Worum geht’s? Laut Paragraf 58 des Strafgesetzbuches wird die Dauer der Ermittlungen nicht in die Verjährungsfrist eingerechnet. Und genau das wollen die Verurteilten jetzt kippen.
In ihren Anträgen auf "Normenkontrolle" beim VfGH führen sie ins Feld, dass ihr Recht auf eine "angemessene Verfahrensdauer" verletzt worden sein könnte. Über die Fristhemmung werde das System der Verjährung konterkariert, die Behörden könnten de facto beliebig lange ermitteln.
Zur Erinnerung: Die Ermittlungen zur Buwog-Causa starteten 2009, erst 2016 gab es eine Anklage, 2020 fielen die Urteile. Grasser fasste (nicht rechtskräftig) acht Jahre aus.
Jetzt zum politischen Teil: Die Bundesregierung wurde vom Verfassungsgerichtshof um eine Stellungnahme ersucht, Fachexperten des Justizministeriums und des Verfassungsdienstes im Bundeskanzleramt haben diese gemeinsam erarbeitet. Am Ende der Ausführungen steht, dass die angefochtene Bestimmung "nach Ansicht der Bundesregierung nicht verfassungswidrig ist".
Am Dienstag fehlte nur noch die Unterschrift der zuständigen Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP). Und darauf warten die Grünen vergeblich. Edtstadler ist nämlich anderer Meinung. Es gibt keine politische Einigung, heißt es auf KURIER-Anfrage aus ihrem Büro.
In der schriftlichen Stellungnahme wird auf den Ministerratsvortrag von Februar 2021 verwiesen, in dem sich ÖVP und Grüne im Zuge der Schaffung eines Bundesstaatsanwalts auf eine Reform der Beschuldigtenrechte geeinigt haben. "Ganz im Sinne des Rechts auf ein faires Verfahren", wird hinzugefügt.
Und weiter: "Vor diesem Hintergrund ist es aus unserer Sicht nicht sinnvoll, die aktuelle Rechtslage zur Verjährungshemmung zu verteidigen. Denn genau das ist ein Punkt, an dem eine breiter angelegte Reform anknüpfen könnte." Aktuelle Fälle würden zeigen, dass gerade im Bereich der Verfahrensdauer dringender Handlungsbedarf besteht – "ungeachtet der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes im vorliegenden Fall".
Sinngemäß heißt das, es dürfte der ÖVP nur recht sein, wenn der Verfassungsgerichtshof die Regelung kippt: Dann wäre der Gesetzgeber gezwungen, eine neue zu schaffen.
Plötzliche Verjährung
Zum Thema Verfahrensverkürzung kursiert seit Längerem die Idee einer "absoluten Verjährung": Das würde bedeuten, dass Strafverfahren nach einer gewissen Frist automatisch enden, wenn nicht angeklagt wird. Vertreter der Ermittlungsbehörden sind klarerweise dagegen: Täter könnten, wenn sie untertauchen oder mit ihren Anwälten jedes Rechtsmittel ausschöpfen, die Frist einfach aussitzen und kämen straflos davon.
Am Abend meldete sich noch das Justizministerium zu Wort und warnte vor den Folgen einer möglichen Aufhebung der Bestimmung durch den VfGH: Auch Straftaten im Bereich Terrorismus, organisierte Kriminalität, Korruption oder Kindesmissbrauch würden plötzlich verjähren. Eine Strafverfolgung müsse sichergestellt sein, „die derzeitigen Regelungen, die das gewährleisten, müssen daher beibehalten werden“.
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