Viele „Ja, aber“ bei Blümels Entlastung

Viele „Ja, aber“ bei Blümels Entlastung
Steuerreform: Vier Milliarden Euro gibt es in den Jahren 2021/22 – plus erste Schritte zur Ökologisierung

„Das Beste aus beiden Welten“ lässt auf sich warten – die ökosoziale Steuerreform. Nach der ersten türkis-grünen Regierungsklausur ist lediglich fix, dass Finanzminister Gernot Blümel und Klimaschutzministerin Leonore Gewessler die „Task Force“ für die Reform leiten und mit Experten in Dialog treten werden. „Beim Einstieg in die Ökologisierung des Steuersystems fehlt die Konkretisierung“, lässt ausgerechnet Global 2000 wissen. Jene Umweltschutzorganisation, bei der Gewessler zuletzt leitend tätig war.

Eine höhere Flugticketabgabe auf der Kurz- und Mittelstrecke (zwölf Euro), die Adaptierung der NoVa (Normverbrauchsabgabe), die „Ökologisierung“ des Pendlerpauschales und der Lkw-Maut bzw. Anreize für Elektro-Dienstwägen sowie der Kampf gegen den Tanktourismus sind im Regierungsprogramm fixiert. Wann diese Punkte wie umgesetzt werden – das wird Aufgabe der Task Force sein.Auf der Entlastungsseite ist man weiter. Das verwundert nicht, Türkis-Blau hat dafür die Vorarbeit geleistet. 2021 und 2022 werden, wie mehrfach berichtet, die ersten drei Lohnsteuerstufen gesenkt.

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Einschließlich des ab 2022 höheren Familienbonus’ kommen so vier Milliarden Euro unters Volk. Enttäuschend für die Wirtschaft: Die Senkung der Körperschaftssteuer kommt frühestens 2023, die oftmals versprochene Abschaffung der kalten Progression steht in den Sternen.

Die Kritik der Opposition fällt erwartungsgemäß scharf aus. Dass die Regierung zunächst nur in der untersten Stufe den Steuertarif von 25 auf 20 Prozent senken will, bringe „maximal 350 Euro pro Jahr“ und gleiche daher nicht einmal die kalte Progression aus. „Das ist aus Sicht der arbeitenden Menschen keine Steuerreform, sondern ein Sparpaket“, sagt SPÖ-Finanzsprecher Kai Jan Krainer. Neos und FPÖ sprechen von einem „Marketingschmäh“. Vom KURIER befragte Experten sehen die Reform differenzierter.

Sparen im System?

Franz Schellhorn, Direktor der Denkfabrik Agenda Austria, findet „richtig“, dass die Lohnsteuer in den kommenden beiden Jahren kräftig sinkt, auch wenn das Volumen von vier Milliarden Euro bescheiden ausfalle.

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Franz Schellhorn

„Schließlich ist die Differenz zwischen den Arbeitskosten und den Nettolöhnen nur in vier EU-Ländern größer als in Österreich.“ Schade findet er, dass nicht im System gespart werde, trotz gegenteiliger Beteuerungen. „Ein großer Teil wird über die kalte Progression finanziert, bei den Pensionen geschieht gar nichts. Das Sparen im System müsste viel engagierter ausfallen.“Das Sparen im System hält der Steuerexperte der Arbeiterkammer, Philipp Gerhartinger, hingegen für eine „gefährliche Drohung“.

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Philipp Gerhartinger

Da die Koalition keine Gegenfinanzierungsmaßnahmen ausformuliert habe, befürchtet der AK-Mann „Leistungskürzungen“ für Arbeitnehmer. „Wir wissen ja, dass sieben von zehn Steuereuros für Gesundheit, Bildung und Pensionen aufgewendet werden. Und die maximal 50 Millionen, die aus der – an sich wichtigen – Verlängerung des 55-prozentigen Spitzensteuersatzes kommen, werden nicht ausreichen, um alle Steuersenkungen zu finanzieren.“ Gut findet Gerhartinger, dass die Senkung der Körperschaftssteuer aufgeschoben wurde. „Das ist nur eine Gießkannenförderung für wenige Großkonzerne.“

Das Wirtschaftsforschungsinstitut (WIFO) und das Institut für Höhere Studien (IHS) appellierten an die Regierung, die Reformbereitschaft und die demografische Entwicklung der Bevölkerung (Fachkräftemangel) nicht zu unterschätzen.

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