400 Euro für jeden mehr, aber woher?

ÖGB-Boss Foglar freut sich über große Unterstützung für Kampagne
ÖGB und AK wollen alle Arbeitnehmer entlasten, der ÖAAB Mittelstand und Familien. Umstritten bleibt, auf wessen Kosten.

Im Finanzministerium sitzen derzeit regelmäßig Experten beisammen, um eine Steuerreform auszuarbeiten. Bis Jahresende soll das Konzept stehen. Momentan ist also der beste Zeitpunkt für Interessenvertreter, eigene Vorschläge auf den Tisch zu legen – damit diese noch von den Fachleuten im Finanzressort berücksichtigt werden (können).

Gewerkschaftsbund (ÖGB) und Arbeiterkammer (AK) haben ihr gemeinsames Modell – wie berichtet – am Dienstag in den Gremien abgesegnet und der Öffentlichkeit präsentiert. Auch der ÖAAB hat seine Ideen vorgestellt.

Die ÖGB-AK-Eckpunkte

Die zentralen Forderungen des politisch gewichtigen ÖGB-AK-Papiers sind: Der Eingangssteuersatz soll von 36,5 auf 25 Prozent gesenkt werden; Statt drei soll es sechs Tarifstufen geben (siehe Grafik). Der Höchststeuersatz soll bei 50 Prozent bleiben, aber erst ab einem Einkommen von 80.000 Euro (derzeit 60.000) greifen. Jene Arbeitnehmer, die keine Lohnsteuer zahlen, weil sie weniger als 11.000 Euro pro Jahr verdienen, sollen durch eine höhere Negativsteuer (450 statt 110 Euro jährlich) von der Reform profitieren (kann beim Lohnsteuerausgleich geltend gemacht werden). Auch Pensionisten sollen erstmals eine Steuergutschrift erhalten: 110 Euro pro Jahr.

400 Euro für jeden mehr, aber woher?

All das zu finanzieren, würde laut ÖGB und AK 5,9 Milliarden Euro kosten (zur Gegenfinanzierung: siehe unten). Zwei Milliarden davon sollen durch Vermögenssteuern aufgebracht werden: Die Arbeitnehmer-Vertreter plädieren für eine Erbschafts- und Schenkungssteuer sowie andere vermögensbezogene Steuern. Eine höhere Kapitalertrags- oder eine höhere Grundsteuer werde der ÖGB der Regierung aber nicht vorschlagen, stellte Wiens AK-Direktor Werner Muhm, der auch in der Steuerreform-Gruppe der Regierung sitzt, klar. ÖGB-Sekretär Bernhard Achitz will sich nicht festlegen, welche Vermögenssteuer er präferiert, um sich Verhandlungsspielraum mit der Politik offen zu lassen.

400 Euro für jeden mehr, aber woher?

AK-Präsident Rudolf Kaske meint, das Modell sei "fair, gerecht und bringt eine Entlastung für alle Arbeitnehmer". ÖGB-Boss Erich Foglar richtet der Regierung mit dem Verweis auf die laufende ÖGB-"Lohnsteuer-runter"-Kampagne (585.000 Unterstützer) aus, dass die Steuerreform "genau jetzt nötig und machbar" sei. Das Konzept wird auch von den Schwarzen in ÖGB und AK mitgetragen, betont Muhm.

Die ÖAAB-Ideen

Dennoch hat der ÖAAB am Dienstag eigene Vorschläge für eine Steuerreform im Ausmaß von 5,5 Milliarden vorgelegt. Statt Steuerstufen sollte es nach Ansicht des ÖVP-Arbeitnehmerbundes ein Gleittarif-Modell geben, erläutert Vize-ÖAAB-Obfrau Gabriele Tamandl. Jahreseinkommen zwischen 12.000 und 75.000 Euro sollten zwischen 1 und 43,2 Prozent besteuert werden (linear). Jene, die keine Lohnsteuer zahlen, würden vom ÖAAB keine finanziellen Zuckerln bekommen. Stärker entlastet werden sollten Familien. Einmal mehr wird ein Steuerfreibetrag von 7000 Euro pro Kind/Jahr gefordert. Ein Angestellter (2000 Euro brutto/Monat) mit zwei Kindern würde sich z.B. rund 1500 Euro jährlich ersparen. Ein Angestellter mit einem Brutto-Einkommen von 3500 Euro und einem Kind würde 3400 Euro weniger Lohnsteuer im Jahr zahlen.

400 Euro für jeden mehr, aber woher?

Die dafür nötigen Milliarden sollten rein "ausgabenseitig" hereingebracht werden, meint man im ÖAAB. Doppelgleisigkeiten bei Förderungen sollten beseitigt, eine Staatsreform angegangen werden. Vermögenssteuern lehnt der ÖAAB erwartungsgemäß ab.

ÖGB-Chef Erich Foglar verteidigt im Ö1-Morgenjournal das Steuersenkungsmodell. Es sei sehr "realistisch" und würde nachhaltig entlasten.

Die Maßnahmen müssten seriöserweise in konkreten Verhandlungen erarbeitet werden. Es soll vor allem eines nicht bewirken, dass es Wachstum hemmt, dass es zusätzliche Arbeitslose beschert und Kahlschlag in Sozialsystemen gibt, sagt Foglar. Auch zur Gegenfinanzierung äußerte er sich: Diese sei aus mehreren Bereichen geplant, beispielsweise Vermögenssteuern und Streichung von Steuerausnahmen.

Ein Volumen von drei Milliarden hatte die Steuerreform 2009. Der jetzigen Regierung schweben für die nunmehrige vier bis fünf Milliarden vor. ÖGB und Arbeiterkammer wollen mehr: sechs Milliarden.

Als viel zu hoch qualifiziert der Wirtschaftsforscher Stephan Schulmeister diesen Betrag: "Es ist nicht klug, in einer wirtschaftlichen Depression den Aktionsspielraum des Staates stark einzuschränken." Dass dieser eine Milliarde wieder lukriere, weil mehr konsumiert, die Konjunktur belebt würde, wie die Gewerkschafter sagen, sei zwar möglich: "Die zusätzliche Nachfrage der Steuerbegünstigten ist aber kleiner als die Nachfrage, die der Staat entfalten könnte, wenn er mehr Geld hätte, etwa für Infrastrukturinvestitionen und thermische Sanierung."

Geht auch Ulrich Schuh vom Wirtschaftsforschungsinstitut Eco Austria davon aus, dass durch mehr Kaufkraft eine Milliarde zurückzuholen ist? "Das hängt von der wirtschaftlichen Lage ab, es ist aber durchaus realistisch."

Und wie steht es mit Milliarde Nummer 2, die ÖGB und AK bei jenen eintreiben wollen, die Steuern schuldig sind? "Utopisch" ist diese Summe für Schuh. "Hier versuchen ÖGB und AK, Finanzierungslücken in ihrem Steuerkonzept kosmetisch zu schließen." Schulmeister befindet hingegen: "In dem Bereich ist viel drin. Es müsste aber mehr Finanzbeamte dafür geben."

Zwei Milliarden für das Budget brächten Vermögenssteuern, sagen die Arbeitnehmervertreter. Tatsächlich? "Das hängt davon ab, ab wie viel sie schlagend werden – und vom Steuersatz", sagt Schulmeister. "Man könnte auf diese Summe aber kommen. Eine Million als Grenze ist jedenfalls zu hoch, bei netto 500.000 Euro sollte sie sein."

Schuh sagt: Werde, wie gefordert, nur auf "große" Vermögen steuerlich zugegriffen, seien zwei Milliarden "unrealistisch. Legt man die französischen Vermögenssteuern auf Österreich um, kommt man auf nicht einmal 500 Millionen Euro."

Und wie verhält es sich mit Reformen (weg mit Steuerausnahmen und Doppelförderungen, effizientere Verwaltung etc.), von denen sich der ÖGB zwei Milliarden verspricht? Schuh verweist auf "die Vorlaufzeit. Das dauert, bis sie wirken. Nur bei den Förderungen kann man schnell Geld holen." Schulmeister urteilt: "Eine Verwaltungsreform ist der ewige Schmäh als Geldquelle – und als Gegenfinanzierung ungeeignet, weil sie erst langfristig greift."

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