Zur Lage im Land
Die humanitäre sowie die Sicherheitslage in dem seit Oktober 2021 wieder von den radikal-islamischen Taliban regierten Land bleibt weiterhin äußerst prekär. Das UNO-Flüchtlingshochkommissariat (UNHCR) und Menschenrechtsorganisationen sprechen sich klar gegen Abschiebungen nach Afghanistan aus.
Im letztverfügbaren Demokratieindex (2021) belegt der autoritär geführte Staat den letzten (von 167) Plätzen. Im Weltfriedensindex lag Afghanistan lange Zeit auf dem letzten Platz (von 163), aktuell zählte es zu den fünf am wenigsten friedlichen Ländern weltweit.
Die Taliban hätten Errungenschaften der vergangenen 20 Jahre, gerade im Bereich der Menschenrechte, "systematisch abgebaut", erklärte Leonard Zulu, Vertreter des UNHCR in Afghanistan, kürzlich im APA-Interview.
Willkürlichen Festnahmen und Inhaftierungen, insbesondere von früheren Regierungsbeamten oder Angehörigen von Minderheiten, stehen auf der Tagesordnung. Vor rund zwei Jahren lösten die Taliban die afghanische Menschenrechtskommission auf.
Laut Amnesty International sind vor allem Frauen und Mädchen, Akademikerinnen und Akademiker sowie Aktivistinnen und Aktivisten von den Menschenrechtsverletzungen betroffen. Mädchen dürfen seit der Machtübernahme der Taliban keine höheren Schulen und Universitäten mehr besuchen dürfen, in die Öffentlichkeit können sie nur vollverschleiert.
Laut einem Artikel der britischen Zeitung The Guardian vom Vorjahr nahm die Zahl der Suizide unter Frauen drastisch zu, so dass Afghanistan eines der wenigen Länder weltweit sei, in dem die Zahl der weiblichen Suizide jener der männlichen übersteige.
Hinzu kommen Naturkatastrophen - alleine in den vergangenen zwei Jahren vier Erdbeben - und "Klimaschocks" wie Dürren oder Überflutungen. Afghanistan ist laut dem UNHCR-Experten Zulu unter den Top vier der am stärksten vom Klimawandel betroffenen Länder.
Auch deshalb ist die humanitäre Situation in dem rund 40-Millionen-Einwohnerland äußerst prekär. Aktuell sind laut UNHCR fast 24 Millionen Menschen auf humanitäre Hilfe angewiesen. Viele von ihnen sind nach Zulus Worten "einen Schritt von der Hungerkatastrophe entfernt".
Die Möglichkeit zur Wiederaufnahme von Abschiebungen nach Afghanistan begründete der VfGH in seiner Erkenntnis vom Mittwoch unter anderem mit einer verbesserten Sicherheitslage seit der Machtübernahme der Taliban und bezieht sich dabei auch auf einen Bericht der EU-Asylagentur (EUAA). Dort heißt es, dass "keine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit des Beschwerdeführers als Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts" vorliege.
"Die Bedingungen für Abschiebungen nach Afghanistan seien einfach nicht gegeben", hält Zulu dem entgegen. Der UNHCR-Vertreter, der seit rund zwei Jahren in Afghanistan lebt, erinnert an das vor knapp drei Jahren herausgegebene "Non-Return Advisory" der Vereinten Nationen.
Die Empfehlung des UNO-Flüchtlingshochkommissariats (UNHCR), keine Menschen nach Afghanistan abzuschieben, schließt auch Asylwerber ein, deren Antrag abgelehnt wurde. Das Dokument habe nach wie vor Gültigkeit, betont Zulu.
Seitens des österreichischen Außenministeriums gibt es im Übrigen seit Langem eine Reisewarnung (Sicherheitsstufe 6) für ganz Afghanistan. Es bestehe eine "Risiko von gewalttätigen Auseinandersetzungen, Raketeneinschlägen, Minen, Terroranschlägen und kriminellen Übergriffen einschließlich Entführungen, Vergewaltigungen und bewaffneter Raubüberfälle im ganzen Land", heißt es auf der Website des Außenamtes.
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