"SPÖ und ÖVP haben eine posttraumatische Störung"

Gesundheitslandesrat Drexler und Landeshauptmann Schützenhöfer
Landesrat Drexler rät der Regierung zur Arbeit und seiner Partei zu schärferem Profil.

Rückschau in das Jahr 2012: Der steirische ÖVP-Chef Hermann Schützenhöfer plädiert dafür, das Pensionsalter stufenweise auf 67 Jahre zu heben. Mehr hat Seniorenbundobmann Andreas Khol nicht gebraucht. Er repliziert: Schützenhöfer habe bei den Pensionen nichts zu sagen; da sei er "das Salzamt". Das bringt die steirischen Schwarzen in Wallung. Deren Klubchef Christopher Drexler befindet: Khol sei die "Speerspitze des geriatrischen Populismus".

Mittlerweile ist Drexler Gesundheitslandesrat – und der 74-jährige Khol Hofburg-Kandidat der ÖVP. Wie urteilt Drexler über diesen? "Ich schätze Andreas Khol als herausragenden Intellektuellen und herausfordernden Diskussionspartner. In den vergangenen Tagen habe ich auch noch gelernt, dass er der weltbeste zweitbeste Kandidat ist" (ursprünglich war der niederösterreichische Landeshauptmann Erwin Pröll vorgesehen, der wollte aber nicht). Khol werde "aufpassen müssen, nicht bloß als Botschafter der Vergangenheit wahrgenommen zu werden", sagt Drexler. Stehen dessen Chancen gut, in die Stichwahl zu kommen? Und bei der zu siegen – auch mithilfe von Blau-Wählern? "Das ist schwer zu sagen. Es ist noch nicht klar, ob und wen die FPÖ ins Rennen schickt. Und das Angebot für die bürgerliche Mitte ist groß – auch Rudolf Hundstorfer, Alexander Van der Bellen und Irmgard Griss kämpfen um diese."

Unfertiges Bild

Wie nimmt Drexler die Bundespartei wahr, seit diese von Reinhold Mitterlehner geführt wird? Der Parteitag im Mai 2015, bei dem ein neues Programm beschlossen wurde, war ja unter dem Motto "jünger, weiblicher, moderner" gestanden. "Mitterlehner hat das Zeug, Chef einer modernen bürgerlichen Partei zu sein. Das unterscheidet ihn von Vorgängern, die retro gewirkt haben. Das Bild dieser modernen bürgerlichen Partei ist aber noch nicht fertig gezeichnet." Das Profil sei zu schärfen: "Wirtschafts- und gesellschaftspolitisch. Gesellschaftspolitisch muss die ÖVP fix im 21. Jahrhundert ankommen. Da ist zwar einiges geschehen, das muss aber internalisiert werden. Es hilft nichts, wenn in kleinen Zirkeln aus der alten ÖVP eine moderne gemacht wird – und die Außenwahrnehmung ist nach wie vor die einer rückwärtsgewandten Truppe."

Noch viel mehr zu tun gebe es in der Koalition, meint Drexler: "Es ist ein guter Zeitpunkt, um mit dem Regieren zu beginnen." Sein Befund: "Weite Teile der ÖVP und der SPÖ haben eine posttraumatische Störung – durch das traumatisierende Erlebnis von Schwarz-Blau von 2000 bis 2006. Manche haben immer nur im Fokus, wie man dem Partner eins auswischen kann – und übersehen, dass uns die Opposition überholt hat. Ich wünsche, dass nicht mehr länger Heil und Glück darin gesehen werden, einander gegenseitig zu ärgern, sondern gute Regierungsarbeit zu machen. Das große selbst gewählte Thema muss heuer Wachstum und Arbeit sein. Österreich droht in der Wettbewerbsfähigkeit zurückzufallen."

Gnädiger Nachsatz des Steirers: "Aus der Distanz ist leicht zu plaudern."

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