Ist die Steiermark wirklich ein Reformland?
Die Steiermark wählt einen neuen Landtag - doch wie sieht das politische Leben hinterm Semmering eigentlich genau aus? Der KURIER hat vor der Wahl am 31. Mai die wichtigsten Fragen und Antworten gesammelt.
1. Die Steiermark gilt als Reformvorbild. Zurecht?
Jein. Denn die Reformschritte, die das Duo Franz Voves (SPÖ) und Hermann Schützenhöfer (ÖVP) gegangen ist, waren längst überfällig. Das Bundesland hatte die fragmentierteste Gemeindestruktur Österreichs. Vor der Reform gab es 76 Gemeinden mit weniger als 500 Einwohnern, weitere 196 zählten weniger als 1000 - jetzt gibt es statt 542 noch 287 Kommunen.
Viele Kleinstgemeinden hatten vor der Zusammenlegung Probleme, ihre Infrastruktur sowie ihre Sozialleistungen zu finanzieren. Vor der Reform wies ein Drittel der Gemeinden einen negativen Jahresabschluss aus, musste also vom Land gestützt werden. Eine Zusammenlegung war unumgänglich. Allerdings: Viele Strukturen wurden durch die Zusammenschlüsse neu geschaffen - wie viel die Reform an Einsparungen gebracht hat, wird sich also erst in einigen Jahren weisen.
2. Die Steiermark macht keine Schulden! Behaupten zumindest die Reformpartner. Aber stimmt das?
Ja – aber nur für 2015. Da will die Steiermark keine Schulden mehr machen, verkündeten Voves und Schützenhöfer im Herbst vergangenen Jahres. Im laufenden Haushalt ist man dabei auch recht gut unterwegs - trotz einer Millionen-Kürzung der Bundesmittel durch die Steuerreform, sagt die zuständige SP-Landesrätin Bettina Vollath.
Das heißt aber noch lange nicht, dass das Bundesland damit schuldenfrei wäre. Und vor allem nicht, dass die Gemeinden deshalb keine neuen Schulden machen. Denn diese sind von dem Plan nicht erfasst. Dazu kommt, dass Schulden ja auch Definitionssache sind: Je nachdem, wie Liegenschaften und Beteiligungen bewertet werden, fällt der Schuldenstand aus – die Steiermark ist laut Rechnungshof hier nicht besonders transparent.
Die Prüfer bemängeln übrigens auch, dass der Schuldenstand in den vergangenen Jahren ziemlich gestiegen sei: 2008 lag er bei 744 Millionen Euro, jetzt sei man bei 3,5 Milliarden angelangt (mehr dazu hier). Insofern ist der Schritt zum Nulldefizit auch ein notwendiger.
3. In der Steiermark gibt es ja besonders viele Kummerln, oder?
Irgendwie ja! Zumindest gibt es viele Steirer, die mit der KPÖ etwas anfangen können. Ein wesentlicher Grund dafür ist das Engagement von Ernest Kaltenegger, anfangs Wohnbaustadtrat in Graz, später Abgeordneter im Landtag. Er schlug mit seiner Steirer-KP eine eigene Richtung ein, die mit dem Bund wenig am Hut hatte. 1998 schaffte er es mit einem respektablen Ergebnis von 7,9 Prozent auf den Stadtratssessel. Dort machte er einen so guten Eindruck, dass fünf Jahre später knapp 21 Prozent für ihn votierten. Bürgermeister wurde er zwar nicht, das blieb dem Schwarzen Siegfried Nagl vorbehalten, doch das Ergebnis verschaffte ihm einen bundesweiten Nachhall.
Auch andernorts – etwa in der industriedominierten Mur-Mürzfurche – gibt es so machen Einzelkämpfer, der für die Kommunisten gute Stimmung macht. Bei den Landtagswahlen machte sich das erstmals 2005 bezahlt: Kaltenegger führte seine "Kummerln" 2005 mit 6,34 Prozent auf den dritten Platz, vor den Grünen und der FP. Ob seine Nachfolgerin Claudia Klimt-Weithaler das Ergebnis halten kann, wird man sehen – die Prognosen sehen aber nicht schlecht aus.
4. Aber zumindest Franz Voves ist ein Kernölkommunist, äh… -sozialist. Oder etwa nicht?
Diesen Titel hat der amtierende Landeshauptmann seit seiner Kuschel-Ära mit der ÖVP vermutlich nicht mehr gehört: Verliehen wurde er ihm 2009, als er in polterndem Ton von seinen Kollegen in Wien die Einführung von Vermögenssteuern forderte. In der SPÖ-Bundeszentrale und in der Chefredaktion eines maßgeblichen Kleinformats kam das weniger gut an. Der Spott folgte auf dem Fuße.
Voves war aber schon schon seit 2002 für seine markigen Sager bekannt. Der zweimalige Eishockey-Meister und Olympia-Teilnehmer legte auf dem glatten Parkett der Politik schon diverse verbale Pirouetten hin. Trotz diverser Schelten aus Wien kam die bodenständige Art (und auch das leichte Bellen) bei den Wählern gut an: 2005 konnte der gebürtige Grazer erstmals der SPÖ den Landeshauptmannsessel sichern, die gestürzte Landesmutter Waltraud Klasnic musste unter Tränen die Grazer Burg räumen.
2010 büßte Voves nach parteiinternen Flügelkämpfen zwar mehr als drei Prozentpunkte ein, die VP konnte ihn aber nicht schlagen. Die Folge: Die beiden Wahlverlierer taten sich zusammen und setzen auf Harmonie. Das macht der einstige Rebell nun auch, wenn es um die Genossen in der Bundeshauptstadt geht – die Sager aus Wien spart er sich jetzt lieber. „Dafür bin ich zu alt. Ich bin ja kein 17-jähriger Krakeeler da hinterm Semmering“, sagte er vergangenes Jahr in einem Interview mit der Presse.
5. Aha. Aber eigentlich werden die meisten Steirer ja ohnehin Blau wählen. Haben sie bei der Nationalratswahl ja auch!
Dass die FPÖ Erster wird, ist mehr als unwahrscheinlich. Nichtsdestotrotz wird das blaue Team unter Mario Kunasek, der damit den amtsmüden Gerhard Kurzmann beerbt hat und zum ersten Mal als Spitzenkandidat antritt, ein Rekordergebnis prognostiziert. Der 38-jährige Bundesheerler hat sich vorgenommen, das bisher beste blaue Ergebnis im Lande - 17,15 Prozent im Jahr 1995 – zu übertrumpfen; Umfragen sehen ihn gar bei bis zu 24 Prozent.
So viel erreichte die blaue Truppe unter HC Strache zuletzt bei der Nationalratswahl 2013 – damals konnte die FPÖ in der Steiermark tatsächlich Platz eins erreichen, in keinem anderen Bundesland gelang ihr das. Dass der Wahlkampf Kunaseks - der im Vergleich mit den Mitbewerbern auf gewohnt krachende Töne setzt und auch gleich mit Anzeigen quittiert wurde – aber auch dazu führt, dass die FPÖ die grüne Mark aber auch heuer blau einfärbt, ist dennoch eher unrealistisch. Dafür ist das Wahlverhalten der Steirer vermutlich zu konservativ.
6. Wird aus dem Steirerland ein Stronachland?
Nein, das ganz sicher nicht: Die mehr als dürftige Prognose liegt zwischen null und einem Prozent.
Man kann annehmen, dass auch eine Kandidatur von Frank Stronach selbst nicht viel daran geändert hätte – auch wenn seine Magna etwa 11.000 Steirer beschäftigt. Verbessert hat sein ungelenkes Verhalten bei der Kandidatenbestellung die Außenwahrnehmung aber sicherlich auch nicht: Zuerst präsentierte der greise Parteigründer den mit dem Spitznamen "Basen-Auer" versehenen Arzt Wolfgang Auer – ein paar Wochen später ließ er aber per Aussendung mitteilen, dass ihm doch der frühere ÖVP-Bauernbündler Josef Kaltenegger lieber wäre. Auer selbst wusste davon gar nichts – aua.
7. Ist die Steiermark-Wahl wirklich wichtiger als jene im Burgenland und in Wien?
Prinzipiell ja. Die Mehrheitsverhältnisse im Süden ähneln jenen im Bund. Die SPÖ verfügt in der Steiermark nämlich nicht über so satte Mehrheiten wie in Wien oder Eisenstadt: Voves ist mit 38,3 Prozent zum Landeshauptmann geworden, Hans Niessl kam auf 48,3 und Michael Häupl auf 44,3 Prozent. In der Steiermark wirkt die Frage nach absoluten Mehrheiten deshalb geradezu antiquiert.
Da sowohl SP und VP neben der Fortsetzung der Reformpolitik wenig Neues im Repertoire anzubieten haben, werden die Bundeszentralen anhand der Ergebnisse auch auf ihre eigene Zukunft schließen können. Dazu kommt die Frage, wie man in Wien damit umgeht, sollte die FPÖ tatsächlich knapp ein Viertel der Stimmen lukrieren – dies hätte auf jeden Fall bundesweite Abstrahlung.
SP und VP gaben sich deshalb in ihren Wahlzielen aber schon vorab recht bescheiden. Vor allem die Schwarzen, einst uneingeschränkte Hausmacht in der grünen Mark, haben im Wahlkampf ganz verhalten agiert: Man gab nicht einmal vor, den Führungsanspruch stellen zu wollen. „Jeder Reformer braucht einen Partner", steht auf den Wahlplakaten neben Spitzenkandidat Hermann Schützenhöfer. Dass die VP dabei der kleinere sein wird, muss gar nicht mehr extra erwähnt werden.
8. Was ist eigentlich mit den NEOS ? Schaden die der ÖVP zusätzlich?
Zumal die ÖVP selbst in der Steiermark um Stimmen kämpfen muss, hält sich der Einfluss der NEOS derzeit noch in Grenzen. Bei den Nationalratswahlen lagen die VP-Kontrahenten bei 3,9 Prozent, ein Grundmandat wäre sich damit möglicherweise im Landtag ausgegangen.
Ob Spitzenkandidat Uwe Trummer, einst bei der VP-nahen Aktionsgemeinschaft aktiv, aber mit der Strahlkraft von Baum-Liebhaber Matthias Strolz konkurrieren kann, ist mehr als fraglich – der weithin unbekannte Trummer liegt im APA-OGM-Vertrauensindex derzeit bei einem desaströsen Minuswert von 14. Schlechter gestellt sind die nur FP- und Team-Stronach-Kontrahenten,
9. Jetzt noch eine ganz wichtige Frage: Wieso tritt Arnold Schwarzenegger eigentlich nicht in der Steiermark an?
Hm. Das könnte viele Gründe haben. Einer davon ist sicherlich, dass man in Hollywood mehr Anerkennung bekommt, in emotionaler wie finanzieller Hinsicht. Ein anderer ist aber das gespaltene Verhältnis zwischen dem gebürtigen Steirer und seiner Heimat: Zwar hatte die Landeshauptstadt einst sogar ihr Fußballstadion nach dem berühmten Sohn benannt, als der aber für die Todesstrafe eintrat, benannte man die Arena flugs um.
Seither trägt sie den weniger prachtvoll klingenden Namen eines Internetproviders -Schwarzenegger reagierte dementsprechend verschnupft. Zwar besucht er seine Heimat deshalb nicht weniger oft, die offiziellen Pressetermine mit der Politik sind aber deutlich rarer geworden.
10. Und was wir immer schon wissen wollten: Wieso bellen die Steirer eigentlich?
Traditionellerweise wirft Restösterreich den Steirern ja gerne vor, nicht nur Kropfträger (Wiener Stereotyp), stumpfe Bauernschädel (wahlweise ein Burgenländer oder Kärntner Vorurteil) und schlimme Säufer (Vorurteil der Obersteirer über die Steirer im Süden, Osten und Westen) zu sein, sondern auch, sehr eigentümlich zu reden. "Bellen" nennt man das dann im korrekten Idiom, "bölln" wäre die korrekte Aussprachevariante in der Steiermark (zumindest südlich der Mur-Mürz-Furche).
Wer nun aber glaubt, der Steirer schäme sich seiner Aussprache, der irrt: In den Buschenschenken auf der Weinstraße hat man seine diebische Freude daran, wenn ein Zuagraster versucht, dem Steirischen auf die Schliche zu kommen. Da wird dem Nicht-Steirer schon mal abverlangt, den Oachkatzlschwoaf (Eichhörnchenschweif) korrekt zu intonieren. Wahlweise probiert man’s auch mit Böllböllkernöl (Böl-Böl-Kernöl) - einem sogenannten Schibolleth, also einem Begriff, den nur Sprecher einer gewissen Gruppe beherrschen. In dem Fall die Steirer.
Sollte das mit Ihnen jemand probieren – wir hätten hier eine kleine Auswahl an Repliken: Du Dudel, Miachn oder Sauwabn (für Frauen), Plutzer, Pleampl oder Schwöllschädl (für Männer). Und wenn’s ganz schlimm wird, zitieren Sie einfach aus Reinhard P. Grubers „Aus dem Leben Hödlmosers“: „Du weststeirische Oaschsau.“
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