Wenn Bürgerwut Reformen bringt

Aus Angst vor Stimmenverlusten im Herbst wird das U-Ausschuss-Procedere geändert.

Politisch Großes tut sich im kleinen Vorarlberg – einige Monate vor der Wahl. Die Ländle-Politiker machen das, was Rote und Schwarze im Bund dieser Tage versprochen haben: eine U-Ausschuss-Reform. Der Kern: Fortan soll auch eine Minderheit im Landesparlament ein solches Untersuchungsgremium einsetzen können.

Derzeit ist das der Mehrheit vorbehalten. Diese hat die ÖVP – mit 20 von insgesamt 36 Mandaten (FPÖ 9, Grüne 4, SPÖ 3). Weil die Schwarzen seit jeher die politisch Stärksten waren, hat es (auch in der Koalition mit den Blauen) im Ländle noch nie einen U-Ausschuss gegeben.

Wenn Bürgerwut Reformen bringt
APA1394407-2 - 14102009 - BREGENZ - ÖSTERREICH: Blick in den Landtagssaal am Mittwoch, 14. Oktober 2009, während der konstituierenden Landtagssitzung des Vorarlberger Landtages in Bregenz. APA-FOTO: DIETMAR STIPLOVSEK
"Nicht träumen lassen" hätte er sich, dass die ÖVP dem Minderheitenrecht zustimmt, sagt SPÖ-Klubchef Michael Ritsch. Den Sinneswandel der Polit-Konkurrenten erklärt er so: "Ihr Leidensdruck ist immens. Laut Umfragen verliert die ÖVP bei der Wahl zehn bis 15 Prozent." Die absolute Mehrheit (2009 kam sie auf 50,8 Prozent) wäre damit weg. ÖVP-Klubobmann Roland Frühstück bestreitet, dass die Reformfreunde dem Wahltermin geschuldet ist: "Wir haben den Prozess mit Landtags- und Demokratiereform schon vor zwei Jahren begonnen, um die Politikverdrossenheit zu entschärfen."

Tatsächlich bangen Frühstück und Ritsch um Wählerstimmen – ob der Bürger-Wut in Sachen Hypo; und der erstmals kandidierenden Neos, deren Vormann Matthias Strolz dem Ländle entstammt. Bis zu 14 Prozent werden ihnen vorausgesagt. Die ÖVP hofft, den Strolzianern auch mit Frisch-Personal Paroli bieten zu können. An der Spitze der Landesliste ist der 27-jährige JVP-Chef Julian Fässler.

Ritsch steht einer SPÖ-Truppe vor, die es vor fünf Jahren auf nur zehn Prozent gebracht hat. Und so hat er schon vor Längerem öffentlich einen Bundes-U-Ausschuss zur Hypo-Malaise begehrt. Gleiches tat ÖVP-Landeshauptmann Markus Wallner.

Wenn Bürgerwut Reformen bringt
Frastanz am 13.9.2013 LPS 2013 - 6116 Vorarlbergs Landeshauptmann Markus Wallner (ÖVP) beim Bockbieranstich der Brauerei Frastanz im Gespräch mit Michael Ritsch (SPÖ-Klubobmann).
Wie vomKURIER berichtethaben am Mittwoch alle Landtagsparteien "die Regierungsparteien dringend aufgefordert, den Weg für einen parlamentarischen U-Ausschuss (...) zur lückenlosen Aufklärung der Vorgänge rund um die Hypo Alpe-Adria freizumachen". FPÖ und Grüne wollen den U-Ausschuss sofort, SPÖ und ÖVP erst "nach der Überführung der Hypo in die ÖIAG, jedenfalls aber noch heuer".

Für Vorarlberger U-Ausschüsse gilt künftig: Jede Landtagsfraktion kann pro Legislaturperiode (binnen fünf Jahren) einen U-Ausschuss einsetzen – sofern sie Klubstärke hat, also zumindest drei Mandate. Je nur einen U-Ausschuss darf es geben, nicht mehrere zeitgleich. Dauern darf die Polit-Untersuchung nicht länger als 15 Monate. In den sechs Monaten vor der Landtagswahl ist kein U-Ausschuss erlaubt. Untersucht werden dürfen nur "behauptete Missstände in der Verwaltung des Landes". Den Ausschuss leitet ein Vertreter jener Fraktion, die ihn installiert hat. Verfahrensanwalt muss eine "unabhängige Persönlichkeit" sein, etwa ein Richter. Ein Drittel der 14 Mitglieder kann Zeugen laden und Akten anfordern. Beschlossen wird die Reform am 7. Mai im Landtag.

Grünen-Vize-Klubchef Werner Kogler glaubt, dass es auch im Bund bald neue Regeln für U-Ausschüsse gibt; schon vor dem Sommer könnten sie Gesetz werden: "Der Geist ist so weit aus der Flasche, dass er nicht mehr reinzukriegen ist."

Der stv. Grünen-Klubobmann Werner Kogler ist zuversichtlich: Ein Hypo-U-Ausschuss sei "unausweichlich" und könne, wie auch die Reform der U-Ausschuss-Regeln schon vor dem Sommer beschlossen werden. "Der Geist ist so weit aus der Flasche, dass er nicht mehr reinzukriegen ist", freute er sich am Donnerstag in einer Pressekonferenz.

Kanzler Werner Faymann (SPÖ) und Vizekanzler Michael Spindelegger (ÖVP) hätten zwar Zeit gewinnen wollen mit ihrem Wunsch nach neuen Regeln. Aber der Druck sei durch "verschiedene Stellungnahmen" - etwa des VfGH-Präsidenten oder von Nationalratspräsidentin Barbara Prammer -, die Online-Petitionen (die der Opposition hat fast 135.000 Unterstützer) und die "Tatort Hypo"-Bürgerinitiative (mit bisher fast 11.000 Unterstützern) so groß, dass es jetzt schnell gehen könne.

"Wenn die Mehrheitsfraktionen es wollen", habe man die neuen Regeln - samt Minderheitenrecht - in vier Wochen fertig und vor dem Sommer beschlussreif. Sie seien in den Eckdaten fertig verhandelt, es fehle nur noch die Regelung über die Schlichtungsstelle.

Vorbild Deutschland

Für Kogler ist Deutschland ein gutes Vorbild für die U-Ausschuss-Reform. Den Vorsitz solle ein Parlamentarier führen - eventuell mit eingeschränkten Befragungsrechten -, der aber nicht der Fraktion zugerechnet wird. "Keine Fahnenfrage" sei, wie groß die Minderheit zur Einsetzung eines U-Ausschusses sein muss: 25 Prozent, "es kann aber auch ein Drittel sein". Wichtig sei, dass dies auch für Beschlüsse über Zeugenladungen gilt. Als Maßnahme gegen die Veröffentlichung geheimer Akten sollte man verschiedene Vertraulichkeitsgrade schaffen - sodass "wenige Teile" auch in nicht-öffentlicher Verhandlung untersucht werden.

Eine Einschränkung der Immunität erachtet Kogler für "problematisch". Das Problem "völlig ungerechtfertigter Vorwürfe" regle sich ohnehin selbst. Wenn ein Abgeordneter das tue, falle das "schlechte Licht" ohnehin auf ihn zurück. Deshalb ist für Kogler auch der Vorwurf "idiotisch", die Opposition missbrauche U-Ausschüsse als Tribunal oder Show. Missbrauch habe bisher, meint Kogler, ausschließlich seitens der Regierung stattgefunden, indem sie z.B. den Banken- oder Korruptions-Ausschuss behindert und dann "abgedreht" habe.

Die Übermittlung der Kärntner Akten an das Parlament ist für Kogler "kein großes Problem". Gesetzliche Regelungen in Kärnten dafür sind aus seiner Sicht nicht unbedingt nötig - und das Parlament könne diese Unterlagen sicherlich annehmen und in die Untersuchung einbauen.

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