Von Schwein bis ORF: Diese unsauberen Gesetze gehören repariert

Von Schwein bis ORF: Diese unsauberen Gesetze gehören repariert
Der VfGH verlangt eine Neuregelung des Tierschutzgesetzes. Aber wird sich Türkis-Grün um diese und weitere, verfassungswidrige Baustellen noch kümmern?

Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig (ÖVP) ließ Montagvormittag aufhorchen: "Wir dürfen unser österreichisches Schnitzel nicht gefährden und uns von Importen aus dem Ausland abhängig machen." Auslöser für das neuerliche Schnitzel-Plädoyer der Volkspartei – Kanzler Karl Nehammer hatte im Sommer ja klargestellt, dass Schnitzel essen erlaubt sein müsse – war diesmal der Verfassungsgerichtshof (VfGH).

Nein, niemand hat versucht, das Schnitzel in der Verfassung zu verankern (noch). Das Höchtsgericht hat die Neuregelung des Tierschutzgesetzes gekippt, wonach Vollspaltenböden bis 2040 verboten werden sollen. Der Grund: Die Übergangsfrist von 17 Jahren sei "zu lang und sachlich nicht gerechtfertigt". Bis 1. Juni 2025 muss das Gesetz dementsprechend überarbeitet werden. 

Aber wird und will sich die aktuelle Bundesregierung darum noch kümmern? Und wie ist der Stand bei weiteren Gesetzen, die der VfGH zuletzt gekippt hat – von ORF bis Handy-Sicherstellung?

Das sind die größten, verfassungswidrigen Baustellen:

  • Tierschutzgesetz: Offene Abszesse, geschwollene Gelenke, entzündete Augen: Schweine, die auf Vollspaltenböden gehalten werden, sind erhöhter Verletzungsgefahr ausgesetzt. Das erkannte auch die Regierung. In neuen Ställen ist der Einbau von Vollspaltenböden deshalb seit 2023 verboten, in bestehenden müssen sie bis Ende 2039 ausgetauscht werden. Neben Tierschutz-NGOs, stieß dieser Zeitrahmen auch bei Burgenlands Landeshauptmann Hans Peter Doskozil (SPÖ) auf Unverständnis, der sich an den VfGH wandte. 

    Dieser gab ihm nun bei seiner zweiten Beschwerde Recht. Die lange Übergangsfrist sei nicht gerechtfertigt. Warum? Weil eine Abwägung zwischen Tierschutz und Investitionsschutz vorgenommen werde. Und eine Frist von 17 Jahren ziele einseitig auf den Investitionsschutz ab. Laut Sozialminister Johannes Rauch (Grüne) soll das Gesetz noch in dieser Legislaturperiode überarbeitet werden. Totschnig will ebenso das Gespräch mit den Grünen suchen, reagiert aber zurückhaltender. Die Bauern stünden wegen der Inflation vor großen Herausforderungen, die Versorgungssicherheit mit Lebensmitteln sei auch wichtig.

    Mehr dazu: Totschnig zu VfGH-Urteil: "Dürfen unser Schnitzel nicht gefährden"

  • ORF-Gesetz: Auch in Sachen ORF war es Doskozil, der mit Erfolg den VfGH bemühte. Diesmal traf es ein Gesetz aus den 1970er-Jahren. ORF-Stiftungs- und -Publikumsrat seien teilweise verfassungswidrig, erkannte das Höchstgericht vergangenen Oktober. Vor allem der übermäßige Einfluss der Regierung bei der Besetzung von ORF-Gremien sei problematisch. Bis März 2025 ist eine Neuregelung nötig. Setzt Türkis-Grüne diese noch um? So schnell wie möglich, wenn es nach Grünen-Mediensprecherin Eva Blimlinger geht. Medienministerin Susanne Raab (ÖVP) will sich wiederum Zeit nehmen, sich mit Experten beraten, wie sie zum Jahresbeginn gegenüber der APA betonte. Ob Türkis-Grün die heikle Materie überhaupt noch angreift oder ihren Nachfolgern überlässt, ist laut Regierungskreisen offen.
  • COFAG: Dass der Staat Corona-Hilfen für Unternehmen über die private Covid-19-Finanzierungsagentur (COFAG) abgewickelt hat, war teils verfassungswidrig, wie der VfGH Mitte Oktober feststellte. Es ging etwa darum, dass die COFAG als privater Rechtsträger faktisch Aufgaben der staatlichen Verwaltung übernahm, was gegen das Sachlichkeitsgebot verstieß. Aktueller Stand: Bis Oktober 2024 soll die COFAG aufgelöst werden, offene Auszahlungen laufen bis dahin weiter. Das Konzept über die Abwicklung der COFAG soll demnächst veröffentlicht werden. Die Abbaubeteiligungsgesellschaft ABBAG und die COFAG erstellen es und arbeiten das VfGH-Erkenntnis ein.

    Mehr dazu: Wer noch auf Corona-Hilfen hoffen darf

  • Asylrechtsberatung: Die staatliche Bundesbetreuungsagentur (BBU) ist seit 2019 für die kostenlose Rechtsberatung von Asylwerbern vor dem Bundesverwaltungsgericht (BVwG) zuständig. Sie war ein Lieblingsprojekt des damaligen Innenministers Herbert Kickl (FPÖ) und wurde noch von Türkis-Blau beschlossen Der VfGH erklärte sie Ende 2023 aber für teils verfassungswidrig, da die Unabhängigkeit der Rechtsberater vom Innen- und Justizministerium nicht garantiert sei. Diese muss bis Mitte 2025 ins Gesetz geschrieben werden. Justizministerin Alma Zadić (Grüne) begrüßte den VfGH-Spruch uns sah Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) in der Pflicht.

    Mehr dazu: VfGH zu Kickls Asylagentur: Unabhängigkeit muss ins Gesetz

  • Handy-Sicherstellung: Eine schnelle Lösung wollen prinzipiell beide Regierungsparteien finden, wenn es um die Sicherstellung von Handys geht. Diese ist ohne richterliche Bewilligung verfassungswidrig, wie der VfGH zum Jahresende verkündete. Grund: Die aktuelle Regelung verstoße gegen das Recht auf Privatleben. Denn der Eingriff ins Privatleben dürfe nicht größer sein als die Bedeutung des Ziels. Derzeit kann schon bei einem Anfangsverdacht auf eine leichten Straftat Mobiltelefone beschlagnahmt werden können. Die Zeit drängt, denn die aktuelle Regelung tritt mit 1. Jänner 2025 außer Kraft. Einfluss auf laufende Verfahren und Prozesse im Zuge der ÖVP-Chat-Affäre wir die Novelle wohl nicht mehr haben.

    Mehr dazu: Edtstadler kontert Zadić: „Staatsanwälte werden mehr gefordert sein“

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