SPÖ-Wahlparty: "Erlebten brutalen Gegenwind"

Euphorie bis zuletzt: SPÖ-Chef Christian Kern kämpfte beherzt. Doch mit dem ersten Platz und dem Regierungsauftrag wurde es nichts
Auch nach der Wahlniederlage drängen viele in der SPÖ auf eine Regierungsbeteiligung.

"Yes, we Kern! Yes, we Kern!" Sie riefen ihm zu, als hätte er gewonnen, als wäre Christian Kern weiterhin Chef der stimmenstärksten Partei im Land.

Sonntagabend im SPÖ-Zelt nebst dem Burgtheater. Der 51-jährige Spitzenkandidat steht auf der Bühne. Er lässt Fernseh-Studios warten, weil er hier, weil er bei den Genossen sein will.

Und auch wenn das Ergebnis de facto das selbe ist wie vor vier Jahren: Christian Kern hat verloren. 26,9 Prozent, das ist zu wenig.

Und deshalb ist er jetzt bescheiden und selbstkritisch im Zelt. "Das ist nicht das Ergebnis, das ich mir für euch gewünscht habe", sagt Kern.

SPÖ-Wahlparty: "Erlebten brutalen Gegenwind"
ABD0200_20171015 - WIEN - ÖSTERREICH: NATIONALRATSWAHL 2017 - BK Christian Kern (SPÖ) und Eveline Steinberger-Kern im Festzelt der SPÖ anlässlich der Nationalratswahl am Sonntag, 15. Oktober 2017, in Wien. - FOTO: APA/ROLAND SCHLAGER - Special Instructions

Insgeheim weiß er: Es ist ein passables Ergebnis, trotz allem. Denn selten zuvor ging mehr schief in einem SPÖ-Wahlkampf. Intern spricht man vom schlechtesten Nationalratswahlkampfes seit langem. Rempeleien und Streitereien im Kanzleramt, Strategen die überraschend hinschmeißen; und last but not least die alles überschattende Affäre Silberstein.

Nein, angesichts dessen sind sie beinahe zufrieden im Zelt, im Kanzleramt – und in der Wiener SPÖ.

"Ich denke, wir haben uns ordentlich geschlagen. Wir haben eine Kampagne erlebt mit brutalem Gegenwind. Und trotzdem stehen wir immer noch", so Kern.

Dessen ungeachtet muss er bald verhandeln – im Inneren, wie nach außen. Die erste Runde wartet heute Vormittag. In der SPÖ treffen sich die Partei-Granden zur Manöverkritik.

SPÖ-Wahlparty: "Erlebten brutalen Gegenwind"
Nationalratswahl 2017

Christian Kern hat das erste Wording schon vorgegeben: "Wir wollen Verantwortung übernehmen, in welcher Form wird sich weisen."

Übersetzt heißt das: Wir wollen nicht notwendigerweise in die Opposition – aber es liegt nicht an uns.

Wobei: Genau das ist in den nächsten Tagen die Frage. Soll, ja muss die SPÖ in der Opposition bleiben? Für Michael Häupl und sein Team scheint die Sache recht klar zu sein: Mit diesem Ergebnis seien Regierungsverhandlungen für die SPÖ vorerst kein Thema.

"Das Land ist nach rechts gerückt, und die Menschen haben uns jetzt für unsere linke Haltung und unsere klare Ablehnung von Schwarz-Blau gewählt", sagt ein Wiener SPÖ-Stratege. "Wenn wir diese Wähler jetzt auch noch vergrämen, dann ist die SPÖ am Ende."

Ein Blick auf die regionalen Zahlen scheint die Einschätzung durchaus zu stützen: Während die Häupl-SPÖ in Wien mit einem prononcierten Anti-Schwarz-Blau-Kurs um mehr als drei Prozentpunkte auf 35 Prozent Stimmenanteil zulegen konnte, schaffte die mit der FPÖ koalierende burgenländische SPÖ ein auffallend schwaches Ergebnis: Minus 4,40 Prozentpunkte, nicht ganz 33 Prozent Stimmenanteil. Im schlimmsten Fall könnte das Burgenland noch an die ÖVP wandern.

Sind die auffälligen Landes-Ergebnisse Zufall? Vielleicht, vielleicht auch nicht.

SPÖ-Wahlparty: "Erlebten brutalen Gegenwind"
Nationalratswahl 2017
Fest steht, dass auch in der Wiener SPÖ und vor allem in den Teil-Gewerkschaften mächtige Vertreter dafür sind, dass die SPÖ auf alle Fälle wieder in eine Regierung drängt. Ihr Argument: In keinem Bundesland, in dem die SPÖ aus der Regierung fiel, hat sie sich in der Opposition neu aufstellen können.

Der SPÖ steht also die schmerzliche Frage bevor, ob man jedenfalls und unter allen Umständen in Opposition geht – oder nicht.

Christian Kern selbst steht, vorerst, nicht zur Disposition. In den meisten Landesparteien hält man an ihm als Parteichef fest. "Es ist Christian Kern gewählt, und Christian Kern soll weiter die SPÖ führen", sagte Burgenlands SPÖ-Chef Hans Niessl. Und Kern selbst meinte trocken: Er habe zehn Jahre in der Politik bleiben wollen. "Also fehlen noch neun."

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