Straches Solo-Auftritt bei Putins WM

Strache und Kickl mit ÖFB-Spielerin Nina Burger. Der Vizekanzler inszeniert sich gerne als Sportfan.
Blaue Bande: Während andere Länder die WM in Russland boykottieren, reist der FPÖ-Chef auch ohne Kicker hin.

Es ist der zweite September vergangenen Jahres, im City-Stadium zu Cardiff sind im entscheidenden Spiel um Österreichs WM-Teilnahme gerade 73 Minuten gespielt, als Aleksandar Dragovic einen mehr als unglücklichen Abwehrversuch unternimmt. Ben Woodburn, ein gerade erst eingewechselter 17-jähriger Nobody aus Wales, nutzt den Lapsus aus und trifft zum 1:0-Endstand– womit klar ist: Österreich wird nicht bei der WM 2018 in Russland dabei sein.

Das gilt allerdings nur für die Kicker, wie sich Monate später zeigt – denn mit FPÖ-Chef und Vizekanzler Heinz-Christian Strache wird die Republik sehr wohl offiziell in Russland vertreten sein. Strache reist, wie sein Umfeld erklärt, in seiner Funktion als Sportminister zum Eröffnungsspiel nach Moskau – im Gegensatz zu Politikern der ÖVP, wie es aus der Volkspartei heißt.

Zuschauer bei Russland gegen Saudi-Arabien

Strache, der vehement für ein Ende der Wirtschaftssanktionen der EU gegen Russland wegen der Annexion der Krim eintritt, besucht bei seiner Reise auf Einladung der russischen Regierung das Match zwischen Russland und Saudi-Arabien. Neben dem Chef der Freiheitlichen wird auch Russlands Präsident Wladimir Putin Platz in der VIP-Loge des Stadions nehmen.

Nichts Aufregendes sei das, kalmiert das Strache-Umfeld – schließlich sei er ja Sportminister und als solcher liege es nahe, auch zur WM zu fahren.

Ganz so unspektakulär ist die Sache allerdings doch nicht: Denn etliche europäische Spitzenpolitiker boykottieren die Weltmeisterschaft in Russland. So sagten etwa die Briten nach dem Giftanschlag von Salisbury sämtliche WM-Besuche von Amtsträgern ab, um ein Zeichen gegen Putins Politik zu setzen. Auch isländische Politiker sind aus Protest allenfalls via TV dabei, sollte der Kleinstaat wie bei der Euro 2016 groß aufspielen.

Breiter Boykott

Auch Frankreichs Präsident Emmanuel Macron zögerte lange, Deutschlands Kanzlerin Angela Merkel ist überhaupt noch gänzlich unentschlossen in puncto WM-Ausflug. In Berlin entwickelte sich die WM mittlerweile zum internen Unions-Zwist: Denn Innenminister Horst Seehofer erklärte jüngst, dass er trotz des Zögerns seiner Regierungschefin sehr wohl ein Deutschland-Spiel in Russland besuchen wolle. Damit nicht genug, richteten unlängst 60 EU-Abgeordnete einen Brief an Europas Spitzenpolitiker, die WM wegen Putins „anti-westlichen und autoritären“ Weges doch zu boykottieren. In etlichen Ländern toben deshalb Debatten.

Anders als Vorgänger

Nicht so in Wien, wo Putin erst diese Woche freundschaftlichst empfangen wurde (Frankreichs Rechtsaußen-Frontfrau Marine Le Pen sieht in diesem Besuch gar die „Befreiung Europas“). Da weicht man mit der Russland-Reise sogar von der Praxis vergangener Jahre ab: Denn Großereignisse, für die Österreich nicht qualifiziert ist – und dasen waren mit Ausnahme der Euro 2016 in Frankreich alle seit der Heim-EM 2008 – werden in der Regel nicht von den Sportministern besucht.

Norbert Darabos etwa reiste weder zur WM 2010 nach Südafrika noch zur (viel näher gelegenen) Europameisterschaft in Polen und der Ukraine im Jahr 2012. Sein Nachfolger, Gerald Klug, sah die Endrunde des Jahres 2014 in Brasilien ebenfalls nur im Fernsehen. „Wieso hätt’ man hinfahren sollen, wenn wir nicht dabei sind?“, kommentiert ein ehemaliger Mitarbeiter salopp.

Wem der Vizekanzler bei der WM mangels österreichischer Teilnahme die Daumen drückt, wollte man in seinem Kabinett übrigens nicht verraten.

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