Urlaub im Funkloch - Bin dann mal offline
Zwei von drei Handynutzern checken ihr Smartphone laufend, obwohl es weder läutet noch vibriert. Knapp 90 Mal am Tag schauen wir auf den Bildschirm, behaupten Studienautoren. Das artet in einen Stress aus, den sich immer mehr Menschen immer weniger antun wollen. Sie suchen den Aus-Knopf – zumindest im Urlaub. Sprich: Ein Funkloch, in dem kein neues Mail im Posteingang und keine Pushnachricht am Display aufpoppt.
„Digital Detox wird in der Hotellerie zum Thema“, sagt Thomas Reisenzahn von der Prodinger Tourismusberatung. Einfach den Stecker ziehen, reiche aber nicht aus. „Es braucht die Begleitung von einem Coach, schließlich haben wir es mit einem Suchtverhalten zu tun.“ Der Mensch als Dienstleister tritt also wieder auf die Bühne – ganz wie in alten Zeiten. Prodinger berät gerade ein Digital-Detox-Hotel-Projekt in Süddeutschland mit 120 Zimmern, das heuer gebaut werden soll. „In den USA gibt es schon Digital-Detox-Camps“, erklärt der Tourismusexperte, der von einem weltweiten Trend-Thema ausgeht: „2030 werden 70 Prozent der Menschen im urbanen Bereich leben und sich aufgrund der Hektik dort nach einem digitalfreien Urlaub sehnen.“ Schon jetzt sieht er in vielen Bereichen eine Rückkehr zum Analogen: „Es gibt Jugendliche, die lieber ein Klapphandy als ein Smartphone haben und wieder mit einer Polaroidkamera fotografieren wollen. Das wäre vor ein paar Jahren undenkbar gewesen.“
Diese Gegenbewegung hat Florian Kaps schon 2014 erkannt und in Wien das Supersense eröffnet. Vereinfacht gesagt ein Lokal mit angeschlossenem Laden. Das Besondere daran: Alles ist analog. Gäste tippen Nachrichten auf alten Schreibmaschinen und verpacken selbige als Flaschenpost – ein Apparat zum Verkorken der Flasche steht parat. Selbermachen lautet die Devise – ein Trend, den auch Thomas Berger von Schwan-Stabilo beobachtet. Seine Stifte sind gefragt wie lange nicht mehr. Obwohl sie im digitalen Zeitalter im Grunde obsolet sind wie Moleskine-Kalender und Notizhefte (die ebenso ein Revival erleben). Nach den Malbüchern für Erwachsene sind jetzt sogenannte Bullet Journals „in“, eine Art Tagebuch mit To-do-Listen und Kalendereinträgen, die jeder für sich selbst gestaltet.
Ungeschönte Welt
Wer lieber singt als malt, ist im Supersense richtig. Hier kann man analoge Platten aufnehmen – frei nach dem Motto: Was liegt, das pickt. Nachbearbeitung ausgeschlossen. Eine Herausforderung, die Künstler wieder suchen – etwa die Fantastischen Vier, die hier ein Album aufgenommen haben.
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