Türkische Hacker sind zu mieten

Logo in rot, ein Löwe mit Stern und einem Halbmond mit Flügeln, darunter die Buchstaben A. N.T
Botnet-Besitzer nutzt Angriffe gegen Österreich als Werbefeldzug für sein Internet-Unternehmen.

Die seit Monaten laufenden Web-Angriffe einer angeblichen türkischen "Cyberarmee" entpuppen sich bei genauerem Hinsehen als Werbeauftritt eines durchgeknallten Internet-Unternehmers.

Es sieht bedrohlich aus. Selbsternannte "Löwensoldaten" (Aslan Neferler Tim) erklärten Außenminister Sebastian Kurz zum "Feind", und attackieren mit Cyberangriffen wahllos Ziele in Österreich. Nicht nur der Flughafen Wien, auch das Parlament, Verteidigungs- und Außenministerium wurden attackiert. Die Angriffsziele reichen von einer Handelsakademie in Oberösterreich bis zur kleinen Feuerwehr in einem Gebirgsort in der Steiermark auf 800 m Seehöhe.

Angriffsnetz

Auf ihrer elektronischen Visitenkarte, die sie auf den angegriffenen Computern hinterlassen, präsentieren die Neferlers aber auch unübersehbar den Namen jenes Botnets, das für den Angriff verwendet wurde. Das ist ungewöhnlich. Denn Botnets sind illegal, niemand präsentiert freiwillig seine "Tatwaffe".

In diesem Fall ist es aber offenbar die volle Absicht des Betreibers. Denn wenn man sich für dieses Botnet interessiert, stößt man auf Osman "Ozzy" A. in Bowling Green im US-Bundesstaat Kentucky. Der türkischstämmige Internet-Unternehmer, der auch familiäre Wurzeln in Aserbeidschan hat, hat im Jahr 2012 in Bowling Green ein Haus gekauft und ein Unternehmen gegründet. Er tritt aber auch für eine türkische Internetfirma auf. Deren Firmensitz befindet sich in einem heruntergekommenen Betonkomplex im Bahnhofsviertel der Stadt Kayseri in der Türkei.

Eigentlich bietet der Mann ganz legales Webhosting an. Man kann sich von ihm etwa eine Homepage einrichten lassen.

So nebenbei ist es ihm aber gelungen, 600 Computer in 150 Ländern ohne Wissen der Eigentümer mit Schadsoftware zu infizieren und solcherart unter Kontrolle zu bringen – das nennt man ien Botnet. Eine Einsatzmöglichkeit sind DDoS-Attacken (Distributed Denial of Service DDoS). Dabei senden alle infizierten Computer gleichzeitig eine Menge sinnloser eMails auf den angegriffenen Server, und legen ihn dadurch lahm.

Tiefstpreisgarantie

Ozzys Netz mit seinen 600 Computern ist vergleichsweise klein. Dafür ist es aber günstig. "Cheap, cheap, cheap" (billig), lautet sein Schlachtruf. Er bietet die billigsten Webseiten an, und eine DDOS-Attacke gibt es als besonderes Zuckerl gratis dazu – ganz ungeniert und in aller Öffentlichkeit.

Mit anderen Worten: Wer eine Homepage einrichten und gleichzeitig eine Regierung angreifen will, oder nur den Computer des Nachbarn oder der Ex-Frau, der sollte zu Ozzy mit seiner Tiefstpreisgarantie gehen.

Der wirtschaftliche Erfolg ist schwer abzuschätzen. Ozzy hat sich erst vor wenigen Tagen stolz im Internet vor einem neu gekauften Cabrio präsentiert. Und sein Haus in Bowling Green hat immerhin einen Immobilienwert von 257.000 US-Dollar. Im Grundbuch ist Ozzy als Tarlan A. eingetragen, was auch sein richtiger Name sein dürfte.

Fangemeinde

Ozzy hat sich mit seinen Aktivitäten eine zweifelhafte Facebook-Fangemeinde aufgebaut. Die meisten Fans hat er in der Türkei, gefolgt von Türken in Deutschland – auf Platz 3 kommt aber bereits Österreich. Es handelt sich dabei um meist sehr unscheinbare Personen, aber alle mit türkischem Migrationshintergrund. Etwa eine junge Frau aus Bruck an der Leitha, die Musik liebt – oder ein Dekorateur aus Wien. Ein Friseurlehrling aus Wien fährt hauptsächlich auf Golf-GTI ab. Etwas politischer ist da schon wieder ein Hauptschüler aus Wien, der sich so nebenbei auch für den Bürgerkrieg in Syrien interessiert.

Die Gemeinsamkeiten der Protagonisten reduzieren sich auf Allah – Islam – Erdogan. Durch übertriebene Radikalität fallen sie aber nicht auf, islamistische Einflüsse sind gar nicht erkennbar.

Medienbeobachtung

Diese Neferler-Szene ist bei den Hacker-Angriffen nur Zuschauer, und somit für den Verfassungsschutz nur am Rande interessant. Einzig und allein bleibt den Sympathisanten die Medienbeobachtung. So hat beispielsweise ein Wiener Bäcker einen für ihn offenbar bedeutsamen Erfolg gelandet, weil er das Foto einer Print-Geschichte über einen Neferler-Angriff nach Ankara schickte, das dann tatsächlich auf der Neferler-Facebook-Seite veröffentlicht wurde.

Ein heißer Tipp für den Verfassungsschutz wäre aber zumindest ein Neferler-Sympathisant, der auf einem deutschen Flughafen für Flugzeug und Gepäckabfertigung zuständig ist. Vorher war er laut eigenen Angaben Gepäck- und Vorfeldbeauftragter auf einem anderen Flughafen.

Österreich kann auf vorübergehende Entspannung hoffen. Denn derzeit diskutiert auch die österreichische Neferler-Szene die Vorgänge in den Niederlanden. Bejubelt werden angebliche 82 Angriffe in Amsterdam und 83 in Rotterdam.

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