"Verbrannte Wörter" - Was man heute nicht sagen sollte

Viele belastete Wörter stammen aus der Giftküche von NS-Propagandaminister Joseph Goebbels.
NS-Wortschaft: Viele Wörter in unserem Sprachgebrauch sind geschichtlich vorbelastet. Ein neues Buch klärt auf

Mit seinem "Ratten-Gedicht" habe der blaue Braunauer Vize-Bürgermeister Christian Schilcher "in den politischen Müll gegriffen", sagt FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache. Die Verwendung von Tiermetaphern für politische Gegner war kennzeichnend für Sprache und Propaganda der Nationalsozialisten. Dass Schilcher zurücktrat, war da nur konsequent.

Freilich war es bei Weitem nicht die erste oder ärgste verbale Entgleisung eines (FPÖ-) Politikers. Gerade die Freiheitlichen setzen seit Jahren bewusst auf Provokation entlang der Tabu-Zone des sprachlichen Erbes der NS-Zeit. Die FPÖ-nahe Online-Plattform "unzensuriert.at" legte am Dienstag gleich noch nach und warf der "Systempresse" Hysterie bezüglich des Ratten-Gedichts vor - ein Wort aus der Giftküche von NS-Propagandaminister Joseph Goebbels und gängiges Wording in rechtsextremen Kreisen.

87 (un-)belastete Wörter

"Systempresse" ist eines von 87 Beispielen, die der Journalist und Autor Matthias Heine in seinem Buch „Verbrannte Wörter“ gesammelt hat, die – tatsächlich oder vermeintlich – auf die Nazis zurückgehen. Und von denen fast jeder von uns das eine oder andere ab und zu verwendet. Weil es mitunter ziemlich schwierig ist, zu unterscheiden, was geht und was nicht, gibt Heine zu jedem eine Empfehlung, ob und wie man es heute noch verwenden kann.

Zum Beispiel "entrümpeln": eine NS-Wortschöpfung, um die Bevölkerung dazu zu bringen, ihre Dachböden von leicht brennbaren Gegenständen zu befreien. Obwohl als Propagandawort zwecks Kriegsvorbereitung entstanden, ist eine Verwendung heute bedenkenlos, schreibt Heine. Dasselbe gilt für den von den Nazis beworbenen "Eintopf".

Anders sieht es bei Ausdrücken wie "asozial" oder "entartet" aus. Sie sind so sehr Teil des NS-Sprachgebrauchs - mit schrecklichen Konsequenzen für die so bezeichneten -, dass man sie heute nicht benutzen sollte, ohne den historischen Kontext zu bedenken.

Dasselbe gilt für die Floskel „bis zur Vergasung“ – keine NS-Schöpfung, sondern aus der Physik. Wegen der Assoziationen mit der NS-Vernichtungsmaschinerie aber „nur vorsichtig“ zu nutzen, schreibt Heine. In die selbe Kategorie fällt übrigens auch das schon aus dem Mittelalter bekannte "durch den Rost fallen".

"Festung Europa" - Der Kontext macht das Problem

Manche Ausdrücke werden erst durch den Kontext problematisch. Spricht man etwa von "Festung Europa", um die Migrationspolitik der EU zu kritisieren, dann ist, schreibt Heine, dagegen "nichts einzuwenden". Wenn jedoch Oberösterreichs FPÖ-Obmann Manfred Haimbuchner beim politischen Aschermittwoch erklärt: „Wir wollen, brauchen und verteidigen die Festung Europa!“, dann verwendet er den Begriff so, wie ihn schon Joseph Goebbels propagierte.

Auch - um beim Thema Migration zu bleiben - die von Bundeskanzler Sebastian Kurz geforderte "Achse der Willigen" ist etwas, wo man laut Heine "besser zweimal überlegen sollte, ob der Ausdruck angemessen ist". Zwar gehört das Wort "Achse" "zur ältesten Schicht des urindogermanischen Wortschatzes", wie er schreibt, die Bedeutung eines politisch-militärischen Bündnisses bekam es aber erst durch den italienischen Faschistenführer Benito Mussolini 1936.

Das sollten allerdings auch die Journalisten bedenken, die gerne von der "Westachse" sprechen, sobald sich die westlichen Bundesländer in einer Frage zusammentun.

Mit seinen "Verbrannten Wörtern" will Heine keine "Fahndungsliste für irgendeine Sprachpolizei" erstellen. Vielmehr geht es ihm darum, die Sensibilität und das Wissen über den Hintergrund mancher Wörter zu erhöhen. 

 

"Verbrannte Wörter" - Was man heute nicht sagen sollte

Matthias Heine: "Verbrannte Wörter. Wo wir noch reden wie die Nazis - und wo nicht", Dudenverlag, 226 Seiten, 18,50 Euro.

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