ÖVP: Vorzugsstimmen-Rennen eröffnet

Die JVP hat angeblich über 100.000 Mitglieder
Junge Schwarze mischen Wahlkampf auf, Alt-Politiker könnten von Kurz’ Jüngern überholt werden.

Patrik Fazekas hat bis zum Mai 2014 außerhalb von Oberpullendorf kaum jemand gekannt. Dann kannte jeder im Burgenland seine private Handynummer, die er auf seine Wahlplakate drucken ließ. Schließlich kreuzten 6000 Österreicher seinen Namen am Stimmzettel an. Der damals 24-Jährige schaffte bei der EU-Wahl 2014 aus dem Stand das österreichweit viertbeste Ergebnis der ÖVP bei den Vorzugsstimmen. Vor ihm lag der alteingesessene EU-Parlamentarier Paul Rübig mit rund 10.000 Stimmen.

Junge Unbekannte, die alte, erfahrene Politiker einholen – wie geht das?

Fazekas hatte keine zahlungskräftigen Sponsoren hinter sich, er hatte ein Team, das für ihn gerannt ist. Und rennen können sie, die Jungen. Wahlkämpfe mit einer Person statt mit einem Parteiprogramm im Mittelpunkt hat die JVP mit 100.000 Mitgliedern (nach eigenen Angaben) in ganz Österreich perfektioniert.

Ihr Obmann war seit 2009 Sebastian Kurz. In Umfragen hat der 30-Jährige den SPÖ-Kanzler Christian Kern und FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache an Beliebtheit längst überholt. Vieles von dem, was Kurz als Chef der neuen, türkisfarbenen Volkspartei ankündigt, hat er in seiner Jugendorganisation geübt.

So etwa die Forderung der JVP, die Vergabe der Mandate auf Gemeinde-, Landes- oder Bundesebene aus dem Parteikämmerlein zu holen und der Vorzugsstimme mehr Gewicht zu geben. Die Auswahl der Kandidaten soll zwar Chefsache bleiben, wegfallen soll aber die fixe Reihung. Um Plätze zu überspringen, muss man derzeit gewisse Prozentanteile der Gesamtstimmen erreichen.

Daran ist etwa Fazekas bei der EU-Wahl gescheitert. Der Burgenländer trat auf Listenplatz 9 an. Obwohl er die viertmeisten Vorzugsstimmen hatte, bekam er keines der fünf Mandate. Für die Hürde fehlten mehrere Tausend Stimmen Vorsprung.

Person statt Partei

"Der Wähler möchte keine Parteien, der Wähler möchte Persönlichkeiten", sagt Lukas Michlmayr, neben Fazekas stellvertretender JVP-Obmann, der eine eigene Homepage unter dem Motto "Vote Luki" hat. Michlmayr wurde mit 27 Jahren Bürgermeister der Stadt Haag – jeder dritte ÖVP-Wähler hat ihm bei der Gemeinderatswahl 2015 die Vorzugsstimme gegeben.

Mit gezielten Wahlkämpfen in den Regionen gelang es damals, aus 800 Gemeinderäten unter 35 Jahren 1300 zu machen, erzählt Michlmayr stolz. Österreichweit stellt die JVP 36 Bürgermeister, der jüngste ist Severin Mair aus Eferding (OÖ), der 2015 mit 22 Jahren ins Amt kam.

Kampf ums Mandat

Die Vorzugsstimmen seien für Junge oft die einzige Chance, in der Altpartei nach oben zu kommen, sagt Michlmayr. In der ÖVP zeigte sich dahingehend schon vor Kurz’ Parteiübernahme Bewegung. Einige Landesparteien haben mit ihren Kandidaten interne Agreements, dass sie auf ihren gesetzlich fixierten Platz verzichten und demjenigen das Mandat überlassen, der sie an Vorzugsstimmen überholt.

Zuletzt wurde das etwa bei der ÖVP Burgenland vereinbart. Dahingehend könnte es bei der Nationalratswahl etwa für Ex-Minister Niki Berlakovich spannend werden, der derzeit das einzige Burgenland-Mandat im Parlament hat. Der 27-jährige Fazekas wird neben ihm um dieses Mandat kämpfen.

Müssen sich jetzt alle alten ÖVPler vor den Jungen und ihrer Mobilisierungskraft fürchten? "Natürlich entsteht dadurch ein innerparteilicher Wettbewerb. Ich finde das sehr positiv. Wer gute Arbeit leistet, muss sich nicht fürchten", winkt Fazekas ab. Den Jungen ist mit frechen Kampagnen jedenfalls die Aufmerksamkeit der Wähler sicher. Auch das hat Sebastian Kurz, damals als Chef der JVP Wien, mit seinem "Geilomobil" und der sexuell konnotierten Kampagne "24 Stunden Verkehr" (für durchgehenden U-Bahn-Betrieb) vorgemacht.

"Frecher sein, experimentieren dürfen, das ermöglicht einem das ’J’ vor dem ’VP’", weiß Gernot Blümel, Chef der Wiener ÖVP und bis heute enger Vertrauter von Sebastian Kurz. Dessen Beispiel folgte Blümel diese Woche und forderte Neuwahlen auch in Wien. Nicht ausgeschlossen ist aber, dass er in der Bundespartei künftig eine tragende Rolle spielen wird.

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