Suizidversuche im Gefängnis: Justiz listet weniger Fälle als Volksanwälte
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60 Fälle von vollendeten bzw. versuchten Suiziden gab es laut Volksanwaltschaft im Vorjahr - die Zahlen hätten sich seit 2019 fast verfünffacht, hieß es am Mittwoch, der KURIER berichtete.
Tags darauf kommt nach KURIER-Anfrage beim Justizministerium eine Korrektur: Statt der von der Volksanwaltschaft angegebenen 48 zählt man dort 22 Suizidversuche. Plus der zwölf vollendeten Suizide gab es in Summe in den österreichischen Justizanstalten im Jahr 2024 also 34 Fälle.
Der Grund für die Divergenz ist laut Ministerium, dass die Volksanwaltschaft "sämtliche Vorfälle" anführt. Eine Fachgruppe für Suizidprävention, die 2011 im Justizministerium gegründet wurde, differenziert offenbar stärker: Gemeinsam mit dem jeweiligen psychologischen Fachdienst werde der jeweilige Vorfall mit der Insassin bzw. dem Insassen aufgearbeitet, "wobei teils festgestellt werden kann, dass tatsächlich kein Suizidversuch vorlag, sondern es sich um einen Vorfall mit anderer Zielsetzung handelte", wird erklärt.
Laut Zählweise des Justizministeriums gab es 2024 also nur 22 Versuche (statt 48), 2023 waren es 25 (statt 33). Im Jahr 2019 zählte man im Justizministerium allerdings mehr als die Volksanwaltschaft - nämlich 17 statt neun Versuche.
Abweichungen gibt es auch bei den Zahlen zu den vollendeten Suiziden. Laut Justizministerium gab es 2023 zwölf Suizide, laut Volksanwaltschaft waren es 13. Und auch hier sticht das Jahr 2019 wieder heraus: Das Justizministerium zählte neun Suizide, die Volksanwaltschaft nur vier.
Wechselhafte Statistik
Das Justizministerium verweist zudem auf die Statistik der vergangenen 23 Jahre: Die Zahlen seien seit jeher wechselhaft - sie bewegen sich laut Aufzeichnungen seit Anfang der 2000er zwischen sechs und 16 Fällen. 2023 waren es zwölf.
Blickt man noch weiter zurück, so zeige sich sogar eher ein Rückgang: Beginnend mit den 1970er-Jahren habe es einen deutlich ansteigenden Trend gegeben, mit der Jahrtausendwende aber sei eine Trendwende gelungen - durch eine ganze Reihe von Präventionsbemühungen, zu der auch Schulungen und Fortbildungen der Mitarbeiter in Justizanstalten und forensisch-therapeutischen Zentren.
Erst im Vorjahr habe die erwähnte Fachgruppe für Suizidprävention Schulungen für Nachdienstkommandanten durchgeführt. "Das Wahrnehmen von Anzeichen, das Erkennen dieser Vorfälle sowie das Setzen weiterer Schritte wurde geschult. Aufgrund dieser Sensibilisierungsmaßnahme werden Suizidversuche noch öfter als solche erkannt und entsprechend dokumentiert, was sich in den Zahlen widerspiegelt."
Hilfsangebote für Personen mit Suizidgedanken und deren Angehörige bietet das Suizidpräventionsportal des Gesundheitsministeriums. Unter www.suizid-praevention.gv.at finden sich Kontaktdaten von Hilfseinrichtungen in Österreich. Infos für Jugendliche gibt es unter www.bittelebe.at).
Psychisch kranke Rechtsbrecher
Bei der Statistik sei zu beachten, dass (anders als in Ländern wie Deutschland) auch Untergebrachte des Maßnahmenvollzugs umfasst seien - und die Gruppe der psychisch kranken Rechtsbrecher eine deutlich höhere Suizidrate aufweisen würden als Strafgefangene, wird erklärt.
Volksanwältin Gabriela Schwarz hatte in einer Aussendung am Mittwoch die "prekäre Lage" in den Justizanstalten kritisiert - fehlende Suizidprävention. "Schlechte Versorgung, erschwerte Resozialisierung und steigende Suizidzahlen sind mittlerweile leider Alltag", sagte sie da und forderte, dass mehr für Prävention getan werden müsse.
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