Behandlung per Videoschaltung: Ärzte und Kasse streiten über Telemedizin

Woman using laptop and having video call with her doctor while sitting at home.
Studie zeigt, in welchen Fächern Telemedizin bereits jetzt im Einsatz ist.

Die Digitalisierung der Gesundheitsversorgung hat sich die Bundesregierung auf die Fahnen geschrieben. Wie berichtet, hat die ÖGK kürzlich eine Ausschreibung für eine bundesweite telemedizinische Versorgung gestartet. Per Videoschaltung konsultiert dabei der Patient einen Arzt, der ihm Handlungsanleitungen gibt, Rezepte und Überweisungen ausstellt.

Skeptisch ist allerdings die Wiener Ärztekammer, die neue Strukturen in diesem Bereich für überflüssig hält: „In Österreich ist die Telemedizin längst fixer Bestandteil der Gesundheitsversorgung, und seit der Pandemie ist sie auch stark in das öffentliche Bewusstsein gerückt“, betont Kammerpräsident Johannes Steinhart.

Das will die Kammer mit Zahlen belegen: „In der Psychiatrie etwa liegt der Anteil telemedizinischer Leistungen bei 31,5 Prozent, in der Inneren Medizin bei 9,8 Prozent, in der Gynäkologie bei 8,6 Prozent und in der Kinder- und Jugendpsychiatrie bei 8,2 Prozent. Auch in der Allgemeinmedizin, Dermatologie, Neurologie oder Pädiatrie wird Telemedizin genutzt – jeweils im Bereich von fünf bis acht Prozent“, rechnet Steinhart vor.

Österreich mit Aufholbedarf

Im internationalen Vergleich stünde Österreich aber noch sehr schlecht da, wie eine aktuelle Studie zeige, in der mehr als 5.000 Hausarztpraxen in 38 europäischen Ländern untersucht wurden. Demnach liege die Nutzung von Videosprechstunden in Großbritannien, Skandinavien und Luxemburg bei knapp über 80 %, in Österreich hingegen unter 25 Prozent.

Laut Studienautorin Kathryn Hoffmann von der MedUni Wien funktioniere Telemedizin nur dort gut, wo die Vertrauensärzte der Patienten in nationale Digitalstrategien eingebunden wurden.

Genau dies sieht man bei den Plänen der ÖGK nicht gegeben, die, wie berichtet, als Betreiber einen Partner sucht, der die nötigen Ärzte zur Verfügung stellt. „Unter dem Schlagwort Digitalisierung erleben wir den Versuch, zentrale Parallelstrukturen zu etablieren, an den Ärztinnen und Ärzten vorbei, ohne Systemintegration, dafür mit kommerziellem Antrieb“, sagt Naghme Kamaleyan-Schmied, Vizepräsidentin der Wiener Ärztekammer. „Statt neue Strukturen am Reißbrett zu entwerfen, sollten wir bewährte Modelle wie den Ärztefunkdienst weiterentwickeln.“

ÖGK verteidigt Projekt

Bei der ÖGK verteidigt man das eigene telemedizinische Projekt, das zuletzt ausgeschrieben wurde: „Ziel ist es, Versicherten einen einfachen, sicheren und raschen Zugang zu medizinischer Erstberatung durch Allgemeinmediziner*innen via Videotelefonie zu ermöglichen“, heißt es in einer Aussendung. Das Angebot richte sich insbesondere an Personen mit leichten Beschwerden, bei denen eine erste ärztliche Einschätzung ohne unmittelbaren physischen Kontakt möglich und sinnvoll sei.

Wobei man bei der ÖGK betont: „Die virtuelle Krankenbehandlung folgt klar definierten medizinischen Leitlinien, ersetzt keine persönliche Untersuchung, wenn diese medizinisch notwendig ist.“

Kritik an Ärztekammer

Am jüngsten Vorgehen der Ärztekammer übt sie scharfe Kritik: „Gerade in Zeiten knapper personeller Ressourcen und steigender Anforderungen im Gesundheitswesen sind moderne, durchdachte Lösungen gefragt."

Umso weniger sei es für die ÖGK nachvollziehbar, "dass sowohl die Ärztekammer für Wien als auch die Ärztekammer für die Steiermark durch eine rechtliche Anfechtung die Ausschreibung blockieren oder zumindest verzögern wollen“.

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