"Völlig jenseitig": SPÖ-Kritik an Kocher-Sager zu Kollektivverträgen
Arbeitsminister Martin Kocher (ÖVP) hat die Gewerkschaften und die SPÖ gegen sich aufgebracht. In der KURIER-Reihe "Frag den Minister" meinte er, angesprochen auf die schlechten Berufschancen für ältere Menschen mit Beeinträchtigung, dass diese es "schwerer haben". Das liege auch an den Kollektivverträgen, die Ältere teurer machten. "Das ist aus meiner Sicht der größte Hemmschuh, darum müssen wir bei den Kollektivverträgen, wo es das noch gibt, etwas bei der Seniorität abflachen", so Kocher.
Das Senioritätsprinzip besagt, dass Arbeitnehmern mit zunehmender Betriebszugehörigkeit höhere Leistungen zustehen - etwa höhere Löhne.
Rendi-Wagner kritisiert auch Doskozil
Barbara Teiber, Vorsitzende der Gewerkschaft GPA, reagierte auf Kochers Aussage verärgert: "Von einem Arbeitsminister könnte man erwarten, dass er die Anwendung von Kollektivverträgen versteht. Bei Neueinstellungen wird nur eine bestimmte Anzahl von Vordienstzeiten angerechnet, unabhängig davon ob ein Arbeitnehmer 35 oder 55 ist. Der Minister soll lieber seine Hausaufgaben im eigenen Haus machen, anstatt uns Gewerkschaften auszurichten, wie Lohnpolitik zu machen ist." Kocher solle "endlich in die Gänge kommen" und die Arbeitsmarktchancen älterer Arbeitnehmer mit Behinderung erhöhen.
Unterstützung bekam Teiber von Kollegin Ingrid Reischl, Leitende Sekretärin des ÖGB. "Wer Kollektivverträge als 'Hemmschuh' im Kampf gegen Arbeitslosigkeit bezeichnet, der hat die Anwendung und Wichtigkeit von Kollektivverträgen nicht verstanden", hielt sie fest.
SPÖ-Parteichefin Pamela Rendi-Wagner bezeichnete Kochers Aussagen nicht nur als "völlig jenseitig", sondern nutzte sie auch für einen Seitenhieb gegen Burgenlands Landeshauptmann Hans Peter Doskozil. Dieser fordert einen gesetzlichen Mindestlohn von 2.000 Euro netto. Kochers Äußerung zeige "was passieren könnte, wenn Lohnpolitik nicht von den Gewerkschaften gemacht wird", warnt Rendi-Wagner.
Plakolm unterstützt Kocher
Kocher wehrte sich auf Twitter. Niemand spreche sich gegen Kollektivverträge aus, antwortete er dem ÖGB: "Bitte bei der Wahrheit bleiben!" Eine Debatte über die Wirkung von zu starken Senioritätsaspekten in manchen Kollektivverträgen sei aber legtim, betonte Kocher.
Unterstützung erhielt Kocher von ÖVP-Jugendstaatssekretärin Claudia Plakolm. "Wir brauchen einen steileren Einstieg in die Gehaltskurve", meinte Plakolm. Heißt: Die Löhne wären beim Einstieg ins Erwerbsleben höher, würden dann aber nicht mehr so stark steigen wie bisher. "Die Lohnkurve vorziehen bedeutet, dass Menschen für die großen Anschaffungen des Lebens, wie Eigenheim und Familiengründung mehr Geld zur Verfügung haben", so Plakolm.
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