"Billigerer Strom" wird wohl teurer als gedacht
Euroscheine und Gerätestecker auf einer Stromrechnung.
Zusammenfassung
- Die Regierung plant eine Senkung der Elektrizitätsabgabe ab 2026, wodurch Haushalte rund 50 Euro jährlich sparen sollen.
- Für die Finanzierung der Maßnahme sind 500 Millionen Euro vorgesehen, wobei die genaue Mittelaufbringung noch nicht abschließend geklärt ist.
- Die Abgabensenkung soll die Inflation kurzfristig um 0,1 Prozentpunkte senken, mit einem späteren Anstieg nach Auslaufen der Maßnahme.
Strom soll billiger werden. Das haben die Regierungsparteien schon in ihrer ersten "Arbeitsklausur" im Frühjahr vage angekündigt. Im Sommer haben ÖVP, SPÖ und Neos schon von der "größten Energiereform seit zwei Jahrzehnten" gesprochen. So soll mitunter die Elektrizitätsabgabe gesenkt werden, das will der Nationalrat heute, Dienstag, in einer Sondersitzung beschließen. Der Finanzausschuss hat der Senkung der Elektrizitätsabgabe für 2026 bereits mehrheitlich zugestimmt.
Geplant ist, die Abgabe im nächsten Jahr von derzeit 1,5 Cent je Kilowattstunde (kWh) auf 0,82 Cent zu reduzieren. Für private Haushalte ist laut Gesetzesantrag ein Satz von 0,1 Cent je kWh vorgesehen. Für einen Haushalt bringe die Senkung der Abgabe etwa 50 Euro Ersparnis im Jahr, so SPÖ-Mandatar Kai Jan Krainer im Ö1-Morgenjournal.
Teurer als 500 Millionen Euro
500 Millionen Euro nimmt die Regierung für ihr Vorhaben laut Bundeskanzler Christian Stocker in die Hand. Kommen soll das Geld von Verbund (200 Mio.), der Bundesimmobiliengesellschaft (200 Mio.) und der ÖBAG, der Österreichischen Beteiligungs AG (100 Mio.).
Doch mit den 500 Millionen dürfte es nicht getan sein: Um die 515 Millionen Euro dürfte die Rechnung für billigeren Strom ausmachen, berichtet das Morgenjournal mit Verweis auf mehrere Quellen. Und auch die Finanzierung scheint nicht so gesichert, wie im Vorfeld angenommen. Denn die Millionen der Bundesimmobiliengesellschaft würden das Budgetdefizit erhöhen, und genau das will die Regierung aktuell ja vermeiden, Stichwort: Defizitverfahren. Deshalb würden laut Ö1 andere Finanzierungsmodelle angedacht: etwa mehr Geld vom Verbund, oder auch von der OMV. Details sind nicht bekannt.
Inflation wird sinken - und wieder steigen
Auch auf die Inflation wird sich die Senkung der Elektrizitätsabgabe auswirken: Die Teuerung dürfte im nächsten Jahr um 0,1 Prozentpunkte gedrückt werden, so IHS-Ökonom Sebastian Koch. Sobald die Senkung der Abgabe mit 1. Jänner 2027 jedoch wieder ausläuft, dürfte die Inflation wieder um eben diese 0,1 Prozentpunkte steigen.
Dessen ist man sich auch in der Regierung bewusst: "Deswegen arbeiten wir daran, dass eben ein anderer Teil der Stromrechnung nächstes Jahr so viel billiger wird, dass es insgesamt auch nicht teurer wird, sondern billiger für den einzelnen Haushalt, aber auch für Unternehmen und auch für die Industrie", so Krainer im Morgenjournal.
Regierung drängt auf Ende von Merit-Order-Prinzip
Im Vorfeld der heutigen Sondersitzung hatte die Regierung einen Brief an die EU-Kommission angekündigt, indem ein Ende des Merit-Order-Prinzips am Strommarkt gefordert werden soll. Noch immer würden nämlich fossile Energieträger den Marktpreis bestimmen, kritisierte Bundeskanzler Stocker.
In dem Brief nach Brüssel wolle man "auf die besonderen Umstände und Herausforderungen des gemeinsamen Strommarktes aufmerksam machen und auch konkrete Vorschläge unterbreiten", führte Stocker aus. Vizekanzler Babler bezeichnete das Merit-Order-Prinzip unterdessen als ein "irrsinniges Prinzip". Weil man sich nicht allein auf die Geschwindigkeit der EU verlassen könne, setze man jetzt nationale Maßnahmen um. Laut Beate Meinl-Reisinger wird man bei der EU-Kommission auch für einen "solidarischen Ausgleich" bei den Netzkosten eintreten. Österreich sei als Transitland für Strom überproportional von steigenden Netzausbaukosten betroffen.
Beim Merit-Order-Prinzip wird der Strompreis immer von der Anlage bestimmt, die zur Deckung des Strombedarfs notwendig ist. Das hat im Zuge der Energiekrise in den vergangenen Jahren dazu geführt, dass der teuer produzierte Strom aus Gaskraftwerken den gesamten Strompreis in die Höhe getrieben hat. Das Prinzip in dem Kontext auch bereits auf europäischer Ebene in Frage gestellt - am Ende aber beibehalten.
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