Streit um AUVA-Auflösung: Die 500-Millionen-Euro-Frage

Streit um AUVA-Auflösung: Die 500-Millionen-Euro-Frage
Fakten & Mythen: Die AUVA-Mitarbeiter fürchten das Aus, die Regierung kalmiert: Was hinter dem Streit steckt.

„Eigentlich müsste Frau Hartinger Ministerin für Krankheit und Asoziales am Türschild stehen haben!“

Heinz Brenner, Ärztesprecher am Lorenz-Böhler-Krankenhaus, hat den Satz noch nicht beendet, da setzt schon Jubel ein. Um die 300 Mitarbeiter stehen vor dem Eingang des Wiener Unfallspitals, viele in weißen Kitteln; sie eint bei dieser Betriebsversammlung eines: „Die Angst um den Job“, sagt Eleonore Dobin-Gürtler, seit 25 Jahren Anästhesistin hier.

Wer hat recht?

Seit FPÖ-Gesundheitsministerin Beate Hartinger-Klein von der AUVA 500 Millionen Euro an Einsparungen verlangt und die Auflösung der AUVA in den Raum gestellt hat, gehen die Emotionen hoch: Hier, vor dem Spital, wird von „mutwilliger Zerschlagung“ (Ärztekammer-Präsident Thomas Szekeres), „Standortschließungen und Sparen am Patienten“ (AUVA-Zentralbetriebsrat Erik Lenz) gesprochen. Im Ministerium ist es genau andersrum: „Mir ist klar, dass ich angefeindet werde. Es geht um Pfründe und um Macht“, sagt Hartinger-Klein, die sich 2015 selbst als AUVA-Chefin beworben hatte und leer ausging. Stellt sich die Frage: Was ist dran – und wer hat recht?

Fakt ist: Die AUVA wird nur von den Arbeitgebern finanziert – derzeit mit 1,3 Prozent des Lohns. Diesen Beitrag will die Regierung auf 0,8 Prozent kürzen. Das entspricht einem Minus von 500 Millionen Euro – eben jener Betrag, der nun eingespart werden soll.

Kein Wunder also, dass vor allem die AUVA-Mitarbeiter das unfair finden: Eine „Wirtschaftsförderung für große Firmen“, eine „Umverteilung von Arm zu Reich“ sei das. Nur: Hintergrund der Maßnahme ist, dass die Arbeitgeber schon lange das Gefühl haben, für etwas zu bezahlen, was sie nichts angeht – etwa Freizeitunfälle: In den AUVA-Einrichtungen werden nur etwa zehn Prozent „echte“ Arbeitsunfälle behandelt, der Rest sind Freizeitunfälle.

Für die AUVA spricht, dass sie die Freizeitunfälle vom Hauptverband nur zu einem Bruchteil vergütet bekommt – weshalb sie nun argumentiert, Einsparungen seien nicht so leicht möglich.

Die nächste Hürde: Von 1,4 Milliarden Euro Budget entfallen nur 90 Millionen auf die Verwaltung. Kürzt man aber 500 Millionen, würde das der Patient spüren – „dann gibt es nur mehr starre Prothesen statt elektrische“, so Betriebsrat Manfred Rabensteiner. „Und Schließungen.“

Das wiederum verneint Hartinger-Klein: Sie gibt sogar eine „Bestandsgarantie für alle Standorte“ ab. Wie das gehen soll? Nun ja – möglich ist es, wenn die AUVA in die Zuständigkeit der Länder oder der Gebietskrankenkassen überführt wird. Da regt sich aber Widerstand – aus gutem Grund: Wiens Bürgermeister Häupl etwa spricht von hohen Mehrkosten. Grund: Die AUVA-Ärzteverdienen besser als jene in den Landesspitälern. Ihre Einkommen sind um bis zu 43 Prozent höher, so der Rechnungshof.

Recht haben also quasi beide Seiten. Eine Idee, um das Dilemma zu lösen, haben die Neos vorgelegt. Sie plädieren für das Aus der AUVA samt Selbstversicherung der Firmen. Das würde „die Hälfte der Kosten sparen“, so Abgeordneter Gerald Loacker. Allein, konkrete Zahlen dazu gibt es nicht. Hinzu kommt, dass kleine Betriebe mit hoher Unfallgefahr deutlich mehr zahlen würden als Bürojob-Firmen. Derzeit ist das ja völlig ausgeglichen.

In Summe heißt das: Der Streit um die AUVA geht weiter. Am Donnerstag gibt es die nächste Betriebsversammlung – samt Menschenkette.

(Mitarbeit: Alexander W. Huber)

Proteste der AUVA-Mitarbeiter

Kommentare