Termin Beim Videoarzt: Krankenkasse will Telemedizin-Projekt starten

Telemedizin
Mit einem bundesweiten Projekt sollen unnötige Arzt- und Ambulanzbesuche verringert werden. Aus der Ärztekammer kommt Widerstand.

Vor wenigen Tagen hat die Österreichische Gesundheitskasse (ÖGK) eine Ausschreibung gestartet, an deren Ende eine für Österreich noch recht neuartige Form der Patientenversorgung stehen soll: Telemedizin.

Das heißt: Via Videoschaltung kontaktiert der Patient einen Allgemeinmediziner für eine medizinische Erstberatung bei Beschwerden, die sich ohne direkte körperliche Untersuchung beurteilen lassen. „Damit kann sich der Patient Wege in eine Ordination oder in eine Spitalsambulanz ersparen“, sagt Bernhard Wurzer, Generaldirektor der ÖGK.

Probleme, die sich per Videokonsultation lösen ließen, gebe es viele, wie bereits bestehende internationale Projekte zeigen würden. Etwa in der Dermatologie, wo der Online-Arzt Hautveränderungen – vom Ausschlag bis zum Insektenstich – begutachten könne.

Auch die Rezepte und Überweisungen sollen über diese Schiene ausgestellt werden können, so Wurzer. Als Einstiegsportal für dieses Service, das nicht nur ÖGK-Versicherten offenstehen soll, wird die Gesundheitshotline 1450 dienen. Auch mit den Ländern habe man sich abgestimmt, um unnötige Parallelstrukturen zu vermeiden.

In einem ersten Ausbauschritt werden Vollzeitäquivalente für sieben bis zehn Ärzte für die telemedizinische Beratung gesucht.

„Aktuell sind wir mit der Ausschreibung auf der Suche nach einem Partner, der uns die nötige Zahl an Medizinern zur Verfügung stellen und die Beratung auch technisch bewerkstelligen kann“, so der ÖGK-Generaldirektor.

Klingt auf dem ersten Blick nach einem eher ungewöhnlichen Konstrukt, was aber Wurzer bestreitet. „Wir kaufen ja auch jetzt schon Leistungen über selbstständige Ambulatorien oder Krankenanstalten ein – etwa im Rahmen der Erstversorgungsambulanzen “, betont er.

An sich hätte die telemedizinische Beratung 2026 starten sollen. Doch daraus wird wohl nichts – ist doch über das Projekt ein erbitterter Streit ausgebrochen. Die Wiener Ärztekammer hat beim Bundesverwaltungsgericht sogar einen Nachprüfungsantrag zur Ausschreibung eingebracht.

Kammer-Sorgen

Seitens der Kammer befürchtet man, die telemedizinische Beratung könne in die Hand von kommerziellen Anbietern gelangen, die vor allem wirtschaftliche Interessen verfolgen.

Dabei stehe mit dem Ärztefunkdienst in Wien, über den die ärztliche Versorgung in der Nacht und den Wochenenden organisiert wird, ein bewährtes System für solche Anwendungsgebiete zur Verfügung. „Er zeigt, wie Telemedizin in der Praxis funktionieren kann, wenn sie in ärztlicher Hand bleibt“, so kürzlich Naghme Kamaleyan-Schmied, Vizepräsidentin der Wiener Kammer.

„Wir sind keineswegs gegen die Telemedizin“, betont sie gegenüber dem KURIER. Videokonsultationen seien auch jetzt schon üblich – allerdings in der Regel nur beim Hausarzt, der den Patienten schon seit Längerem und damit auch seine medizinische Vorgeschichte kenne.

Anders hingegen die Situation bei dem von der ÖGK geplanten Modell, wo der Patient auf einen ihn unbekannten Arzt treffe. Hier bestehe die Gefahr, dass etwa bei Krankschreibungen dahinterliegende Grunderkrankungen nicht ausreichend berücksichtigt werden – was zum Nachteil sein könne.

Sie bezweifelt zudem, dass es in der Praxis überhaupt viele Anwendungsgebiete für das geplante ÖGK-System gibt, die nicht über die bestehenden Systeme wie eben den Ärztefunkdienst bearbeitet werden können. „Gerade in Zeiten, in denen wenig Geld zur Verfügung steht, ist es problematisch, wenn hier Parallelstrukturen aufgebaut werden, deren Effizienz fraglich ist“, so die Kammer-Funktionärin. Beworben hat sich die Kammer mit dem Ärztefunkdienst bei der Ausschreibung allerdings dennoch.

Für Wurzer ist der Nachprüfungsantrag der Ärztekammer hingegen nur „Verzögerungstaktik“, die ihn an den einstigen Widerstand der Standesvertreter gegen die eCard, ELGA und die Primärversorgungseinheiten erinnern würde, die heute niemand mehr infrage stelle.

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