Vranitzky-Mann übernimmt Schlüsselposition in Koalition

Thomas Drozda mit seinem damaligen Chef, Kanzler Franz Vranitzky: Sechs Jahre Berufsalltag im Kanzleramt hat Drozda seinem neuen Chef voraus.
Ökonom & Kulturmanager Thomas Drozda muss "System Faymann" aufräumen.

Thomas Drozda kommt eine Schlüsselrolle in der frisch renovierten Bundesregierung zu. Drozda wird die Regierungs-Koordinierung, die Kultur und die Medien in seinem Zuständigkeitsbereich haben. Obwohl dies exakt die Agenden seines Vorgängers sind, wäre es unfair, Drozda mit Josef Ostermayer zu vergleichen.

Während Werner Faymann keinen Schritt ohne Ostermayer machte, und die Austria Presse Agentur etwas despektierlich behauptet, Ostermayer sei "Faymanns Hirn" gewesen, ist der neue Kanzler Christian Kern auf eine derart weitreichende Stützfunktion nicht angewiesen.

Koalitions-Scharnier

Etwas hat Drozda dem quer einsteigenden neuen Kanzler dennoch voraus: Er war schon sechs Jahre im Kanzleramt tätig. Er kennt das Haus am Ballhausplatz, dessen Gepflogenheiten und weiß, wie der Regierungsalltag aussieht. Drozda hat von 1993 bis 1999 bei den Kanzlern Franz Vranitzky und Viktor Klima als wirtschaftspolitischer Referent gearbeitet. Diese Erfahrung wird Drozda nun in die "Koordinierung" einbringen. Er wird an der Seite von SPÖ-Klubobmann Andreas Schieder gemeinsam mit den beiden ÖVP-Gegenüber, Staatssekretär Harald Mahrer und Klubobmann Reinhold Lopatka, das Scharnier der Koalition bilden. Drozda gehört somit zu den sechs wichtigsten Politikern der Regierung, über deren Schreibtische alle Projekte laufen (Kern, Vizekanzler Reinhold Mitterlehner und die vier "Koordinierer").

Verfilzung Medien & Politik

Vranitzky-Mann übernimmt Schlüsselposition in Koalition
Eine Schlüsselrolle kommt Drozda auch als Medienminister zu, steht doch das System Faymann für einen Tiefpunkt in der Verfilzung zwischen Politik und Medien. Wegen des vielen Steuergelds, das in die Boulevardmedien geschaufelt wurde, um liebedienerische Berichterstattung zu erkaufen, ist Österreich zuletzt sogar im internationalen Ranking der Pressefreiheit zurückgefallen. Zu einer sauberen Rollenteilung zwischen Exekutive und vierter Gewalt zurückzukehren, wird zu den wichtigeren Aufgaben des neuen Medienministers gehören.

Als ehemaliger ORF-Stiftungsrat hat Drozda Medienerfahrung gesammelt. Seine Tätigkeit im ORF-Aufsichtsgremium fand ein jähes Ende. Der Hintergrund war ein Zerwürfnis mit Werner Faymann. 2011 hatte der Medienmanager Gerhard Zeiler öffentlich Interesse bekundet, sich um den Chefposten im ORF zu bewerben. Drozda hatte damals gemeint, wenn ein Kapazunder mit einer derartigen internationalen Karriere sich für den ORF interessiere, müsse ein verantwortlicher Stiftungsrat darüber nachdenken. Faymann hingegen wollte sich keine Konkurrenz nach Hause holen, indem er Zeiler zum ORF-Chef machte – angesichts der aktuellen Ereignisse hatte Faymann machtpolitisch durchaus Weitsicht bewiesen. Drozdas Abberufung aus dem Stiftungsrat sei eine Folge dieser Meinungsverschiedenheit gewesen, erzählen Eingeweihte.

Kultur-Manager

Sehr viel Erfahrung bringt Drozda für den Kulturbereich mit. Nach seiner Tätigkeit im Bundeskanzleramt wurde der studierte Betriebs- und Volkswirt kaufmännischer Geschäftsführer des Burgtheaters. Seit 2008 ist er Generaldirektor der Vereinigten Bühnen Wien, zu denen das Theater an der Wien, das Raimund Theater und das Ronacher gehören (lesen Sie mehr über Drozda als neuer Kulturminister im Kulturteil auf Seite 23).

Politisch hat sich Thoams Drozda in den vergangenen fünfzehn Jahren kaum geäußert, auch als Kulturmanager hat er sich eher im Hintergrund gehalten. Seine Interviews waren stets sehr sachbezogen.

Polit-Kommentare auf Twitter

In den sozialen Medien platzierte er in letzter Zeit allerdings einige politische Kommentare. So gratulierte er dem Falter für die Aufdeckungsarbeit bei den Panama Papers oder einem KURIER-Leitartikel, der die Talentevernichtung in SPÖ und ÖVP anprangerte.

Am 24. April, dem Tag des Bundespräsidenten-Wahldesasters, als der SPÖ-Kandidat nur elf Prozent erreichte, twitterte Drozda: "Das gleiche Desaster ist 2018 möglich, und es hätte auch im Herbst in Wien so kommen können. Häupl hat’s damals im Alleingang verhindert." Er ermunterte ÖBB-Aufsichtsratspräsidentin Gitti Ederer nach ihrer ersten Rücktrittsaufforderung an Faymanns Adresse via Twitter: "Gitti Ederer hat völlig recht, Durchhalteparolen werden nix bessern. Gorbatschow: Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben."

Thomas Drozda, geboren am 24. Juli 1965 in Kematen an der Krems (Oberösterreich). Verheiratet mit Isabella, keine Kinder. Studium der Betriebs- und Volkswirtschaft in Linz.

1991 Geschäftsführer beim roten „Trotzdem-Verlag“. Wechsel in die Nationalbank. 1993 wirtschaftspolitischer Berater von Kanzler Franz Vranitzky, ab 1996 – auch unter Viktor Klima – zusätzlich Berater für Kultur. 2007–2014 ORF-Stiftungsrat. 1998–2008 Geschäftsführer im Burgtheater, seit 2008 Generaldirektor der Vereinigten Bühnen Wien.

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