Türkis-grünes Kabinett fast fix: Regierung derzeit 44,6 Jahre jung
Tröpferlweise wurden in den vergangenen Tagen neue Namen für die türkis-grüne Regierung publik – und langsam fügt sich ein Bild zusammen: Noch nie war eine Bundesregierung in Österreich so jung und so weiblich. Der Altersschnitt liegt bei den insgesamt 14 Ministern, die aktuell fix sind oder als fix gelten, bei 44,6 Jahren. Der Jüngste steht an der Spitze: Kanzler Sebastian Kurz, 33.
Die Frauen sind in der Überzahl: In der türkis-grünen Regierung wird es acht Ministerinnen geben.
Unter den zehn Personen auf türkiser Seite sind sechs Frauen: Karoline Edtstadler (Europa), Elisabeth Köstinger (Landwirtschaft), Margarete Schramböck (Wirtschaft), Klaudia Tanner (Verteidigung), Susanne Raab (Verteidigung) und die 36-jährige Christine Aschbacher (Arbeit und Familie).
Der Altersschnitt bei der ÖVP liegt bei 43 Jahren; der kolportierte Bildungsminister Heinz Faßmann treibt ihn mit seinen 64 Jahren in die Höhe.
Bei den Grünen gibt es ebenfalls einen jungen Neuzugang: Am Dienstag wurde Alma Zadić (35) als Fixstarterin für das Justizressort bestätigt. Die zweite Frau in der grünen Ministerriege ist Leonore Gewessler (Klima).
Sollten die Grünen noch ein Staatssekretariat zu den bisher vier Ministerien bekommen, müsste dieses mit einer Frau besetzt werden: Ein Verhältnis von mindestens 50:50 ist laut grünen Statuten Pflicht. Die ÖVP hat übrigens bereits jetzt 60:40 – zugunsten der Frauen.
Gernot Blümel
... ist als Finanzminister fix gesetzt. Der langjährige Vertraute von ÖVP-Chef Sebastian Kurz war bisher Kanzleramtsminister mit den Zuständigkeiten Europa, Kunst und Medien, jetzt übernimmt er die finanziellen Geschicke der Republik. Der studierte Philosoph, der sich in sozialen Medien auch schon Ovid-lesend inszeniert hat, ist auch Chef der Wiener Landespartei. Als solcher wird der 38-Jährige im Herbst 2020 wohl auch in die Wien-Wahl ziehen.
Karl Nehammer
... wird Innenminister - das war der ÖVP nach der Ära Kickl ein Anliegen. Der Niederösterreicher führte den Wahlkampf von Kurz als dessen Parteimanager, als ÖVP-Generalsekretär hat er sich mit seinem polternden Stil einen Namen gemacht. Karriere machte er zuvor im ÖAAB. Geeignet wäre er auch für das Verteidigungsressort: Nach dem Präsenzdienst war er einige Jahre Berufssoldat und brachte es zum Leutnant.
Klaudia Tanner
... wird als erste Frau die Landesverteidigung übernehmen. Die niederösterreichische Landtagsabgeordnete und dortige Bauernbund-Chefin diente schon im Kabinett von Innenminister Ernst Strasser (ÖVP); schon 2017 galt sie als Anwärterin auf den Job, der dann aber der FPÖ zufiel. Mit ihrem neuen Ressort hatte die Juristin bisher nicht gerade viel Kontakt. Im Landtag befasste sie sich schwerpunktmäßig mit Themen wie Kultur, Verfassung und Gesundheit.
Karoline Edtstadler
... wird Kanzleramtsministerin und zuständig für Europa-Angelegenheiten. Die Juristin war unter Türkis-Blau Staatssekretärin im von Herbert Kickl (FPÖ) geführten Innenministerium, bevor sie für die Türkisen nach Brüssel zog - bei der EU-Wahl wurde sie Othmar Karas als Listenzweite an die Seite gestellt. Die Leitung der türkisen Delegation im EU-Parlament gibt die 38-Jährige jetzt wohl wieder ab.
Elisabeth Köstinger
... wird als Landwirtschaftsministerin verlängert. Auch sie zählt zum engsten Zirkel von Sebastian Kurz, die Materie kennt sie von Kind auf: Sie stammt aus einer Lavanttaler Landwirts-Familie, ist dementsprechend Bauernbündlerin. Neun Jahre saß die 41-Jährige für die ÖVP im EU-Parlament, bevor Kurz sie nach Wien zurückholte.
Margarete Schramböck
... wird wieder Wirtschaftsministerin. Die frühere A1-Chefin war schon 2017 als Überraschungskandidatin präsentiert worden, die gebürtige Tirolerin gilt zudem als Vertraute der niederösterreichischen Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner.
Heinz Faßmann
... ist als Bildungsminister zurückgeholt worden. Der 64-Jährige war schon unter Türkis-Blau für diese Bereiche zuständig, davor war er einer der liebsten Bildungs- und Migrationsexperten von Sebastian Kurz. Fassmann, ein gebürtiger Deutscher, hat Geografie und Wirtschafts- und Sozialkunde studiert und war vor seinem politischen Engagement Vizerektor der Uni Wien.
Susanne Raab
... wird Chefin eines neu geschaffenen Integrationsministeriums und außerdem für Frauenagenden zuständig sein. Die 34-jährige Oberösterreicherin ist derzeit Leiterin der Integrationssektion im Außenministerium, bei den Regierungsverhandlungen saß sie mit am Tisch für die ÖVP. Mit ihrem Chef ist sie inhaltlich konform: Sie war etwa für die Ausarbeitung des Islamgesetzes mitverantwortlich, arbeitete beim Burkaverbot und an der Integrationsinitiative "Integration durch Leistung" mit.
Christine Aschbacher
Neu im Kabinett Kurz: Christine Aschbacher wird Arbeits- und Familienministerin. Die 36 Jahre alte Unternehmerin aus der Steiermark war schon von 2012 bis 2015 im Finanz- und Wirtschaftsministerium tätig, sie gilt als Expertin für die Themen Fach- und Schlüsselarbeitskräfte, Standortpolitik und Innovationsmanagement.Sie bekommt Agenden, die dem grünen Sozialministerium entzogen werden - etwa den wichtigen Bereich des Arbeitsmarkts, also das AMS.
Alexander Schallenberg
Alexander Schallenberg bleibt auf dem ÖVP-Ticket Außenminister. Er ist damit der einzige, der den Weg von der Übergangsregierung in das Kabinett Kurz gefunden hat. Schallenberg, ein Karrierediplomat, kam schon vor 20 Jahren ins Außenamt, war Pressesprecher mehrere Minister. Internationalität liegt ihm im Blut: 1969 in Bern als Sohn des Botschafters geboren, wuchs er in Indien, Spanien und Frankreich auf.
Werner Kogler
Vizekanzler Werner Kogler bekommt dieselben Aufgaben übernimmt wie sein Vorgänger Heinz-Christian Strache - und zwar Sport und die Beamten. Hinzu kommt Kunst und Kultur. Kogler, ein gebürtiger Steirer, ist ein grünes Urgestein; der 58-Jährige hat die Partei nach dem Rauswurf aus dem Nationalrat wieder in lichte Höhen geführt. Seine Leidenschaft sind aber die Zahlen: Er ist Volkswirt und war lange Budgetsprecher der Grünen.
Leonore Gewessler
Bereits bestätigt: Ex-Global 2000-Geschäftsführerin Leonore Gewessler ist als Umwelt-, Verkehrs- und Energieministerin gesetzt. Die Politikwissenschafterin und Umweltaktivistin war lange Zeit Geschäftsführerin bei Global 2000, bevor sie für die Grünen auf dem zweiten Listenplatz hinter Kogler kandidierte. Die 42-Jährige, die aus Graz stammt, war auch eine der zentralen Regierungsverhandlerinnen der Ökopartei.
Alma Zadic
Ebenfalls fix: Das Justizministerium wird die Wirtschaftsanwältin Alma Zadic für die Grünen übernehmen. Die gebürtige Bosnierin saß in der letzten Periode noch für die Liste Pilz im Nationalrat, da machte sie im BVT-U-Ausschuss eine gute Figur. Jetzt zu den Grünen gewechselt, hat Zadic jedenfalls gute Qualifikationen für das Amt: Die 35-Jährige hat eine Musterkarriere hinter sich - nach der Schule im 10. Wiener Gemeindebezirk studierte sie in New York und Mailand bis hin zum Doktortitel Jus, war später bei der International Organisation of Migration und beim Haager Kriegsverbrecher-Tribunal aktiv.
Rudolf Anschober
Der Oberösterreicher Rudolf Anschober wird Sozialminister. Der 59-Jährige hat Erfahrung im Regieren mit der ÖVP: In seinem Heimatland währte die schwarz-grüne Partnerschaft zwölf Jahre lang. Seit den 1980ern ist der gelernte Volksschullehrer politisch aktiv, zuletzt machte er sich mit seinem Engagement für ein Bleiberecht für Asylwerber in Lehre einen Namen.
Ulrike Lunacek
Die ehemalige EU-Parlamentarierin Ulrike Lunacek zog für die Grünen als Spitzenkandidatin in den Nationaratswahlkampf 2017. Dabei flogen die Grünen kurzzeitig aus dem Parlament, Lunacek zog sich aus der Politik zurück. Nun feiert sie ihr Comeback: In der neuen Regierung wird sie Staatssekretärin für Kunst und Kultur im Ministerium von Werner Kogler.
Magnus Brunner
Fix ist auch, dass Magnus Brunner (ÖVP) aus Vorarlberg Umwelt-Staatssekretär der künftigen Regierung wird. Der 47-Jährige ist seit 2009 Mitglied des Bundesrats, seit 2018 ist er Vizepräsident des Gremiums. Seine erste politische Erfahrung sammelte er als Büroleiter von Vorarlbergs Landeshauptmann Herbert Sausgruber. Der promovierte Jurist ist Experte im Energiesektor und hat in den vergangenen Jahren etwa am neuen Ökostromgesetz, mitgewirkt.
Sebastian Kurz
Wer fehlt? Der Kanzler natürlich. Sebastian Kurz beschreitet mit seiner Koalition mit den Grünen neue Wege. Neu im Kabinett Kurz II ist, dass die Medienagenden nunmehr direkt im Kanzleramt angesiedelt sind. Kurz' langjähriger Sprecher Gerald Fleischmann wird "Kanzlerbeauftragter für Medienfragen".
Und das sind die beiden Ministerinnen unter 40, die am Dienstag bestätigt wurden:
Alma Zadic: Aufstieg einer Abtrünnigen zur Ministerin
Im Gegensatz zu ihm selbst, scherzte Sebastian Kurz einmal im Parlament, hat seine frühere Studienkollegin Alma Zadić etwas erreicht: Ein abgeschlossenes Jus-Studium.
Die Karriere der künftigen Justizministerin ist in vielerlei Hinsicht bemerkenswert. Die junge, in Bosnien geborene Wirtschaftsanwältin startete bei der Liste Pilz, wo sie zunächst als Kollegin von Peter Pilz im BVT-U-Ausschuss fungierte. Mit cleveren, sachlichen Nachfragen gab sie aber rasch ein besseres Bild ab als ihr Lehrmeister.
Vor der Wahl verließ sie das sinkende Schiff und wechselte zu den Grünen. Dass ihr die Liste-Jetzt-Phase niemand nachträgt, liegt daran, dass Zadić als Person rasch überzeugen konnte.
In den Koalitionsverhandlungen betrauten die Grünen ihre Zuzüglerin mit einer führenden Rolle, und dort schwärmen sogar türkise Verhandler von ihr: „Sie ist stark im Thema und stellt das Verbindende über das Trennende.“
Gerade im Justizressort, das von Konflikten und chronischer Budgetnot geplagt ist, werden diese Eigenschaften gefragt sein.
Aschbacher soll Familie und Beruf vereinbar machen
Sebastian Kurz löst mit der Bestellung drei Herausforderungen. Erstens: Die steirische ÖVP ist nun auch in der Regierung. Der gestärkte Hermann Schützenhöfer hätte es sich nicht gefallen lassen, dass Niederösterreich mehrere Minister stellt und die Steirer keinen.
Zweitens ist der Frauenanteil über 50 Prozent. Drittens: Die Kritik, die Arbeitsagenden der Wirtschaftsministerin zu unterstellen, geht damit ins Leere. Aschbacher soll diese gemeinsam mit den Familienthemen übernehmen.
Damit warten harte Brocken wie der Ausbau der Kinderbetreuung, Arbeitszeitgesetze und die steigende Arbeitslosigkeit auf die 36-Jährige. Auch wenn sie nicht aus dem Innersten der steirischen VP kommt: Schützenhöfer kennt Aschbacher seit ihrer Kindheit, ihr Vater war sein Stellvertreter als Chef der JVP Steiermark.
Sie arbeitete in den Teams von Reinhold Mitterlehner im Wirtschafts- und Maria Fekter im Finanzministerium und war zuletzt mit eigener Firma in der Beratung tätig.
Als Mutter von drei Kindern ist ihr das Thema Vereinbarkeit von Beruf und Familie bekannt.
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