Ultimatum geplatzt – Koalition ringt weiter um Plan B

Bundeskanzler Christian Kern
Seit Mittwoch verhandelt die Regierungsspitze über ein neues Arbeitsprogramm. Ein Abschluss ist vorerst nicht in Sicht, sogar seine Israel-Reise hat Bundeskanzler Kern abgesagt.

Streiten sich SPÖ und ÖVP noch einmal zusammen? Gelingt der wirklich allerletzte Neustart der Koalition? Oder laufen gar nur Scheinverhandlungen, wie Steiermarks Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer der SPÖ öffentlich unterstellt?

Noch sind diese Fragen nicht wirklich zu beantworten. Arg durcheinandergeraten ist jedenfalls der koalitionäre Zeitplan. Und de facto geplatzt ist damit auch das Ultimatum, das Bundeskanzler Christian Kern der ÖVP am Dienstag gestellt hat.

Bis Freitag wolle er Ergebnisse sehen, sonst brauche es diese Regierung nicht mehr, richtete der SPÖ-Chef seinem Koalitionspartner wenig diplomatisch aus.

Und dann wurde am Mittwoch verhandelt, es wurde am Donnerstag verhandelt und es wurde am Freitag verhandelt – bis Kern am Nachmittag seine für Sonntag geplante Israel-Reise absagte, um notfalls das ganze Wochenende weiterreden zu können.

Für heute, Samstag, sind die nächsten, wahrscheinlich letzten Verhandlungsrunden angesetzt. Beispielsweise ist das zentrale Kapitel Sicherheit noch nicht endgültig unter Dach und Fach.

Die rote Interpretation des Gezerres lautet: Der Druck des Ultimatums von Kern habe sich voll bezahlt gemacht. Wegen der schwierigen Detail-Verhandlungen werde die Präsentation des Endergebnisses eventuell erst am Montag möglich sein.

Die schwarze Lesart: Man sei sehr sehr weit. Kern ziehe die Verhandlungen quasi absichtlich in die Länge, um eine zweite "CETA-Legende" aufzubauen. Auch beim Freihandelsabkommen habe er sich für seine Nachverhandlungen selbst gelobt, wiewohl nur längst Fixiertes "nachverhandelt" worden sei.

Das Match über die Interpretationshoheit ist symptomatisch für den Zustand der Koalition. Symptomatisch für ihren Zustand und die mangelnde Unterstützung in den eigenen Reihen ist aber auch, dass die Querschüsse beginnen, noch ehe die Verhandlungen tatsächlich zu Ende sind.

Werbung für Rot-Blau

Sollte man sich mit der ÖVP auf wesentliche Punkte nicht einigen können, sei es wohl besser sich andere Mehrheiten im Parlament zu suchen, richtete etwa Burgenlands Landeshauptmann Hans Niessl aus. Eine pannonische Werbeeinschaltung für Rot-Blau? Niessl ausweichend: "Im Burgenland wird keine Partei ausgeschlossen."

Von den üblichen "Auf und Abs" bei Verhandlungen, berichtet lieber SP-Klubchef Andreas Schieder. Es dauere eben, denn man könne sich nicht mit Überschriften zufriedengeben, sondern müsse konkret werden und 2017 zum "Jahr der Umsetzung" machen, sagte Schieder.

Für eine möglichst reibungslose Umsetzung des neuen Koalitionsplans ließen sowohl die Roten als auch die Schwarzen ihre ärgsten Giftpfeile im Köcher: Die Maschinensteuer, die Erbschafts- und Vermögenssteuer, all das war bis Freitagabend nicht auf dem Verhandlungstisch. Ebenso wenig forderte die ÖVP eine Pensionsreform. Das Mehrheitswahlrecht, das Kern als "Schlussstein" im Plan A vorsieht, ist vorerst kein Thema, weil es dafür im Parlament keine Zweidrittelmehrheit gibt.

Mögliche Neuwahl-Gelüste haben die Sozialpartner gedämpft, Weiterarbeiten ist angesagt. Mitterlehner sieht sich bereits auf der "Zielgeraden". Dass dabei ein "New Deal" herauskommt – im Sinne des erhofften Rucks, der durchs Land geht – bezweifeln viele.

Aber, auch das stimmt: Es dürfte am Ende ein relativ umfangreiches Gesamtpaket von der Bildung über die Sicherheit und Integration bis zur Arbeit und Wirtschaft stehen, das viel Detailarbeit für die nächsten Monate beinhaltet.

Mitentscheidend für Erfolg oder Misserfolg halten Beobachter, was Rot und Schwarz dem jeweiligen Visavis trotz aller Taktiererei an herzeigbarem Ergebnis vergönnen. Wie groß das Misstrauen also wirklich ist.

Dem Vernehmen nach hat Außenminister Sebastian Kurz beispielsweise sein Kopftuchverbot im öffentlichen Dienst durchgebracht. Bestätigt wird dies freilich nicht. Die ÖVP könnte umgekehrt der Forderung von Kern nach einer Beschäftigungsgarantie für ältere Langzeitarbeitslose zustimmen. Das hieße, über den eigenen Schatten springen, denn dieser Schritt alleine kostet eine Milliarde Euro – und ist prominenter Inhalt von Kerns Plan A.

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