Sterbehilfe in Österreich: Erste Details zu neuem Gesetz durchgesickert

Sterbehilfe in Österreich: Erste Details zu neuem Gesetz durchgesickert
Assistierten Suizid dürften ausschließlich Personen in Anspruch nehmen können, die an einer körperlichen Beeinträchtigung leiden.

Die gesetzliche Neuregelung der Sterbehilfe in Österreich rückt näher. Die zuständigen Ministerien dürften nur noch an Details arbeiten, hieß es am Freitag aus Verhandlerkreisen. Einer endgültigen Einigung in den kommenden Tagen dürfte also nicht mehr viel im Weg stehen. Laut APA-Informationen plant die Regierung ein Sterbeverfügungsgesetz - ähnlich der schon bestehenden Patientenverfügung. Eine offizielle Bestätigung gab es dafür nicht.

Im besagtem Sterbeverfügungsgesetz soll genau geregelt werden, wer Beihilfe zum Suizid in Anspruch nehmen darf und wer nicht. Betreffen dürfte es ausschließlich Personen, die bereits an einer körperlichen Beeinträchtigung leiden. Das von Verfassungsgerichtshof gekippte Verbot könnte im Strafgesetzbuch (StGB) formal insofern bestehen bleiben, als dass nur diese Fälle ausgenommen werden. Restriktionen in allen anderen Fällen könnten also bleiben.

Eine mögliche Sterbeverfügung wäre durch die Betroffenen zu unterzeichnen. Derzeit ist dies auch bei der Patientenverfügung der Fall. Diese ist eine schriftliche Willenserklärung, mit der künftige Patientinnen oder Patienten eine medizinische Behandlung, etwa lebensverlängernde Maßnahmen, ablehnen. Wirksam werden soll sie, wenn die Betroffenen zum Zeitpunkt der Behandlung nicht entscheidungsfähig sind.

Regierung unter Zugzwang

Die politischen Verhandlungen bei dieser ethisch aufgeladenen Materie laufen vorwiegend zwischen der zuständigen Justizministerin Alma Zadic (Grüne) und Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP). Da sich allerdings auch die Frage stellt, ob etwa Ärzte den assistierten Suizid begleiten sollen, dürfte auch das Gesundheitsministerium involviert sein. Budgetär wird zudem interessant sein, ob es einen verbindlichen Ausbau der Hospiz- und Palliativversorgung geben wird.

Es besteht jedenfalls Zeitdruck, denn der Verfassungsgerichtshof (VfGH) hat das Verbot des assistierten Suizids in Österreich mit Ende 2021 aufgehoben, nicht allerdings das der aktiven Sterbehilfe. Geschieht bis zum Jahresende nichts, ist die Beihilfe zum Selbstmord ab dem kommenden Jahr schlicht erlaubt. Konservative Organisationen und Religionsgemeinschaften drängen auf eine rechtliche Absicherung, damit es nicht zu Missbrauch kommt.

Was ist passive Sterbehilfe?

In puncto Sterbehilfe ist die rechtliche Situation in Europa alles andere als einheitlich. Während indirekte und passive Sterbehilfe in etlichen Mitgliedstaaten der EU erlaubt sind, gibt es nur wenige Länder, die aktive und assistierte Sterbehilfe erlauben bzw. tolerieren.

Während Belgien, die Niederlande und Luxemburg aktive Sterbehilfe ermöglichen, ist diese in der Schweiz und in Deutschland sowie in Österreich auch verboten. In der Schweiz und in Deutschland ist jedoch - wie künftig auch in Österreich - die "Beihilfe zur Selbsttötung" nicht strafbar. In Deutschland galt seit 2015 ein Verbot der geschäftsmäßigen Sterbehilfe. Dieses wurde aber im Februar durch das deutsche Verfassungsgericht gekippt, womit nun - wie in der Schweiz - Angebote von Dritten in Anspruch genommen werden können.

Gemeinhin werden vier Formen der Sterbehilfe unterschieden. Die aktive Sterbehilfe wird auch als "Tötung auf Verlangen" bezeichnet. Dabei führt eine Person den Tod eines Menschen auf dessen ausdrücklichen Wunsch aktiv herbei. Von ihr zu unterscheiden ist die assistierte Sterbehilfe, auch "Beihilfe zur Selbsttötung" genannt. Dabei stellt ein Helfer die Mittel zur Verfügung, die Selbsttötung führt der Patient alleine durch. Mit indirekter Sterbehilfe bezeichnet man den Einsatz von Medikamenten, die den Zustand eines geschwächten Patienten kurzfristig verbessern, aber die Lebensdauer verkürzen, etwa durch starke Schmerzmittel. Passive Sterbehilfe bedeutet die Beendigung lebenserhaltender Maßnahmen auf Wunsch des Patienten (Künstliche Beatmung oder Ernährung). Statt "passiver Sterbehilfe" wird auch von "Behandlungsabbruch" gesprochen.

Die Regelungen im Detail

Die Niederlande verabschiedeten als erstes Land der Welt ein Sterbehilfegesetz, das für Schwerstkranke die aktive Sterbehilfe legalisierte. Der Wunsch des Patienten müsse gemäß der gesetzlichen Regelung wohlüberlegt und absolut freiwillig erfolgen und dessen Zustand müsse aussichtslos bzw. die Leiden unerträglich sein. Zudem muss der Arzt den Patienten umfassend über medizinische Behandlungsmöglichkeiten aufgeklärt haben, und es muss mindest ein weiterer und unabhängiger Arzt kontaktiert werden.

Seit 2002 ist die Sterbehilfe in Belgien unter folgenden Bedingungen erlaubt: Der Patient muss zum Zeitpunkt seines Wunsches bei Bewusstsein sein und sich in einer medizinisch aussichtslosen Lage befinden. Zudem muss er seinen Sterbenswunsch freiwillig, ohne Druck von außen treffen und diesen mehrmals wiederholen. Galt die Regelung zunächst nur bei Volljährigkeit, sind seit 2014 auch Minderjährige davon umfasst.

Luxemburg erlaubte 2009 die aktive Sterbehilfe. Ein Arzt darf Schwerstkranken auf deren Wunsch hin helfen, ihr Leben zu beenden. Allerdings müssen zwei Ärzte unabhängig voneinander feststellen, dass eine Heilung ausgeschlossen ist. Zudem muss der Patient seinen Todeswunsch mehrfach niederschreiben. Minderjährige Patienten brauchen eine Zustimmung der Eltern oder ihres gesetzlichen Vertreters. Bei geschäftsunfähigen Patienten muss der Sterbenswunsch in einer Patientenverfügung festgelegt sein.

In der Schweiz ist "Tötung auf Verlangen" zwar verboten, gesetzlich erlaubt ist aber indirekte aktive Sterbehilfe oder die Beihilfe zum Selbstmord ("Suizidhilfe"). Unter Suizidhilfe versteht der dortige Gesetzgeber die Beschaffung eines tödlichen Medikaments, das der Patient ohne fremde Hilfe selber einnimmt. Im Gegensatz zu anderen Ländern erlaubt die Schweiz die Sterbehilfe auch für Ausländer.

In Deutschland ist aktive Strebehilfe ebenfalls verboten. Passive Sterbehilfe, indirekte Sterbehilfe und Beihilfe zur Selbsttötung sind aber unter bestimmten Voraussetzungen erlaubt. Im Februar kippte das Verfassungsgericht zudem einen Paragrafen der die "geschäftsmäßige Förderung der Selbsttötung" unter Strafe stellte. Bei Verstößen drohten davor bis zu drei Jahre Haft.

"Aktive Sterbehilfe":

Diese ist in Österreich ausnahmslos verboten. Das Strafgesetzbuch (Paragraf 77) spricht von "Tötung auf Verlangen": "Wer einen anderen auf dessen ernstliches und eindringliches Verlangen tötet, ist mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren zu bestrafen." Wer also einem anderen tödliche Medikamente verabreicht, macht sich dadurch strafbar - dabei spielt es keine Rolle, dass die betreffende Person in ihre Tötung eingewilligt hat. Diesen Paragrafen hat der Verfassungsgerichtshof (VfGH) auch nicht aufgehoben. Als nicht aktiv wird die Sterbehilfe dann angesehen, wenn eine Maschine, mit der ein Patient am Leben erhalten wird, abgeschaltet wird - etwa ein Beatmungsgerät.

"Passive Sterbehilfe":

Das Abschalten des Beatmungsgerät fällt unter passive Sterbehilfe. Gleiches gilt, wenn andere lebensverlängernde Maßnahmen unterlassen werden. Passive Sterbehilfe war bereits vor dem VfGH-Urteil zur Sterbehilfe legal und kommt in der Praxis vor allem dann zum Tragen, wenn der Patient keinen eigenen Willen mehr äußern kann. Er kann allerdings bereits davor in einer Patientenverfügung festlegen, dass in diesem Fall keine lebensverlängernden Maßnahmen gesetzt werden sollen. Liegt keine Patientenverfügung vor, können Angehörige diese Entscheidung treffen.

"Indirekte Sterbehilfe":

Diese liegt vor, wenn etwa im Zuge einer Palliativbehandlung in Kauf genommen wird, dass durch den Einsatz von schmerzlindernden Medikamenten der Tod früher eintritt als ohne Behandlung. Das ist etwa der Fall, wenn ein Arzt einem Krebspatienten Morphium verabreicht. Auch diese Form war bereits vor dem VfGH-Urteil legal.

"Suizidbeihilfe (Hilfeleistung zum Selbstmord)":

Das Verbot dieser Form der Sterbehilfe wurde vom VfGH aufgehoben. "Wer einen anderen dazu verleitet, sich selbst zu töten, oder ihm dazu Hilfe leistet, ist mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren zu bestrafen", heißt es im Paragraf 78 des Strafgesetzbuchs. Während der erste Teil des Satzes (das Verleiten zum Suizid) vom VfGH nicht angetastet wurde, fällt das Verbot zur Hilfeleistung ab 1.1. 2022 weg. Konkret geht es um Fälle, in denen etwa ein Arzt einem Patienten ein Mittel besorgt, durch dessen Einnahme sich dieser dann selbst tötet. Das Medikament muss vom Patienten allerdings selbst eingenommen werden. Strafbar machen sich derzeit aber auch noch etwa Personen, die einen Sterbewilligen in ein Land begleiten, in dem dieser legalerweise assistierten Suizid begeht. Dabei ist es gar nicht nötig, dass der Suizid ohne die Hilfeleistung nicht möglich gewesen wäre. Für die Strafbarkeit reicht schon aus, dass die Selbsttötung in irgendeiner Art und Weise - physisch oder psychisch - erleichtert oder gefördert wird.

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