Steuerreform: Experten sagen, Arbeit muss billiger werden
Wie die Bundesregierung das geplante Steuerreform-Volumen von rund fünf Milliarden Euro exakt verteilen wird, ist auch rund eine Woche vor der Präsentation noch immer nicht ganz klar. Hinter den Kulissen dürfte noch heftig gerechnet werden. Denn die unzähligen Wünsche an die Regierung – von einer deutlichen Senkung der Gewinnsteuer KöSt, über eine nachhaltige Entlastung der Arbeitnehmer bis zur Ökologisierung des Steuersystems – übersteigen das vorhandene Budget, soll der Nulldefizitkurs nicht gefährdet werden.
In einem Punkt sind sich so gut wie alle Experten sowie ein Parteien-Spektrum von SPÖ bis Neos einig.
Die Steuer- und Abgabenlast auf Arbeit ist in nur wenigen europäischen Ländern höher als in Österreich: Lediglich in Belgien, den Niederlanden, in Deutschland und Italien ist die monatliche Belastung mit Lohnsteuer und Sozialversicherungsabgaben für einen Durchschnittsverdiener höher als in Österreich.
In fast allen anderen Ländern bleibt einem durchschnittlichen Arbeitnehmer am Monatsende mehr Netto vom Brutto übrig. Am niedrigsten ist die Steuerlast auf den Faktor Arbeit in Irland und Großbritannien.
Darauf hat zuletzt wieder die in Paris ansässige Industrie-Organisation OECD hingewiesen. Aber auch heimische Fachleute wie Wifo-Chef Christoph Badelt, Lukas Sustala von der Agenda Austria oder Martin Kocher, Leiter des Instituts für Höhere Studien (IHS) in Wien, teilen diese Sicht.
Im KURIER-Gespräch sagt Top-Ökonom Kocher: "Die Belastung des Faktors Arbeit gehört zur höchsten, wenn man die österreichische Situation international vergleicht. Wenn wir wettbewerbsfähig bleiben wollen, muss die Entlastung des Faktors Arbeit der Hauptfokus der Steuerreform sein."
Ähnlich argumentiert Sustala: "Vor allem von der hohen Belastung des Faktors Arbeit müssen wir herunter kommen, es sollte mehr Netto übrig bleiben. Hier geht es um eine nachhaltige Entlastung. Das wäre besser als viel Klein-Klein, wie hier ein bisschen bei der Köst, dort ein bisschen bei der Werbekostenpauschale."
Die Bundesregierung hat folgerichtig eine kräftige Senkung der Lohn- und Einkommenssteuer geplant, doch wie kräftig diese Entlastung ausfällt, ist eben noch fraglich. Denn: Alleine der Plan, die ersten drei Steuertarifstufen von derzeit 25, 35, 42 auf runde 20, 30 und 40 Prozent zu senken, kostet dem Vernehmen nach bereits zwischen zwei und drei Milliarden Euro.
Ob das mit dem Gesamtvolumen vereinbar ist, muss sich erst zeigen. Denn zunächst will die Bundesregierung schon heuer den Krankenversicherungsbeitrag für Geringverdiener senken, was zusätzliche 700 Millionen Euro verschlingt. Und mehr als die Hälfte des Gesamtvolumens der Steuerreform, also grob 2,5 Milliarden Euro, wollte Türkis-Blau nicht für die Entlastung der Arbeitnehmer ausgeben.
Bei der Bewertung der Steuerreform verweisen alle Experten auf die ausständigen Reformen von Gesundheit bis Pflege und Pensionen und dass die hohen Steuereinnahmen, nicht aber Sparmaßnahmen den Spielraum im Budget geschaffen habe.
Nicht überambitioniert
Sustala sagt: "Insgesamt sieht man keine grundlegenden Änderungen am Steuersystem. Die Reform ist sicher nicht über-ambitioniert. Positiv könnte sein, dass der Netto-Effekt größer ist als bei der letzten Reform, weil auf höhere Steuereinnahmen an anderer Stelle als Gegenfinanzierung verzichtet werden soll."
Kocher vermisst einen Einstieg in die Ökologisierung des Steuersystems über eine -Steuer. "Wir verfehlen Jahr für Jahr unsere Klimaziele, es muss etwas geschehen. Wenn man hier klein beginnt, schadet es dem Wirtschaftswachstum nicht. Aber je länger man mit der Ökologisierung des Steuersystems wartet, desto teurer wird es später."
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