SPÖ: Warum es die Parteispitze derzeit konstruktiv anlegt

SPÖ: Warum es die Parteispitze derzeit konstruktiv anlegt
Die Sozialdemokratie versteht sich seit jeher als staatstragende Partei. In ihrer neuen Rolle hilft ihr das nur bedingt.

Seine Krawatte war rot-weiß-rot, also präsidial-staatstragend. Und auch sonst gab sich Wiens Bürgermeister Michael Ludwig Dienstagabend im öffentlich-rechtlichen Fernsehen staatsmännisch.

Kein überspitztes Wort in die Richtung Bundesregierung, stattdessen: ein Friedensangebot vor einer halben Million Zusehern. „Ich fordere einen Neustart in den Beziehungen“, sagte Ludwig. Eine gute Zusammenarbeit sei im Sinne aller.

Zufall oder nicht, sprach auch Pamela Rendi-Wagner an diesem Abend vor Journalisten. Und auch die frisch gekürte SPÖ-Bundesparteichefin hielt sich mit der Schärfe dezidiert zurück. Stattdessen gab sie sich fast wehmütig: „Ich wünschte, ich könnte hier als Gesundheitsministerin sitzen und sagen: Wir machen das morgen“. Später erzählte sie noch, dass die SPÖ den Ärztemangel zum Schwerpunkt-Thema machen will. Und dabei war der Satz „Ich sehe die Gesundheitspolitik gefordert“ das Offensivste, was sie über ihre Nachfolgerin Beate Hartinger-Klein als Gesundheitsministerin zu sagen hatte.

Zuhörer wurden an diesem Abend den Eindruck nicht los, dass die Zurückhaltung Methode hat, frei nach dem Motto: Konstruktiv statt kantig, Lösungen statt Lamento.

Aber stimmt es, dass sich die führenden Sozialdemokraten in diesen Tagen absichtlich zurücknehmen? Und wenn ja: Sind sie zu leise, vielleicht zu konstruktiv?

Erfolgsrezept Offensive

Politik-Beobachter und Meinungsforscher Peter Hajek ist verwundert über den Auftritt der SPÖ-Spitzen: „Man kann das so machen. Allerdings muss man sich immer die Frage stellen, ob man mit dem Ansatz gehört wird. Die Erfahrung zeigt, dass insbesondere in Wahlkampfzeiten ein offensiver Stil anzuraten ist.“

Also mehr Kante?

Für die SPÖ ist die Oppositionsrolle eine vertrackte Angelegenheit. Zum einen versteht sich die Sozialdemokratie seit jeher als „staatstragende Partei“, wie Kärntens Landeshauptmann Peter Kaiser und andere mit Stolz ventilieren.

Das bedeutet aber auch, dass es sich für diese Partei schlicht nicht geziemt, allzu schrill, aggressiv oder laut aufzutreten – man will ja irgendwann wieder gestalten, also regieren.

Im konkreten Fall der türkis-blauen Bundesregierung ist die Sache für die SPÖ noch komplexer: Die Parteistrategen der Roten wissen, dass etwa Regierungschef Sebastian Kurz insbesondere bei älteren Wählerinnen hohe Zustimmungswerte hat.

Rhetorischer Bihänder

Die Pensionisten und Pensionistinnen sind freilich noch immer eine Klientel, die die SPÖ mit Vorzug adressiert. Und insofern tut man sich mit scharfer Kritik am Regierungschef ein bisserl schwer – es sei denn, man will den eigenen Wählern ausrichten, dass der, den sie eigentlich ganz sympathisch finden, in Wahrheit nicht sympathisch ist.

Und dann gibt es noch einen dritten Grund, warum die SPÖ-Spitze nicht unbedingt mit dem viel zitierten rhetorischen Bihänder hantiert, nämlich: die Frage, wie ein Politiker oder eine Politikerin als Person aufgestellt ist. „Pamela Rendi-Wagner ist kein Josef Cap und kein Beppo Muchitsch. Politiker müssen, wenn sie erfolgreich sein wollen, authentisch bleiben. Es funktioniert nicht, ihnen zu befehlen ,Du musst angreifen!’, wenn sie das nicht können oder wollen.“

Emotionale Aufladung

Also tut die SPÖ-Spitze genau das Richtige?

Mitnichten. Der Umstand, dass mehrere Landesparteien der Parteichefin öffentlich widersprechen mussten, nachdem diese erklärt hatte, dass Vermögenssteuern für die SPÖ derzeit kein Thema sind, enerviert nicht nur Genossen im Umfeld des Wiener Bürgermeisters. Hinzu kommt, dass mitunter angezweifelt wird, ob die inhaltliche Stoßrichtung für die EU-Wahl stimmt. Die SPÖ will ja für ein sozial gerechteres Europa eintreten. Das ist nicht unsympathisch und aus Partei-Sicht durchaus logisch. In einzelnen Landesparteien vermissen Strategen aber die emotionale Aufladung. Ihr Vorschlag: Die EU-Wahl soll zum Denkzettel gegen Türkis-Blau werden.

Politik-Beobachter Peter Hajek ist überzeugt, dass es auch noch einen anderen, staatstragenden Grund für die SPÖ geben würde, mehr Härte zu zeigen. „Die Opposition ist im demokratischen Gefüge dazu da, die Regierung zu kontrollieren.“ Das dürfe man pointiert anlegen. „Immerhin geht es darum, ein Gegenmodell zur Bundesregierung zu zeigen.“

 

Kommentare