VdB will "Kultur des Respekts"

Alexander Van der Bellen
Der neue Bundespräsident möchte SPÖ und ÖVP aus dem politischen Schützengraben holen.

Seit Freitag, dem 23. Dezember ist Alexander Van der Bellen hochoffiziell der gewählte Bundespräsident. Die Einspruchsfrist gegen das Wahlergebnis ist abgelaufen. Mit 53,8 Prozent hat der Ex-Grünen-Chef einen fulminanten Sieg gegenüber seinen FPÖ-Herausforderer hingelegt – und das in einer Zeit, in der Flüchtlingskrise und Terrorangst das Denken der Menschen beherrschen.

In anderen Ländern konnten Populisten und Demagogen die Ängste der Wähler für sich ausnutzen, doch die Österreicher gaben einem zurückhaltenden, besonnenen Professor den Vorzug. Was können sie von Alexander Van der Bellen erwarten? Wird er sie, wie das oft in der Politik vorkommt, enttäuschen?

Van der Bellen hat den Wählern wenig versprochen in dem Sinn, dass er ihnen vorgaukelte, er würde Änderungen bewirken, die nicht in der Kompetenz der Hofburg liegen. Insofern ist die Gefahr von Enttäuschungen gering.

Was der Bundespräsident jedoch können muss, ist, hinter den Kulissen "seiner" Regierung auf die Sprünge helfen. Auch wenn Van der Bellen aus der Opposition kommt, wird die rot-schwarze Koalition in gewissem Sinne "seine" Regierung werden. Das legt auch der offizielle Ablauf der Amtsübernahme nahe: Nach der Angelobung durch die Bundesversammlung am 26. Jänner wird die Bundesregierung dem neuen Staatsoberhaupt ihre Demission anbieten. So will es die politische Usance. Belässt das Staatsoberhaupt die Regierung im Amt – wovon auszugehen ist –, ist Van der Bellen in gewissem Ausmaß für deren Funktionieren mitverantwortlich.

Van der Bellen ist der erste Bundespräsident, der nicht aus dem rot-schwarzen System kommt. Jetzt könnte man meinen, dass er deswegen nicht viel wird bewirken können, weil ihm das Netzwerk dahinter fehlt.

Tatsächlich ist die Gefahr, dass ein Bundespräsident in der Hofburg kalt gestellt wird, durchaus gegeben. Man muss nicht auf den problematischen Fall Waldheim zurück greifen, der nahe liegendere Präzedenzfall eines teil-isolierten Präsidenten wäre Thomas Klestil. Dieser legte sich zuerst mit dem SPÖ-Kanzler an (er wollte Franz Vranitzky den Sessel im EU-Rat streitig machen), dann verfeindete er sich mit seiner Partei, der ÖVP, und mit der schwarzblauen Koalition unter Wolfgang Schüssel stand er überhaupt auf Kriegsfuß. Der innenpolitische Wirkungsgrad Klestils war mäßig. Wäre er nicht ein erfahrener Diplomat mit besten internationalen Kontakten gewesen, hätte seine Amtszeit leicht zum Fehlschlag werden können.

Der innenpolitische Wirkungsgrad eines Bundespräsidenten hängt stark von dessen persönlichem Geschick ab, aber auch vom Willen der Regierung, mit ihm zu kooperieren bzw. sich von ihm helfen zu lassen.

Und das lässt sich zwischen Van der Bellen und der rot-schwarzen Koalition erstaunlich gut an. Van der Bellen bereitet sich sorgfältig auf seine Rolle als Regierungs-Coach vor. Er trifft sich mit wichtigen Entscheidungsträgern, nicht nur in der Bundesregierung, sondern mit Landeshauptleuten, mit allen Sozialpartnern bis hin zu den Bauern, mit Kirchenvertretern und Spitzenbeamten. Wiens Bürgermeister Michael Häuplhat Van der Bellen schon im Wahlkampf unterstützt, auch die Gesprächsbasis zu Niederösterreichs Landeshauptmann Erwin Pröll ist "ausgezeichnet", heißt es in Van der Bellens Umgebung.

Zweck der Bemühungen des angehenden Staatsoberhaupts: "Van der Bellen ist beseelt davon, den Schützengraben, wo ständig Interessen aufeinander prallen, zu durchbrechen. Er lotet aus, wie man da und dort etwas neu aufsetzen kann. Er will eine neue politische Kultur, einen respektvollen Umgang miteinander erreichen", sagt sein Wahlkampfleiter und Vertrauter, Lothar Lockl.

Van der Bellens Bemühungen sind in den Chefetagen der Koalition gern gesehen. Die Regierungsspitzen erwarten sich durch den professoralen Ex-Grünen neue Impulse und ein moderneres Image für die immer währende Koalition. Sollte dieser Kultur-Transfer gelingen, könnte das Faktum, dass Van der Bellen als erster Bundespräsident nicht aus dem rot-schwarzen System kommt, zum Vorteil werden.

Spannend wird die Außenpolitik. Bundespräsident und Außenminister sollten im Idealfall die gleiche Linie vertreten – also wird man sich wohl auch auf eine Haltung gegenüber so manch anti-demokratischen Retro-Demagogen in Süd- und Osteuropa einigen müssen. Wie Außenminister Sebastian Kurz dem neuen Staatsoberhaupt beispielsweise die Vorzüge eines Victor Orban auseinander setzen wird, darauf darf man neugierig sein.

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