Die leere Krankenkasse: Wie groß ist die Gefahr?

Close up stethoscope and doctor talking the patient at clinic while using the tablet explaining the patient condition and the treatment result.
Die ÖGK verzeichnet laut Prognose 2025 ein Minus von 906 Millionen Euro. Wie konnte es so weit kommen? Und was bedeutet das für die Patienten?

Es sind beunruhigende Botschaften in einer Zeit, die ohnehin eher arm an erfreulichen Nachrichten ist: Diesmal geht es um das Gesundheitssystem: „Auch die Österreichische Gesundheitskasse (ÖGK, Anm.) kann in Konkurs gehen“, warnte kürzlich kein Geringerer als deren Obmann Andreas Huss.

Der Anlass: Ein für 2025 prognostiziertes Minus über 800 Millionen Euro. Später musste die Vorhersage sogar noch auf 906 Millionen Euro nach oben revidiert werden. Bei der Ärztekammer schrillen die Alarmglocken. Sie fordert einen Krisengipfel.

Doch wie dramatisch ist die Lage tatsächlich? Drohen am Ende angesichts des Finanzlochs gar massive Einschnitte bei der Versorgung der Patienten auf Krankenkassenbasis?

„Die Versorgung an sich ist gesichert“, sagt Thomas Czypionka, Gesundheitsökonom am IHS, fügt ein aber hinzu: „Infrage stehen möglicherweise die Finanzierung neuer Leistungen und die Servicequalität.“

Dass es zuletzt überhaupt zu einem derart rasanten Anstieg beim Minus kommen konnte, hat laut Experten mit einem Zusammentreffen gleich mehrerer Probleme zu tun. Ein Überblick.

  • Demografie: „Mitte der 2020er-Jahre wird schlagend, dass die Generation der Babyboomer in ein Alter kommt, in dem sie vermehrt medizinische Leistungen benötigt“, sagt Czypionka. Die Folge sei ein enormes Anwachsen der Kosten.
  • Migration: Auch die jüngsten Flüchtlingsströme, wie zuletzt aus der Ukraine, würden sich belastend auf das System auswirken, so der Experte.
  • Geringere Hürden: Ein Detailaspekt hat noch mit der Pandemie zu tun, wie Czypionka betont: Damals sei für viele Leistungen die Chefarzt-Pflicht abgeschafft worden. In etlichen Fällen sei diese Maßnahme aber nicht zurückgenommen worden.
  • Verlagerung: Die Politik ist seit einigen Jahren bestrebt, Leistungen so gut es geht von den Spitälern in den niedergelassenen Bereich zu verlagern, was an sich aus Effizienz-Gründen sinnvoll ist. Allerdings ist die Umschichtung mit höheren Ausgaben für die ÖGK verbunden, wie man dort betont.
  • Honorare: Gleichzeitig pochen auch die Ärzte-Vertreter naturgemäß auf höhere Honorare, was gerade aktuell wieder zu zähen Verhandlungen führt und die ÖGK weiter unter Druck setzt.
  • Einnahmen: Die aktuelle Wirtschaftskrise und die steigende Arbeitslosigkeit führen dazu, dass ausgerechnet in einer Phase wachsender Ausgaben die Einnahmen der ÖGK sinken.

Angesichts eines ÖGK-Gesamtbudgets von 21 Milliarden Euro ist ein Defizit von 906 Millionen Euro vielleicht nicht ganz so dramatisch, wie es auf den ersten Blick wirkt. Dennoch müssten jetzt Maßnahmen ergriffen werden, betont Czypionka. „Es gibt noch Reserven im System, die man heben kann.“

„Hier wäre es notwendig, die Patienten-Lenkung zu verbessern“

Damit meint er weniger Ineffizienzen innerhalb der ÖGK selbst, deren Ausgaben für Verwaltung vergleichsweise moderat seien. Vielmehr gehe es um jene im Gesundheitssystem. Beispielsweise Koordinierungsprobleme zwischen Spitälern und den niedergelassenen Ärzten, die unter anderem zu unnötigen Mehrfach-Untersuchungen führen. „Hier wäre es notwendig, die Patienten-Lenkung zu verbessern“, betont der Experte.

Bei der ÖGK selbst ist man um Beruhigung bemüht, was die Situation der Patienten betrifft. Schließlich sei man verpflichtet, die Versorgung der Versicherten sicherzustellen. Soll heißen: Im Notfall müsste der Bund (oder die Länder) auch die nötigen Mittel bereitstellen, um sie aufrechtzuerhalten.

Jedenfalls werde es dringend erforderlich sein, sich mit der nächsten Regierung umgehend zusammenzusetzen, um Wege aus der Finanz-Misere festzulegen, heißt es bei der ÖGK.

ÖGK will sparen

Gleichzeitig will man intern sparen, wie der neue Co-Obmann Peter McDonald betont. „Wir werden künftig mehr Controller und Ökonomen brauchen und weniger Juristen“. Auch Investitionen etwa im Baubereich sollen aufgeschoben werden. Die „Koste-es-was-es-wolle“-Zeit der letzten Jahre sei vorbei.

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