Doskozil und Sobotka im Streit um Flüchtlinge in Italien
Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil (SPÖ) will für Österreich eine Ausnahme aus dem EU-Umverteilungsprogramm von Flüchtlingen: "Der Innenminister ist gefordert, aufgrund der starken Belastung auf europäischer Ebene eine Ausnahmeregelung zu erwirken, damit Österreich aus dem Relocation-Programm ausgenommen wird", meinte Doskozil am Freitag.
Die Frage hatte bereits am Donnerstag für einen handfesten Streit zwischen Doskozil und ÖVP-Innenminister Wolfgang Sobotka gesorgt, die sich in der Flüchtlingsfrage sonst recht einig sind. Sobotka hat bei der derzeitigen Vorgangsweise auf den SPÖ-Kanzler verwiesen, der den Deal im EU-Rat ausgehandelt und unterzeichnet hatte.
Weiterhin illegale Migration
Doskozil spricht sich dagegen aus, dass Österreich von Italien Asylwerber übernimmt. Eigentlich hatte sich Österreich verpflichtet, 1.491 Flüchtlinge von Griechenland und 462 von Italien zu übernehmen. Bis jetzt wurde aber kein einziger Flüchtling übernommen - aber nur im Rahmen des Programms, betont man dazu im Verteidigungsministerium, denn real habe Österreich mit der Aufnahme von Flüchtlingen, die über die illegalen Routen kamen, massiv für Entlastung von Italien und Griechenland gesorgt, verweist man auf die Asyl-Antragszahlen.
Die Grundidee der Aktion gehe aufs Frühjahr 2015 zurück, seither hätten sich aber die Voraussetzungen grundsätzlich geändert, wird argumentiert. "Das Relocation-Programm ist geschaffen worden, um Länder zu entlasten, die besonders belastet sind", erklärte Doskozil. "Österreich ist im europäischen Kontext die letzten Jahre überproportional belastet gewesen, und die Belastung hält weiter an." 2015 habe Österreich mit 85.505 mehr Asyl-Erstanträge gehabt als Italien (83.245), obwohl Italien sieben Mal mehr Einwohner habe. Auch 2016 sei man mit 36.000 Erstanträgen im Verhältnis zu den Bevölkerungszahlen doppelt so hoch belastet gewesen wie Italien.
"Solange die illegale, unkontrollierte Migration weiterhin existiert, kann Österreich nicht noch zusätzliche Flüchtlinge aufnehmen", bekräftigte Doskozil. "Wir können nicht als besonders stark belastetes Land Staaten entlasten, die weniger belastet sind als wir." Innenminister Wolfgang Sobotka (ÖVP) solle im Justiz- und Innenausschuss eine Ausnahme Österreichs aus dem Relocation-Programm beantragen. Gefragt, warum die anderen Staaten darauf einsteigen sollten, verweist Doskozil auf die "überproportionale Belastung Österreichs", weshalb eine Ausnahme "mehr als gerechtfertigt" sei.
Sobotka gefordert
Auf die Frage, ob man der Argumentation folgend nicht auch dafür eintreten müsste, dass Österreich sogar Begünstigter des Programms wird, meinte Doskozil: "In einem ersten Schritt geht es uns darum, aus dem Relocation-Programm ausgenommen zu werden." Man sei aber auch bezüglich dieser Frage "gesprächsbereit".
Doskozil ist jedenfalls zuversichtlich, dass Sobotka auf seine Forderung eingehen wird: "Ich bin überzeugt, dass auch der Innenminister eine Ausnahme aus dem Programm für richtig und sinnvoll hält." Sobotka hatte sich zuletzt zwar auch nicht glücklich mit dem Programm gezeigt, aber auf den einstimmigen Regierungsbeschluss dazu verwiesen. Wenn Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) auf europäischer Ebene dreimal mitstimme und ihn klar auffordere, mit der Umsetzung zu beginnen, "dann muss ich sagen, muss es eine Haltung der österreichischen Bundesregierung geben", erklärte Sobotka im Ö1-"Morgenjournal" am Freitag.
60-jähriges EU-Jubiläum
Der Bundeskanzler reist am heutigen Freitag nach Rom, wo am Samstag die Feierlichkeiten anlässlich des 60. Jahrestags der Unterzeichnung der Römischen Verträge - dem Gründungsakt der Europäischen Gemeinschaft - stattfinden. Dass seine Forderung gerade angesichts dieses Jubiläums als Signal mangelnder Solidarität verstanden werden könnte, glaubt Doskozil nicht: "Solidarischer als Österreich war in den letzten Jahren nahezu kein anderes europäisches Land."
Mit Blick auf die Asyl-Zahlen würde der Vorwurf, Österreich würde nicht solidarisch handeln, "völlig ins Leere gehen", findet Doskozil. "Ganz im Gegenteil: Wir haben immer gezeigt, dass wir Verantwortung übernehmen, wenn's drauf ankommt."
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