Vier Freisprüche in der Bludenzer Wahlkartenaffäre

Der 29-Jährige wurde zu 20 Monaten bedingter Haft verurteilt.
Das Gericht sah bei den Angeklagten keinen wissentlichen Gesetzesbruch. Die Urteile sind nicht rechtskräftig.

Die vier Angeklagten in der sogenannten Bludenzer Wahlkartenaffäre sind am Dienstag am Landesgericht Feldkirch vom Vorwurf des Amtsmissbrauchs bzw. der Anstiftung dazu frei gesprochen worden. Richterin Sonja Nachbauer erklärte in ihrer Urteilsbegründung, man könne nicht davon ausgehen, dass die Angeklagten wissentlich gegen das Gesetz gehandelt hätten. Die Urteile sind nicht rechtskräftig.

Im Zentrum des zweitägigen Prozesses stand die Handhabung der Ausstellung und Ausgabe von Wahlkarten für die Bürgermeister-Stichwahl in Bludenz am 29. März 2015. Aufgrund der diesbezüglichen schweren Unregelmäßigkeiten hatte der Verfassungsgerichtshof (VfGH) die Stichwahl aufgehoben. Bei der Wiederholung der Stichwahl im Dezember 2015 setzte sich - wie beim ersten Versuch - Amtsinhaber Josef Katzenmayer ( ÖVP) knapp gegen Herausforderer Mario Leiter (SPÖ) durch.

Wahlkartenservice für hohe Wahlbeteiligung

Bei der Verhandlung standen die Fakten außer Streit: Um bei der Stichwahl eine möglichst hohe Wahlbeteiligung zu erreichen, richtete die ÖVP ein "Wahlkartenservice" ein. Der damalige ÖVP-Bezirksgeschäftsführer erkundigte sich deshalb bei der Stadtangestellten nach der möglichen Handhabung. Dabei ließ die Frau Bestellungen per E-Mail zu - was laut Vorarlberger Gemeindewahlgesetz verboten ist. Nach den Buchstaben des Gesetzes dürfen Wahlkarten nur über einen mündlichen oder schriftlichen Antrag der Wahlberechtigten ausgestellt werden. Außerdem hätte die Frau die Identität der Wahlberechtigten anhand eines amtlichen Dokuments prüfen müssen.

Der erstangeklagten Stadtbediensteten wurde deshalb die rechtswidrige Ausgabe von zumindest 195 Wahlkarten an unberechtigte Dritte zur Last gelegt. Im Prozess rechtfertigte sie sich mit "enormem zeitlichen Druck" vor der Stichwahl. Sie habe die Identität der Personen vor der Ausgabe der Wahlkarten schon geprüft, dabei aber gedacht, ein Abgleich mit dem Wählerregister würde ausreichen. Das sei ein Fehler gewesen, räumte sie ein, stritt aber jeglichen Vorsatz zum Amtsmissbrauch ab.

Jeglichen Vorsatz bestritten ebenfalls die anderen drei Angeklagten. Der damalige ÖVP-Bezirksgeschäftsführer, der sich mit dem Vorwurf zur Anstiftung der Gemeindebediensteten zum Amtsmissbrauch in 81 Fällen konfrontiert sah, berief sich darauf, nichts im Geheimen getan zu haben. Nur weil sein Mandant schon bei mehreren Wahlen davor mitgewirkt habe, könne man bei ihm keine Kenntnis des Gesetzestextes voraussetzen, betonte auch sein Verteidiger Martin Mennel. Und dass er die Erstangeklagte zum Amtsmissbrauch angestiftet haben soll, sei geradezu absurd. Sie habe ihm "schließlich erklärt, wie es läuft".

Vorgangsweise sprach gegen Wissentlichkeit

Bei dem Dritt- und der Viertangeklagten, zwei ÖVP-Wahlhelfern, wurde ein Wissen um das Gesetz schon nicht mehr vorausgesetzt. Sie standen vor Gericht, weil sie Wahlkarten für Dritte - angeblich ohne deren Wissen - abgeholt hatten. Allerdings zogen die Verteidiger diesbezügliche Aussagen einer Zeugin in Zweifel und sprachen von einer Inszenierung. Und auch das Gericht war nicht davon überzeugt, ob es nicht doch eine Art von Zustimmung zur Abholung gegeben habe.

Letztlich wurden die Angeklagten frei gesprochen, weil "die Vorgangsweise gegen eine Wissentlichkeit" spreche, so Richterin Nachbauer in ihrer Begründung. Hätten die Angeklagten gewusst, dass sie etwas Ungesetzliches tun, "so wäre die Vorgangsweise sehr dreist gewesen", sagte Nachbaur. Sie wies unter anderem auf die zahlreichen Mails des damaligen ÖVP-Bezirksgeschäftsführers hin, in der das "Wahlkartenservice" propagiert wurde. Die ÖVP habe letztlich mit der Feststellung "Wir sind Ihnen behilflich bei der Besorgung der Wahlkarte" geworben.

Grundsätzlich stellte Nachbauer fest, dass es für sie erstaunlich sei, "wie sich in einer Kleingemeinde wie Bludenz politische Parteien bekämpfen". So sei in der Causa etwa eine eidesstattliche Erklärung von einer Person eingeholt worden, deren kognitive Fähigkeiten zu 70 Prozent eingeschränkt seien. Da Staatsanwältin Gertraud Pfeifenberger keine Erklärung abgab, sind die Urteile nicht rechtskräftig.

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