Doch wie dramatisch ist die Lage tatsächlich? Drohen am Ende angesichts des Finanzlochs gar massive Einschnitte bei der Versorgung der Patienten auf Krankenkassenbasis?
„Die Versorgung an sich ist gesichert“, sagt Thomas Czypionka, Gesundheitsökonom am IHS, fügt ein aber hinzu: „Infrage stehen möglicherweise die Finanzierung neuer Leistungen und die Servicequalität.“
Dass es zuletzt überhaupt zu einem derart rasanten Anstieg beim Minus kommen konnte, hat laut Experten mit einem Zusammentreffen gleich mehrerer Probleme zu tun. Ein Überblick.
- Demografie: „Mitte der 2020er-Jahre wird schlagend, dass die Generation der Babyboomer in ein Alter kommt, in dem sie vermehrt medizinische Leistungen benötigt“, sagt Czypionka. Die Folge sei ein enormes Anwachsen der Kosten.
- Migration: Auch die jüngsten Flüchtlingsströme, wie zuletzt aus der Ukraine, würden sich belastend auf das System auswirken, so der Experte.
- Geringere Hürden: Ein Detailaspekt hat noch mit der Pandemie zu tun, wie Czypionka betont: Damals sei für viele Leistungen die Chefarzt-Pflicht abgeschafft worden. In etlichen Fällen sei diese Maßnahme aber nicht zurückgenommen worden.
- Einnahmen: Die aktuelle Wirtschaftskrise und die steigende Arbeitslosigkeit führen dazu, dass ausgerechnet in einer Phase wachsender Ausgaben die Einnahmen der ÖGK sinken.
Angesichts eines ÖGK-Gesamtbudgets von 21 Milliarden Euro ist ein Defizit von 906 Millionen Euro vielleicht nicht ganz so dramatisch, wie es auf den ersten Blick wirkt. Dennoch müssten jetzt Maßnahmen ergriffen werden, betont Czypionka. „Es gibt noch Reserven im System, die man heben kann.“
„Hier wäre es notwendig, die Patienten-Lenkung zu verbessern“
Damit meint er weniger Ineffizienzen innerhalb der ÖGK selbst, deren Ausgaben für Verwaltung vergleichsweise moderat seien. Vielmehr gehe es um jene im Gesundheitssystem. Beispielsweise Koordinierungsprobleme zwischen Spitälern und den niedergelassenen Ärzten, die unter anderem zu unnötigen Mehrfach-Untersuchungen führen. „Hier wäre es notwendig, die Patienten-Lenkung zu verbessern“, betont der Experte.
Bei der ÖGK selbst ist man um Beruhigung bemüht, was die Situation der Patienten betrifft. Schließlich sei man verpflichtet, die Versorgung der Versicherten sicherzustellen. Soll heißen: Im Notfall müsste der Bund (oder die Länder) auch die nötigen Mittel bereitstellen, um sie aufrechtzuerhalten.
Jedenfalls werde es dringend erforderlich sein, sich mit der nächsten Regierung umgehend zusammenzusetzen, um Wege aus der Finanz-Misere festzulegen, heißt es bei der ÖGK.
ÖGK will sparen
Gleichzeitig will man intern sparen, wie der neue Co-Obmann Peter McDonald betont. „Wir werden künftig mehr Controller und Ökonomen brauchen und weniger Juristen“. Auch Investitionen etwa im Baubereich sollen aufgeschoben werden. Die „Koste-es-was-es-wolle“-Zeit der letzten Jahre sei vorbei.
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