"Faymann genießt bei Griechen Ansehen"

Ex-Kanzler Vranitzky hat einen zweiten Wohnsitz auf Kreta.
Ex-Kanzler Franz Vranitzky im KURIER-Interview über Tsipras, Iran-Abkommen und Flüchtlingspolitik.

Ein Urlaub auf Kreta ist für Franz Vranitzky nicht nur Erholung, sondern auch mit Erkundigungen über die griechische Krise verbunden. Der Ex-Kanzler ortet "eine Beruhigung, weil über das dritte Hilfspaket verhandelt wird". Nachhaltig sei diese Finanzspritze aber nicht. "Griechenland und die EU müssen noch vieles gemeinsam anpacken: Das Finanz- und Steuersystem reformieren sowie die Produktion und die Exportkapazitäten aufbauen."

"Konstruktiv" findet Vranitzky im KURIER-Gespräch das von EU-Kommissionspräsident Juncker geplante Konjunkturpaket von 35 Milliarden Euro. Deutschland und osteuropäische Mitglieder sträuben sich zwar gegen die Auszahlung an Athen. "Die EU-Verantwortlichen sollten das Juncker-Vorhaben nicht anzweifeln. Man kann umso eher Anstrengungen der Griechen einfordern, wenn man im Gegenzug bereit ist, sie wirklich zu unterstützen und sie nicht nur maßzuregeln."

Strukturelle Reformen gefragt

Klar sei, dass Griechenland zudem dringend strukturelle Reformen brauche, ebenso wie die Unterstützung für den Aufbau eines funktionierenden Staatswesens. Hand in Hand damit gelte es auch, die Kaufkraft zu stärken. "Viele haben zu wenig Geld in der Tasche, es gibt keine Konjunkturankurbelung", analysiert Vranitzky.

Korruptionsvorwürfe und die Überzeugung, Reiche bezahlen keine Steuern und haben ihr Geld auf Schweizer Banken, würden die Haltung vieler Griechen bestimmen. "Tsipras muss dringend ein ähnliches Abkommen mit der Schweiz verhandeln, wie es auch Österreich hat."

"Bei Reformen hat er sich nicht beeilt"

Kritisch sieht Vranitzky die erste Bilanz der Regierung Tsipras’. "Bei Reformen hat er sich nicht beeilt." Dennoch gebe es weiterhin eine "gewisse emotionale Zuneigung zu Tsipras. Ob er damit den Entzug des Vertrauens seiner eigenen Parteileute kompensieren kann, bleibt offen".

Während seines Kreta-Aufenthaltes hat Vranitzky auch "viel Positives" über Österreich gehört. "Österreich schneidet atmosphärisch gut ab. Kanzler Faymann genießt dort Ansehen, weil er verständnisvolle Anmerkungen zur Lage gemacht hat. Wir kommen in Griechenland gut weg." Faymann, ein Griechen-Versteher? Dagegen verwehrt sich der Ex-Kanzler. "Dass jemand etwas versteht und sich dadurch von vielen anderen unterscheidet, ist ja nichts Schlechtes."

Österreich zeige aber nicht nur in der Griechenland-Politik Flagge: Das Iran-Abkommen sei "herzeigbar, auch wenn wir nur Gastgeber waren. Die Entscheidungsträger liegen richtig, wenn sie für die Sanktionen gegenüber Russland nicht nur begeistert sind. Wenn die Sanktionen darauf abzielen, dass die Krim an die Ukraine zurückkommt und Frieden in der Ostukraine entsteht, dann haben die Sanktionen bisher nichts erreicht", sagt Vranitzky. Über die Flüchtlingspolitik will er sich nicht ausbreiten. Nur so viel: "Über diese Politik kann man kein positives Wort sagen."

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