Staatsparteien unter dem Hammer
Die erste bundesweite Volksbefragung, vier Landtagswahlen und die Nationalratswahl. Polit-Poker um Landeshauptmann-Posten und eine neue Bundesregierung. Als Hintergrund-Musik Skandal-Prozesse vor Gericht und die Suche nach verspekulierten Millionen. Und als Zugabe Parlamentswahlen in den wichtigsten Nachbarländern Italien (im Februar) und Deutschland (im September): 2013 wird politisch fürwahr nicht langweilig.
Wenn die SPÖ die Wehrpflichtbefragung am 20. Jänner verliert – wonach es laut Umfragen aussieht – könnte das einen Wechsel im Verteidigungsministerium und, wegen der vermurksten Kampagne, auch in der Parteizentrale zur Folge haben. Es gibt Anzeichen, wonach Norbert Darabos Wahlkampfleiter für die Nationalratswahl werden und Bundesgeschäftsführer Günther Kräuter in die Volksanwaltschaft wechseln könnte. Als möglicher Anwärter für das Verteidigungsressort wird Josef Ostermayer gehandelt, was den charmanten Nebeneffekt hätte, ein Staatssekretariat einzusparen, meint ein Spitzen-SPÖler.
Besonders spannend wird der 3. März mit den Landtagswahlen in Niederösterreich und Kärnten. Da wird sich erstmals zeigen, wie viel die neue Partei Frank Stronachs am Wählermarkt wirklich wert ist. Derzeit gibt es ja noch kein Wahlergebnis, um abzugleichen, ob die Werte für das „Team Stronach“ in den Umfragen richtig gemessen werden.
Für Niederösterreichs Landeshauptmann Erwin Pröll hat der Salzburger Finanzskandal einen unerwarteten Kollateralschaden verursacht. Plötzlich gerieten Verluste bei der Veranlagung von Wohnbaugeldern in den Fokus und wurden auch in Niederösterreich zum Wahlkampfthema. Das und die abtrünnigen Sprösslinge schwarzer Parteiprominenz – Karin Prokop und Ernest Gabmann – verleihen Stronach jenen Rückenwind, der sein Team wohl in den St. Pöltener Landtag wehen wird. Mit fünf Parteien im Landtag kann es für Prölls absolute Mehrheit eng werden – trotz Fünf-Prozent-Polster (Grafik).
In Kärnten wiederum sind bis zu sechs Parteien im Landtag zu erwarten und ein heftiges Gezerre um Koalitionen und Landeshauptmann-Sessel. Die einzige arithmetisch mögliche Zweier-Koalition – Rot-Blau – ist politisch unwahrscheinlich, es dürfte auf eine Dreierkoalition hinaus laufen. Gerhard Dörfler (FPK) wird es als Chef des derzeitigen Skandalregimes schwer haben, einen Partner zu finden, der ihn erneut zum Landeshauptmann wählt. Chancen auf den Chefsessel rechnet sich SPÖ-Chef Peter Kaiser aus. Er könnte zumindest Teilzeit-Landeshauptmann werden, denn die ÖVP will als Pfand für eine rot-schwarz-grüne Koalition verlangen, dass ihr Spitzenkandidat Wolfgang Waldner zwei der fünf Jahre Landes-Chef sein darf.
In Tirol muss Günther Platter mit Verlusten rechnen. Der Landeshauptmann-Sessel für die ÖVP scheint zwar nicht gefährdet, aber es könnte eine Obmann-Debatte einsetzen. Die Unzufriedenheit im schwarzen Lager mit Platter ist jetzt schon so groß, dass über bürgerliche Gegenkandidaturen nachgedacht wird.
In Salzburg wiederum droht der SPÖ, dass nach dem Verschwinden Hunderter Millionen auch der Landeshauptmann-Postens weg ist, den sie mühsam vor neun Jahren erobert hatte. Sollte Gabi Burgstaller bei der Neuwahl Ende April/Anfang Mai nicht mehr antreten, droht der SPÖ ein noch größerer Absturz. Die Grünen dürfen in Salzburg auf starke Zugewinne aus dem SPÖ-Reservoir hoffen – wodurch sich eine schwarz-grüne Koalition mit Wilfried Haslauer (ÖVP) als Landeshauptmann ausgehen könnte. Die Bundes-ÖVP spekuliert in Salzburg zwar auch auf Schwarz-Blau, doch Landes-FPÖ-Chef Karl Schnell werden heftige Aversionen gegenüber der ÖVP nachgesagt.
Wenn all das im Mai über die Bühne sein wird, geht es erst richtig los: Dann kommt das große Rennen um die Macht im Bund. Jedes voran gegangene Einzelereignis in den Bundesländern für sich dürfte wohl keine große Wechselwirkung auf die Nationalratswahl haben, aber die Summe der Wahlergebnisse könnte sehr wohl die Stimmung beeinflussen: Wer hat das Sieger-Image? Wer ist auf der Verliererstraße?
Die Ausgangslagen der Parteien zu Jahresbeginn: Die SPÖ liegt bei 26 Prozent, drei Prozentpunkte schlechter als ihr historischer Tiefststand von 2008 (Grafik). Die ÖVP käme derzeit ebenfalls auf einen historischen Tiefststand von 21 bis 22 Prozent, rutscht aber – rein optisch – Dank Stronach vom dritten auf den zweiten Platz nach vorne. Stronach nimmt nämlich vor allem der Strache-FPÖ Zuwachspotenzial weg. Die FPÖ kommt derzeit auf 18 bis 19 %, Stronach auf 12 bis 13 Prozent. Die Grünen rangieren bei 13 bis 14 %, wobei sie in Umfragen in der Regel besser abschneiden als bei den Wahlen.
Weil in der Endabrechnung bis zu acht Prozent der Stimmen bei der Mandatsverteilung im Parlament nicht zählen werden (sie entfallen auf Kleinparteien, die unter der Vier-Prozent-Einzugshürde bleiben), kann sich eine SPÖ-ÖVP-Koalition auch bei einem niedrigen 48 % Stimmenanteil noch knapp ausgehen. Wäre dies schon peinlich genug für die einst „große Koalition“, würde der Verlust der gemeinsamen Regierungsmehrheit ein historisches Desaster für jene beiden Staatsparteien bedeuten, die Österreich seit dem Krieg lenken. Die Folge wäre eine komplizierte Suche nach einer Regierung zu Dritt.
Abgesehen von der zentralen Frage, ob Rot-Schwarz noch eine regierungstaugliche Mandatsmehrheit erhält, ist auch die Zwei-Drittel-Schwelle bedeutsam. Die Verfassungsmehrheit von 122 Abgeordneten ist oft für Nationalratsbeschlüsse in Zusammenhang mit EU-Materien vonnöten – und wird derzeit unter Mitwirkung der Grünen erreicht. Sollte das EU-kritische Lager aus Strache und Stronach die Drittel-Sperrminorität bekommen, steht Österreichs Rolle als verlässliches europäisches Kernland auf dem Spiel.
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