Steuer-Oase? Wir doch nicht!
Die Banken, die sieht jeder gleich, sie sind über die ganze Stadt verteilt und aufgefädelt entlang der Avenue de la Liberte, der Prachtstraße ins Zentrum. 141 Geldinstitute aus 26 Ländern haben sich hier niedergelassen.
Wer aufmerksam ist, wird in der Stadt auch Türschilder mit langen Listen klingender Namen entdecken, fantasievoll, nichtssagend, immer gefolgt von Zusätzen wie Capital Management, Financial Services oder schlicht Solutions.
Und wer es ganz genau wissen will, schnappt sich eine der vielen Hochglanz-Broschüren: Luxembourg – where else? steht da, und: Die erste Wahl in Europa. Es sind All-inclusive-Reisekataloge für Geld: Statt dem Traumstrand ist ein gläserner Bank-Turm abgebildet, statt dem Freizeit-Angebot werden die Steuersätze beworben.
Es steht außer Streit, dass die Finanzwelt in Luxemburg einen wichtigen Sitz gefunden hat – und einen bequemen noch dazu.
Die Frage ist: Wie schwarz oder weiß sind die Milliarden, die hier lagern, wie legal das Geschäftsmodell?
Variante A: Luxemburg ist eine Steueroase mitten in Europa; niedrige Abgaben ziehen Firmen an, Geheimnistuerei lockt Geldwäscher; beides muss aufhören. So sehen das viele in der EU.
Variante B: Luxemburg ist ein attraktiver Finanzplatz mit investitionsfreundlichem Umfeld; man hält sich an internationale Gesetze und Standards; das ist seit Jahrzehnten so und so soll es auch bleiben. So sehen das die Luxemburger.
Parallelen zu Zypern?
Die Fakten: Die Finanzindustrie ist für gut ein Drittel des Luxemburger Bruttoinlandsproduktes verantwortlich. Das Großherzogtum zählt global zu den Top 10 Finanzplätzen und ist der zweitgrößte Fondsstandort der Welt. Die Bilanzsumme der Banken ist rund 20 Mal so groß wie das Bruttoinlandsprodukt – sogar in Zypern lag das Verhältnis nur bei etwa eins zu sieben.
Der Vergleich mit Zypern ist zuletzt öfter gefallen, in Luxemburg reagiert man darauf allergisch: „Es gibt keine Parallelen zwischen Zypern und Luxemburg und wir lassen uns auch keine aufzwingen“, sagt Premierminister Jean-Claude Juncker. Tatsächlich gibt es große Unterschiede: Während in Zypern heimische Banken taumelten, sind in Luxemburg mehr internationale Institute tätig. Auch sind die Risiken besser verteilt als auf Zypern, wo vor allem das hohe Engagement in Griechenland und der dortige Schuldenschnitt zum Verhängnis wurden.
Doch Luxemburg spürt den Fall Zyperns, er hat den Blick auf große Finanzplätze in kleinen Ländern gelenkt, auf (vermeintliche) Steueroasen und Geldwäscher-Paradiese. Auch deswegen gibt Luxemburg nun nach und kippt 2015 das Bankgeheimnis für EU-Ausländer. Der andere, gewichtigere Grund: Der Druck aus den USA, die die automatische Übermittlung der Bankdaten von US-Bürgern in Ausland fordern.
Rechtzeitig gehandelt
Eines muss man den Luxemburgern zu Gute halten, gerade aus österreichischer Sicht: Sie haben die Zeichen der Zeit rechtzeitig erkannt. Als der Regierung dämmerte, dass ein Veto gegen den automatischen Informationsaustausch nicht mehr viel länger aufrecht zu erhalten sei, ging man in die Offensive: Natürlich halte sich Luxemburg an internationale Standards – und wenn dies nun den Datenaustausch bedeute, kein Problem. Man sei ja schließlich keine Steueroase.
So kommt es, dass nun Österreich als letzter Blockierer am Pranger steht – und nicht Luxemburg, obwohl das Großherzogtum bislang deutlich weniger kooperierte. Man mag das für schlawinerisch halten oder auch einfach nur für lernfähig, Fakt ist: Es hat funktioniert. Dass es klappte, lag auch am einigen Auftreten von Premier Juncker und Finanzminister Frieden – ein öffentliches Tauziehen ums Bankgeheimnis gab es nicht.
Jean-Jacques Rommes ist seit 2005 Geschäftsführer des Luxemburger Bankenverbandes, der Interessensvertretung der Branche.
KURIER: Die Ankündigung, Luxemburg werde ab 2015 am Informationsaustausch teilnehmen, hat für große Schlagzeilen in Europa gesorgt. Wie überrascht waren Sie?
Jean-Jacques Rommes: Wenig. Die Regierung hat immer gesagt, dass sie internationalen Standards folgt. Wir wussten auch, dass das Scheitern des bilateralen Abkommens zwischen Deutschland und der Schweiz und das FATCA-Gesetz der Amerikaner (das den Datenaustausch erfordert, Anm.) den Standard verrücken werden. Unsere Mitglieder müssen das jetzt umsetzen, ob sie wollen oder nicht.
Und Österreich muss das wohl oder übel auch?
Sie können die Evolution nicht ignorieren. Das gilt für Österreich und auch die Schweiz. Als Bankenverband finden wir das nicht unbedingt gut, aber es ist so.
Was fänden Sie besser?
Eine Quellensteuer: Die Banken überweisen automatisch – einfacher kann ein Staat Geld nicht einnehmen. Weil es das billigste, beste, einfachste System ist, haben ja die meisten EU-Staaten auch eine Quellensteuer auf Kapitaleinkünfte – intern.
Wieso dann nicht auch grenzüberschreitend?
Hier wird auf EU-Ebene Ideologie betrieben, Populismus: „Wir wollen wissen, wie reich die Reichen sind!“ Es geht um Kontrolle, um Macht. Darum, Geldflüsse zu kennen und sie wieder in Richtung des eigenen Staates zu lenken. Einige EU-Staaten wollen den Binnenmarkt für Finanzdienstleistungen nicht.
Luxemburg will wie Österreich das Bankgeheimnis für Inländer behalten. Gut so?
Viele Länder werden intern ein Bankgeheimnis aufrecht erhalten. Wir würden es logischer finden, dass die Transparenz europaweit gleich eingeführt wird. Einige Staaten sind hier völlig inkonsequent: Sie verlangen grenzüberschreitend etwas anderes als sie intern tun.
Was wird sich für Banken und Kunden jetzt ändern?
Unsere Kunden müssen mit ihrem Fiskus ins Reine kommen, falls sie es noch nicht sind. Darauf wurden bei uns die Kunden in den letzten Jahren schon aufmerksam gemacht. Deshalb ist der Schock nicht so groß.
Angenommen, ich hätte ein Konto in Luxemburg. Welche Gründe gäbe es für mich, mein Geld noch hier zu lassen?
Der Kunde, der uns interessiert, investiert weltweit, hat Einkünfte und Ausgaben in mehreren Ländern und Währungen. Je komplizierter die Situation, desto besser sind Sie hier aufgehoben. Wir haben keinen Heimatmarkt, unsere Banker denken immer grenzüberschreitend. Der Vorteil Luxemburgs ist die Internationalität. Unser Geschäftsmodell ist nicht auf Steuerhinterziehung und Steueroasentum aufgebaut, wie das in Deutschland dauernd zu lesen ist.
Woher kommt das Image?
Es gibt manchmal Unterschiede zwischen unseren Interessen und denen unserer großen Nachbarn. Sie sind groß, wir nicht. Sie haben die Presse-Macht, wir nicht. Da wird dann ein solches Image bewusst kultiviert. Auch unsere Nachbarn, z.B. Deutschland und Frankreich, haben ein gewisses Image bei uns.
Welches hat Deutschland?
Es hat das Image eines großen, sehr großen Landes, dessen Größe manchmal in Europa Probleme bereitet.
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