Überwachungspaket: "Jeder, der ein Handy hat, ist betroffen"

Überwachungspaket: "Jeder, der ein Handy hat, ist betroffen"
Das von der Regierung vorgelegte Überwachungs- bzw. Sicherheitspaket hat im Parlament die Ausschuss-Hürden genommen.

Mit Stimmen der Koalitionsfraktionen ÖVP und FPÖ wurden am Donnerstag die jeweiligen Gesetzesmaterien zum von der Regierung vorgelegten Überwachungs- bzw. Sicherheitspaket im Innen- sowie im Justizausschuss abgesegnet. Die Opposition übte wie schon zuvor scharfe Kritik.

 

Experten Hearing Sicherheitspaket SPÖ Neos Pilz

.

Nachdem die Regierungsparteien es ablehnten, Experten zu dem Thema in einem öffentlichen Hearing sprechen zu lassen, hatte die Opposition ihre Experten kurzerhand in ein Kaffeehaus eingeladen, um dort vor Medienvertretern zu sprechen. Und ihr Appell war deutlich: Das Gesetzespaket sollte nicht in Kraft treten, sonst werde "aus dem Rechtsstaat langsam ein Polizeistaat".

Die ÖVP kann die Kritik der Opposition nicht nachvollziehen, das Expertenhearing außerhalb des Parlaments sei "lediglich Show" gewesen, meint Sicherheitssprecher Werner Amon: "Das zeigt, dass es der Opposition nicht um inhaltliche Auseinandersetzung geht, sondern darum, eine Show abzuziehen. Das ist bei so einem wichtigen Thema enttäuschend.“

Nachdem die Regierungsparteien nicht zu dem Termin im Cafe geladen waren, habe es auch keine Möglichkeit gegeben, auf die Argumente einzugehen - „die man locker entkräften hätte können“, so Amon. Nur eben unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Laut Amon habe es zu dem Thema "ohnehin viel Öffentlichkeit“ gegeben. Auch sei einiges aus den zahlreichen Stellungnahmen schon aus der letzten Gesetzgebungsperiode eingearbeitet worden.

Hält das vor dem Höchstgericht?

Die zum öffentlichen Termin geladenen Expertinnen gehen davon aus, dass der Verfassungsgerichtshof (VfGH) Bestimmungen aus dem Paket aufheben könnte. Noch sei aber unklar, welche Anträge gestellt werden, zumal man etwa beim Bundestrojaner erst die Umsetzung abwarten müsse, erklärte die Juristin Angelika Adensamer von epicenter.works, eingeladen von der Liste Pilz.

"Wenn Justizminister Josef Moser und Innenminister Herbert Kickl sagen, sie wollen keine Massenüberwachung, dann ist das schlichtweg falsch", sagte sie und warnte generell vor den „wahrscheinlich massivsten“ Verschärfungen von Überwachungsbefugnissen in der Zweiten Republik. Sie sieht eine Reihe von Grundrechten betroffen: das Recht auf Achtung der Privatsphäre, den Datenschutz, das Briefgeheimnis, das Fernmeldegeheimnis, das Recht auf ein faires Verfahren und das Recht auf Eigentum.

Adensamer gab weiters zu bedenken, dass Rechtsschutz in Demokratien zentral sei und dieser etwa bei der Straßenüberwachung nicht vorgesehen sei. Wichtig wäre auch eine Evaluierung der aktuellen Überwachungsbefugnisse vor Einführung neuer Maßnahmen. Adensamer monierte auch, dass außer der finanziellen jede Wirkungsfolgenabschätzung im Entwurf fehle und „Quick Freeze“ eine neue Form der Vorratsdatenspeicherung sei.

"Auf staatliches Hacken verzichten"

Constanze Kurz vom „ Chaos Computer Club“ wurde von den Neos als Expertin geladen, ihr Appell lautete: „Auf staatliches Hacken verzichten“, denn beim Bundestrojaner sei unklar, mit welchen Vertragspartnern der Staat zusammenarbeitet. Die Software könnte über den Schwarzmarkt oder in Zusammenarbeit mit Diktatoren beschafft werden.

Kurz verwies auch auf die Abhängigkeit vieler Staaten vom Anbieter Microsoft und auf den fehlenden Einblick in Quellcodes. Anstatt nun den „sinnvollen Weg“ zu gehen und Sicherheitslücken zu schließen, sollen diese für den Trojaner genutzt werden. Dieser könne auch „sehr viel mehr als erlaubt“, warnte Kurz.

"San wir wo ang'rennt?"

Der von der SPÖ geladene Anwalt Ewald Scheucher gab am Beispiel Bundestrojaner zu bedenken, dass jede Maßnahme die Erweiterung bereits „in sich hat“ und meinte: „San wir wo an'grennt? Wie können wir solche Dinge zulassen?“ Jedes Sicherheitssystem könne geknackt werden: „Bösewichte, Terroristen und kriminelle Organisationen halten sich nicht an Gesetze.“

Scheucher warnte auch vor der „still und leise“ stattfindenden Aufhebung des Briefgeheimnisses. Gleichzeitig fehlt es ihm an Bestimmungen im Falle des Missbrauchs: „Um Waffengleichheit herzustellen, muss es strenge Strafen geben“, forderte der Anwalt hohe Geld- oder Gefängnisstrafen. Die Frage, ob die Regelungen vor dem VfGH halten, ist für Scheucher dabei zweitrangig. Man müsse sich viel eher die Grundsatzfrage stellen: „Wollen wir den Super-Staat?“

"Tätlicher Angriff auf Grundrechte"

SPÖ-Abgeordnete Angela Lueger fürchtet „gravierende Eingriffe in die Rechte jedes einzelnen“ und verwies darauf, dass die FPÖ das Paket in der letzten Gesetzgebungsperiode noch als „Stasi-Akt“ bezeichnet habe, es jetzt aber positiv bewerte. „Als geeinte Opposition fordern wir Offenheit und Transparenz“, das übliche parlamentarische Prozedere soll eingehalten werden, forderte Lueger weiter. Die Regierungsvorlage trage nicht dazu bei, die allgemeine Sicherheitslage zu verbessern, gab sie zu bedenken.

Auch Nikolaus Scherak (NEOS) ärgerte sich und bezeichnete die Vorgänge als „Sauerei“. Experten würden vor allem drei Dinge kritisieren, nannte er den Bundestrojaner - „an Absurdität nicht zu überbieten“ -, „Quick freeze“ - „ansatzlose Massenüberwachung“ und die Videoüberwachung im öffentlichen Bereich als Beispiele. Scherak ortet einen „tätlichen Angriff“ auf die Freiheits- und Grundrechte der Bürger und warnt vor dem Missbrauchspotenzial. Dass etwa mit der Videoüberwachung umfassende Bewegungsprofile erstellt werden können, sei „beängstigend und höchstgradig problematisch“.

Die Vorgangsweise der Regierungsparteien sei „skandalös“, zeigte sich Alma Zadic (Liste Pilz) ebenfalls verärgert: „Es wird versucht, das Gesetz durchzupeitschen“, dabei sei jeder von potenzieller Überwachung betroffen.

Die Liste Pilz verwies gegenüber der APA außerdem auf ihren Entschließungsantrag, über den im heutigen Innenausschuss abgestimmt werde. Darin wird unter anderem die Evaluierung der bestehenden Überwachungsbefugnisse vor neuen Maßnahmen gefordert. Gegebenenfalls sollte es zu Aufhebungen kommen. Weiters sollten künftige Befugnisse mit einem Ablaufdatum versehen werden.

 

Kommentare