Streit mit CSU: Merkel sucht Verbündete
Da kommt sie: Mit ernster Miene und schnellem Schritt betritt Angela Merkel das Foyer im Kanzleramt, gefolgt von ihrem österreichischen Amtskollegen. Sebastian Kurz, der gestern von Israel nach Berlin reiste, war geradewegs in einen innenpolitischen Sturm geflogen. Ausgelöst hat ihn diesmal aber ein anderer: Innenminister Horst Seehofer keilt mit seiner CSU seit Tagen gegen Merkel. Es geht um die Zurückweisung von Asylwerbern an der deutschen Grenze in jene EU-Länder, wo sie zuerst mit Fingerabdruck registriert wurden, also etwa nach Italien oder Griechenland. Ein Punkt, den die wahlkämpfenden Bayern mit allen Mitteln in Seehofers „Masterplan für Migration“ sehen will. Ein Punkt, der auch Kern von Merkels humanitärer Flüchtlingspolitik ist: Sie will die Menschen nicht schon an der Grenze abweisen, man müsse zuerst überprüfen, welches Land zuständig sei, dann könne man über Rückführungen entscheiden, so ihr Credo, bei dem sie sich auf das EU-Recht bezieht.
Team Merkel?
Nicht nur deswegen kann und will sie dies nicht akzeptieren. Sie sieht auch Europa daran zerbrechen: Die Italiener, die sich ohnehin im Stich gelassen fühlen, würden dies nicht akzeptieren. Auch andere Staaten könnten in einer Kettenreaktion ihre Grenzen schließen. Am Ende stünden die südlichen Länder alleine mit den Menschen da.
Also suchte Angela Merkel für ihre Ideen zur europäischen Asylpolitik gestern den Schulterschluss mit ihrem Gast aus Österreich, was ihr angesichts der Vorgeschichte sicher nicht leicht fiel. Nicht nur, dass er sie einst für ihre liberale Politik öffentlich vorführte, er bekommt auch viel Applaus von jenen, die jetzt gegen sie sind. Davon unbeirrt, wich sie Dienstagabend nicht von ihrer Linie ab: „Was wir nicht machen sollten, ist, den Ländern, bei denen die Flüchtlinge ankommen, die Verantwortung zuzuschieben“, betonte sie ihren Kurs und strich dann die bekannten Gemeinsamkeiten mit Kurz hervor: Beide sind für einen besseren Schutz der EU-Außengrenzen. Merkel wünsche sich aber bei der Migrationspolitik eine „nachhaltige Lösung.“ Das Thema habe das Potenzial, „Europa schweren Schaden zuzufügen“. Und jeder im Raum wusste, wen sie meinte. Sie habe Horst Seehofer immer darin unterstützt, aufzuschreiben, was alles im Bereich Migration reformiert werden müsse. Nur bei einem Punkt gibt es eben Dissens, darüber werde man weiter sprechen, erklärte Merkel.
Auf die Frage, was denn Kurz von Seehofers Plänen halte, die Österreich ebenfalls stark betreffen würden, wo er sonst auch die CSU unterstütze, wich er aus. Der Kanzlerin huschte ein leichtes Grinsen übers Gesicht. Kurz erklärte, er wolle sich nicht in innerdeutsche Debatten einmischen. Tat es dann aber subtil, indem er darauf hinwies, dass seine Regierung Maßnahmen ergriffen habe, um die Zahl von Migranten zu verringern. „Entscheidend ist, dass wir beenden, dass Menschen quer durch Europa ziehen, um dann in Deutschland und Schweden einen Asylantrag zu stellen“, sagte er und wies aber ebenso daraufhin: Er wolle während der anstehenden EU-Ratspräsidentschaft auch an einer "gemeinsamen europäischen Lösung arbeiten." Merkel hörte ihm zu, nickte stellenweise. Ob sie da jetzt wirklich einen Verbündeten gefunden hat?
Fans in der CSU
Bekannt ist: der 31-jährige Kanzler hat in der CSU viele Fans, die ihn als Partner für eine harte Flüchtlingspolitik sehen. Seehofer wird sich heute ebenfalls mit Kurz treffen, während sich alle Minister beim Integrationsgipfel im Kanzleramt einfinden. Thema werden etwa Seehofers neuste Pläne sein: Er hat Italiens Innenminister Matteo Salvini von der rechten Lega nach Berlin eingeladen. Man wolle einen gemeinsamen Plan zum Schutz der europäischen Außengrenzen vorantreiben – auch das wird ein weiteres Kapitel in der Machtprobe mit Merkel sein.
Seehofer scheint derzeit alle Register zu ziehen. Sein Plan müsse „so kommen“, schreibt das Redaktionsnetzwerk Deutschland über die Strategie des CSU-Chefs. Er sei nicht bereit, „einen halben Plan mit faulen Kompromissen zu veröffentlichen“.
Seehofer unter Druck
Was zeigt, dass die Probleme tiefer sitzen. Der 68-Jährige steht intern unter Druck, endlich zu liefern. Bei seinen geplanten „Ankerzentren“, wo Asylwerber bis zur Ein- oder Ausreise interniert werden sollen, ziehen andere Bundesländer nicht recht mit. Er braucht eine Trophäe, und was würde sich besser anbieten, als seinen Wählern zu erzählen: Er würde Asylwerber noch vor den Toren Deutschlands wegschicken. So sehr ihm der Gedanke gefallen mag, er würde den Bruch der Koalition riskieren. Das wär’s dann auch für ihn gewesen: Seehofer hat weder ein Landtags- noch ein Bundestagsmandat. Das weiß Merkel – es wäre nicht der erste Sturm, der an ihr vorbeizieht.
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