Teenager mit Kinderkrankheiten

Das Kindergeld feiert heuer 10. Geburtstag. Einige Varianten weisen Tücken auf.

Melanie S. hatte sich die Zeit nach der Geburt ihrer Tochter anders vorgestellt: Geplant war, jene Kindergeld-Variante in Anspruch zu nehmen, die am letzten Gehalt anknüpft. „Ich habe mich im Vorfeld genau erkundigt und den Antrag gestellt. Aber die Gebietskrankenkasse lehnte ab.“ Der Fall ist komplex: Wer einkommensabhängiges Kindergeld bekommen will, muss sechs Monate vor dem Mutterschutz gearbeitet haben. Hier kamen Krankenstandstage dazu – für die Kasse Grund zur Ablehnung.

Gar nichts

Die Sache ist trotzdem strittig. Deshalb hat die junge Mutter mithilfe der Arbeiterkammer (AK) geklagt. Folge: „Jetzt bekomme ich bis zum Urteil gar nichts, nicht einmal eine der Pauschal-Varianten. Könnte ich mich bei meinem Mann nicht mitversichern, hätte ich gar keine Krankenversicherung. Wir leben jetzt vom Ersparten.“

Zehn Jahre ist das Kindergeld, das das Karenzgeld abgelöst hat, heuer alt. Aus einem Modell im Jahr 2002 wurden fünf – viele Gesetzesänderungen inklusive. So soll möglichst allen gedient sein. Jenen, die kurz und jenen, die lange zu Hause bleiben wollen. Auch die Väterbeteiligung soll das
Kindergeld fördern. Herbert Humpelstetter von der Kindergeld-Beratungsstelle der Wiener Gebietskasse berichtet von einer steigenden Flut an Mails und Anrufen. Sein Befund: „Das System ist sehr kompliziert.“

Teenager mit Kinderkrankheiten

Problemfall Konkurs

Die AK kennt aus der Beratung gewisse Tücken. Expertin Helga Hess-Knapp: „Probleme gibt es vor allem beim einkommensabhängigen Kindergeld wegen der nötigen sechs Monate Erwerbstätigkeit vor der Schutzfrist. Geht die Firma in der Zeit in Konkurs, gibt es keinen Anspruch.“ Ein weiteres Problem betreffe die Wahl des Modells: Ist das Antragsformular einmal ausgefüllt, kann die Wahl nicht mehr geändert werden. Und: Was viele selbst im zehnten Jahr Kindergeld nicht wissen: Kindergeld zu beziehen, heißt nicht, dass auch die arbeitsrechtlich geschützte Karenzzeit genauso lang ist. Die gilt nämlich – auch bei der längsten Variante – nur für 24 Monate.

Korrekturen

Was heikle Fälle angeht, kündigt Wirtschafts- und Familienminister Reinhold Mitterlehner (ÖVP) gegenüber dem KURIER Korrekturen bei Klagen sowie falscher Wahl des Modells an. Bei Erstem soll es 1000 Euro pro Monat bis zum Urteil geben, bei zweitem eine Frist für eine Änderung.
Den 10. Geburtstag des Kindergeldes feiert der katholische Familienverband am Montag mit einer Festveranstaltung – samt Torte. Für Präsident Alfred Trendl ist der Umstand, dass es das Kindergeld gibt, „großartig“. Die unterschiedlichen Modelle kämen den Bedürfnissen von Familien entgegen. Und: „Es ist ein großes Element, um Armut zu vermeiden. Das haben viele Studien gezeigt.“

Es sei aber wichtig, das System „zu warten“, um Härten zu vermeiden – vor allem, den Wert zu sichern. Trendl: „Das Kindergeld wurde seit seiner Einführung nicht valorisiert. Es ist heute um ein Viertel weniger wert. Die neue Parteienförderung wurde dafür per Gesetz wertgesichert. Das ist eine Gemeinheit.“

Das System „warten“ wollen auch die zuständigen Minister – der eine weniger, die andere mehr: Studien attestierten dem Status quo große Zufriedenheit der Bezieherinnen, doch sei man „für Vereinfachungen und Verbesserungen offen“, heißt es aus dem Büro Mitterlehner.

Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ) nimmt das Jubiläum zu folgendem Anlass: „Nach zehn Jahren wäre es an der Zeit, an einen Umbau des Systems zu denken, etwa an die Reduzierung der Varianten bei gleichzeitigem Ausbau der Kinderbetreuungseinrichtungen. So schaut moderne Familienpolitik für das 21. Jahrhundert aus.“

Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek bemüht sich wieder, Männer für die Kinderbetreuung zu begeistern. 2015 soll, geht es nach der Ministerin, ein Fünftel der Väter in Karenz gehen. Aktuell sind im Durchschnitt quer durch alle Kindergeld-Varianten knapp fünf Prozent der Bezieher männlich. Erreichen will man diese Steigerung durch die Fortsetzung der 2010 gelaufenen Informationskampagne "Echte Männer gehen in Karenz", sagte Heinisch-Hosek am Montag.

Österreich sei im internationalen Vergleich bei der Väterquote in der Karenz immer noch im unteren Durchschnitt, erklärte die Ministerin. Am häufigsten werden hierzulande die Kurzvarianten von zwei bis vier Monaten in Anspruch genommen (elf Prozent bei einjähriger Pauschale, 9 Prozent bei einkommensabhängiger Variante). Eine Spitzenposition nimmt wie so oft Skandinavien ein, wo 89 Prozent der Väter eine berufliche Auszeit für die Kinderbetreuung nehmen. Aber auch in Deutschland geht mittlerweile ein Viertel (26 Prozent) der Väter in Karenz.

"Traut euch, liebe Väter, geht in Karenz", appelliert Heinisch-Hosek.

Die Ministerin sei der "tiefen Überzeugung", dass alle - Männer, Frauen und Kinder - etwas davon hätten. "Auch die Wirtschaft profitiert", betonte Heinisch-Hosek, die aber noch viel Skepsis bei den Unternehmen, vor allem bei Klein- und Mittelbetrieben, ortete. Einmal mehr forderte sie einen Papa-Monat auch in der Privatwirtschaft.

Nach der ersten "Echte Männer gehen in Karenz"-Kampagne im Jahr 2010 sei die Zahl der männlichen Kindergeldbezieher gestiegen, mittlerweile habe es aber wieder einen kleinen Einbruch gegeben, wurde bedauert. Mit der Fortsetzung der Kampagne und einer Informationsoffensive gemeinsam mit der Arbeiterkammer im kommenden Jahr will man den Trend nun wieder umkehren. "Karenz-Mentoren" sollen Interessierten außerdem via www.maennerinkarenz.at Rede und Antwort stehen.

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