Kalte Füße bei kalter Progression

Minister Schelling, Ostermayer
Die ÖVP will kalte Progression beseitigen, aber die SPÖ bremst: Abfedern ja, abschaffen nein.

Anstatt den gemeinsamen Erfolg der Steuerreform, die am 1. Jänner in Kraft tritt, noch einmal gebührlich zu feiern, gibt es neuen Steuerstreit zwischen den Regierungsparteien.

Weil klar ist, dass die Entlastungswirkung der Steuerreform in spätestens zwei, drei Jahren aufgezehrt sein wird, will die ÖVP die "kalte Progression" schnellstmöglich abschaffen. Doch die SPÖ, noch im Sommer vehementer Verfechter derselben Position, lässt sich auf einmal Zeit und will die Auswirkungen der kalten Progression nur noch abfedern, abmildern – sie aber nicht generell abschaffen.

Sprich, die SPÖ ist gegen einen Automatismus, der den Steuerzahlern Jahr für Jahr Hunderte Millionen Euro zurückgeben würde.

Wie bei der verhassten Pensionsautomatik führen die Roten auch hier ins Treffen, dass die gänzliche Abschaffung der kalten Progression den Gestaltungsspielraum der Politik zu sehr einengen und obendrein viel zu viel kosten würde. Allein im ersten Jahr 400 Millionen Euro und später ein Vielfaches.

Kalte Füße bei kalter Progression

Außerdem entlaste eine Abschaffung der kalten Progression Besserverdiener viel deutlicher als Geringverdiener (siehe Grafik). Das sei schlicht ungerecht.

Aber was genau versteht man unter der kalten Progression?

An Inflation koppeln

Die Steuerstufen (bzw. die dahinter liegenden Einkommensgrenzen) sind per Gesetz fixiert und werden nicht an die jährliche Inflation angepasst. Bei den Mieten geschieht das alle fünf Jahre, im Steuerbereich eben nicht.

Dadurch rutschen immer mehr Arbeitnehmer über die Zeit in immer höhere Steuerklassen. Laut Statistik-Austria-Chef Konrad Pesendorfer brachte dieser Effekt den Finanzministern in den Jahren 2010 bis 2013 in Summe ein Körberlgeld von 5,5 Milliarden Euro ein.

Umgekehrt gerechnet: Würde man die Steuerstufen an die Inflation koppeln, käme es im Budget zu gehörigen Einnahmeausfällen: zwei Milliarden in vier Jahren, sagt Pesendorfer. Der der roten Reichshälfte zugeordnete Statistik-Chef warnt Schelling: "Für den Finanzminister geht das auf jeden Fall nach hinten los."

Ein mögliches Kompromissmodell hat Gewerkschaftsboss Erich Foglar parat: Erst wenn sich die jährliche Inflation (heuer 1,1 Prozent) auf fünf Prozent summiert hat, sollten den Steuerzahlern die Mehreinnahmen aus der kalten Progression zurückgegeben werden. Das wäre also eine kleine feine Steuerreform alle drei bis fünf Jahre. Ein Schelm, wer da an Wahlzyklen oder Wahlzuckerln denkt.

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