nicht von Bürgermeister Albel, der eigentlich die Funktion des Bezirkswahlleiters innehatte.
Warum? Herr O. meint, er habe einen Druck verspürt. Es hätten ja alle erwartet, dass so schnell wie möglich ein Wahlergebnis vorliegt.
Die Art, wie Richter Liebhauser-Karl den Erstbeschuldigten in die Mangel nahm, löste in den Reihen der fünf Verteidiger zuweilen Schaudern aus. Seinem Ruf aus dem Hypo-Prozess, ein strenger Richter zu sein, wurde er mehr als gerecht. „Wenn Sie so etwas machen, ist das die eine Sache“, erklärte der Richter zu den Praktiken des Beamten. „Aber wenn dann andere, die ehrenamtlich Wahlbeisitzer sind, auf der Anklagebank sitzen, ist das ein Problem.“
Dass die sieben Wahlbeisitzer keine Diversionen bekamen, wollen die Anwälte Meinhard Novak und Christoph Völk, der neben er freigesprochenen Isabella Lehner noch einen FPÖ-Gemeinderat vertrat, bekämpfen. Aus „rechtspräventiven Gründen“, wie sie erklärten. Das gelindere Mittel der Diversion sei hier völlig ignoriert worden. Das könne man nicht hinnehmen.
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