Streit um Österreichs Krankenkassen: Zentral oder doch lieber regional?

ÖSTERREICHISCHE GESUNDHEITSKASSE / ÖGK
Die Kassen-Fusion war laut Expertin Maria Hofmarcher grundsätzlich richtig, allerdings fehlte ein klares Konzept .

Arm an Kuriositäten ist die Debatte um die Zukunft des heimischen Gesundheitssystems beileibe nicht. Dennoch schafften es die jüngsten Beiträge, noch einmal hervorzustechen: Mit Tirols Landeshauptmann Anton Mattle räumte ausgerechnet ein ÖVP-Politiker ein, dass die unter Türkis-Blau erfolgte Kassenzusammenlegung ein Fehler gewesen sei. Er wolle sie zwar nicht rückgängig machen, plädiert aber für wieder mehr regionale Strukturen.

Als möglichen Hintergrund für solche Vorstöße orten Kenner des Systems die aktuellen Verhandlungen um einen bundesweit einheitlichen Leistungskatalog für Kassen-Behandlungen. Dagegen formiert sich vor allem in den westlichen Ländern Widerstand, weil die dortigen Ärzte Nachteile befürchten.

Doch hat Mattle mit seiner Kritik an der Kassenzusammenlegung recht? Die Ökonomin Maria Hofmarcher zieht im KURIER-Gespräch eine zwiespältige Bilanz.

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Ökonomin Maria Hofmarcher.

„Gerade in einem so kleinen Land wie Österreich ist es grundsätzlich sinnvoll, auf zentralisierte Strukturen zu setzen, weil sich damit Aufgaben und Ausgaben im System wesentlich besser steuern lassen“, ist sie überzeugt.

Das Problem sei aber, dass die damalige Reform auf halbem Wege stecken geblieben sei: Statt neun Länder-Gebietskrankenkassen gebe es jetzt nur noch die ÖGK, diese würde aber in den Verhandlungen weiterhin neun Länder-Ärztekammern gegenüber stehen.

Ziellos

Was aber laut der Expertin noch viel schwerer wiege: Als man die Kassenfusion angegangen sei, habe sich niemand Gedanken darüber gemacht, welche Versorgungsziele man damit überhaupt erreichen wolle. „Insofern vermisse ich die Vorteile, die die Zusammenlegung grundsätzlich haben sollte.“

Ebenso, dass sich die aktuelle Debatte rein um die ÖGK drehe. „Kleine Kassen wie die SVS haben deutlich höhere Verwaltungsausgaben als die ÖGK – was natürlich auch mit der Verwaltung der dort üblichen Selbstbehalte zu tun hat. Sie sind aber auch bei den ambulanten Ausgaben teurer als die ÖGK“, so die Expertin. Wobei grundsätzlich zu hinterfragen sei, ob eine Organisation der Krankenversicherungen nach Berufsgruppen sinnvoll sei.

Um das System effizient und gerechter zu machen, sei auf alle Fälle ein Ausbau der Versorgung im niedergelassenen Kassenbereich nötig. Im Gegenzug müssten die Spitalskapazitäten zurückgefahren werden.

Erste Ansätze in diese Richtung gebe es bereits mit der Etablierung der Primärversorgungseinheiten, die Entwicklung müsse aber noch weitergehen.

Finanzierung

Rund um die aktuelle Reformdebatte hat Andreas Huss, Obmann der schwer defizitären ÖGK, zuletzt erneut mehr Mittel gefordert, um den Ausbau der niedergelassenen Kassen-Versorgung voranzutreiben und die boomende Privatmedizin wieder zurückzudrängen. Um auf ein ähnliches Niveau wie etwa Deutschland zu kommen, müsse der Krankenversicherungsbeitrag von 7,65 auf 9,5 Prozent vom Monatsbrutto-Einkommen angehoben werden, ist er überzeugt.

Laut Hofmarcher seien zuletzt schon neue Mittel ins System geflossen. Etwa die jährlich zusätzlichen 300 Mio. Euro im Zuge des jüngsten Finanzausgleichs, sowie die Erhöhung der Krankenversicherungsbeiträge bei den Pensionisten, die allein im verbleibenden Jahr rund 366 Mio. einbringen soll.

Enormes Potenzial ortet die Expertin bei der Eintreibung von Beitragsschulden der Betriebe. „Mich grämt, dass hier nicht konsequenter vorgegangen wird.“

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